Teilweise erfüllen historische Kastenfenster im Bestand nicht mehr die aktuellen Komfort- und Nutzerwünsche bzw. hinken in einigen Leistungsparametern zeitgenössischen Fenstern hinterher. Der Holzforschung Austria und der Technischen Universität Wien ist es gemeinsam mit Tischlereibetrieben und einem Vakuumglashersteller gelungen, die technische Performance, insbesondere die thermische Qualität der alten Kastenfenster auf ein top Niveau anzuheben.
Das Projekt VAMOS (Vakuumglas-Kastenfenster: Performance-Monitoring in Sanierungsprojekten) setzte 2018 auf den Bemühungen auf, die die Holzforschung Austria (HFA) gemeinsam mit dem Forschungsbereich Bauphysik und Bauökologie der Technischen Universität Wien (TU Wien) bereits in Vorprojekten zu Vakuumglas betrieben hatte (in den Projekten VIG-SYS-RENO, MOTIVE und FIVA). Bereits 2014/2015 wurde die prinzipielle Tauglichkeit von Vakuumgläsern generell und als Möglichkeit zur Ertüchtigung von Bestandskastenfenstern identifiziert. Im jetzt abgeschlossenen Projekt VAMOS wurde ab August 2018 zwei Jahre lang gemeinsam mit namhaften Handwerksbetrieben, die sich der Renovierung, Sanierung, Ertüchtigung und Neu-Konstruktion von Kastenfenstern für Bestandsbauwerke verschrieben haben, eine Reihe von Demonstrationsfenstern gebaut.
Diese wurden nicht nur umfassenden virtuellen (simulations-basierten) Untersuchungen sowie intensiven Labortests zur Gebrauchstauglichkeit unterzogen, sondern auch in-situ in baukulturell bedeutsamen Bestandsbauwerken eingebaut und einem intensiven Monitoring unterzogen.
Das sind die Herausforderungen beim VIG-Einsatz
Vakuumglas zeichnet sich durch seinen guten Wärmedurchgangskoeffizienten von Ug = 0,4 – 0,7 W/(m²K) bei gleichzeitig extrem dünnen Gesamtglasdicken von 6 – 8 mm (bei sehr hohen Schallschutzanforderungen 10 – 12 mm) aus. Herausfordernd ist die massive Wärmebrücke im Bereich des Randverbundes und die Empfindlichkeit gegenüber dynamischen Lasten. Die dünnen Vakuumisolierglasscheiben eignen sich hervorragend zum Einbau in die zarten Flügelrahmen der historischen Kastenfenster (Glastausch).
Es galt unter anderem auch die Auswirkungen der Wärmebrücke des Randverbundes zu untersuchen, theoretisch in der Simulation, praktisch im Labor und durch ein einjähriges Monitoring an 6 Objekten.
Sechs historische Objekte untersucht
Um die unterschiedlichen – teilweise harten – klimatischen Bedingungen bestmöglich zu berücksichtigen, wurden sechs Bestandsgebäude gewählt, die über Österreich verteilt waren. Bei fünf Gebäuden handelt es sich um Altbestand, bei dem die Fenster thermisch ertüchtigt wurden. Bei einem Gebäude wurde eine Sockelsanierung durchgeführt, also Wände und Decken saniert, Estriche eingebaut, Haustechnik erneuert etc.
Auch die Typologie der vorhandenen Kastenfenster unterschied sich teilweise wesentlich, genauso wie der Grad der Intervention – von vorsichtiger Restauration unter Verwendung von Vakuumglas bis hin zur kompletten Neuerrichtung, also einem Fenstertausch – und die Einbausituation. Alle Fenster wurden technisch überholt und die Dichtheit der Innenebene bestmöglich verbessert. Die Dichtebenen wurden durch Einstellen der Beschläge und Nachbessern der Fälze erreicht oder, bei den neuen Fenstern, durch eine Dichtung im Falz- und Stulpbereich.
So wurde der VIG-Einsatz überprüft
Mit Ausnahme von einem Objekt wurden zumindest drei Fenster je Objekt einem intensiven Monitoring unterzogen. Diese drei Fenster waren jeweils unterschiedlich ausgeführt: In der Regel eine Realisierung mit Vakuumglas in den Innenflügeln, eine Realisierung mit Vakuumglas in den Außenflügeln und ein „Kontrollfenster“, welches im Ursprungszustand belassen wurde, so dass ein Vergleich der Performanceertüchtigung möglich war.
Das Monitoring-Equipment bestand aus Messfühlern, die an kritischen Punkten (auf der jeweiligen Innenseite der Außen- und Innenflügel, jeweils auf der Fläche und den Ecken der Flügel, im Zwischenraum, etc.) Daten erfassten und diese über WiFi in eine an der TU Wien entwickelte Datensammlungs-, Strukturierungs- und Auswerte-Softwareinfrastruktur einspeisten. Auf diese Weise konnte auch der Ausfall von Messfühlern, z. B. durch unbedachte Entfernung durch NutzerInnen, sofort identifiziert und sichergestellt werden, dass Datenlücken rasch behoben und geringgehalten werden konnten. Weiters wurden die jeweiligen GebäudenutzerInnen gebeten, ein eigens angefertigtes Beobachtungsprotokoll zur Dokumentation von Auffälligkeiten, wie beispielsweise das Auftreten von Kondensat an unterschiedlichen Stellen an/im Fenster oder auf der Glasoberfläche, zu führen.
An fünf der sechs monitorten Gebäuden wurde kein Kondensat an den Fenstern festgestellt. Anzumerken ist allerdings, dass sich unter den Kastenfenstern immer ein Heizkörper befand. Bei den Kastenfenstern in dem sockelsanierten Gebäude, bei dem durch die Sanierungsmaßnahmen viel Feuchtigkeit eingebracht wurde und dieses auch noch nicht entsprechend des Gebäudezwecks genutzt wurde (kein regelmäßiges Lüften), musste zum Teil starkes Kondensat detektiert werden. Dafür kann auch eine festgestellte, mangelhaft umgesetzte Dichtebene, insbesondere im Übergang von horizontalem Fensterfalz zum vertikalen Stulpfalz, verantwortlich sein.
Vakuumglas innen oder außen – was ist besser?
Zur Frage, ob Vakuumglas im Kastenfenster innen oder außen zu bevorzugen ist, kann keine allgemein gültige Aussage getroffen werden, da immer die objektspezifischen Randbedingungen zu berücksichtigen sind (wie z. B. Heizkörper unter dem Fenster, Sanierungszustand der Fenster, Qualität der inneren Dichtebene, Feuchteeintrag auf der Raumseite, Orientierung der Fenster, Mikroklima in der direkten Umgebung, …).
In Bezug auf die Grundkonstruktion kann aber festgehalten werden, dass bei nach außen öffnenden Pfostenstockfenstern (Alt-Wiener oder Grazer Kastenfenster) das Vakuumglas jedenfalls innen zu positionieren ist, da sich der Außenflügel im kritischen kalten Bereich vor der Fassade befindet. Dadurch wäre auch das hochdämmende Vakuumglas vor der Fassade und im Übergang vom Fenster zum Mauerwerk durch den dünnen Fensterrahmen eine massive, kaum durch das Vakuumglas beeinflussbare Wärmebrücke gegeben. Analoges kann für Kastenfenster im (stark wärmeleitenden) Steingewände festgehalten werden: Hier ist das Vakuumglas nach Möglichkeit innen zu positionieren.
Bei innen öffnenden Kastenfenstern ohne Steingewände ist die Positionierung innen wie außen möglich. Innen bedeutet bessere energetische Eigenschaften, da das hochdämmende Vakuumglas weiter innen sitzt und der Stockrahmen als Leibungsdämmung dient, mit dem Effekt, dass der Pufferraum zwischen dem Außen- und Innenflügel stärker abkühlt. Außen bedeutet, dass der Pufferraum deutlich höher temperiert ist und damit ein geringeres Oberflächen-Kondensatrisiko besteht, aber dafür ein höherer Wärmeabfluss über die Stockleibung erfolgt.
Einbausituation muss im Einzelfall geprüft werden
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Verwendung von Vakuumgläsern auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung der thermischen Performance von Bestandskastenfenstern ermöglicht, die „nur“ mit Floatglas ausgestattet sind. Ein Kastenfenster mit Vakuumglas erreicht einen U-Wert von deutlich unter Uw ~ 1,0 W/(m²K) und kann die energetische Performance eines Gründerzeithauses mit dieser Einzelmaßnahme (Sanierung aller Fenster) um bis zu 10 % verbessern (abhängig vom Fensteranteil an der Fassade).
Es ist jedoch in jedem Fall eine detaillierte hochbautechnische Analyse vor einer Planung einer solchen Ertüchtigung von Nöten, um zu identifizieren, welche Einbausituation sich für die Vakuumgläser eignet. Das ist nicht zuletzt dem Faktum geschuldet, dass die thermische Performance von Kastenfenstern nicht allein durch die Gläser determiniert wird, sondern auch durch das (Nicht-)Vorhandensein von Dichtungen, die entsprechende Einstellung der Fenster (Anpressdruck) und die umfassende Gewände/Wand-Struktur bzw. deren Material sowie die Position des Kastenfensters in der Fensternische. Eine Kompatibilität mit möglichen Anforderungen an den Fenster Denkmalschutz ist vor einem solchen Einsatz ebenso in jedem Falle abzuklären.
Das steckt hinter dem Projekt VAMOS
Das Projekt wurde von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt. Forschungspartner sind die Holzforschung Austria und die Technische Universität Wien. Beteiligte Unternehmen: Ernst Prohaska Schaden Fenstersanierung GmbH, Alois Svoboda GmbH, Tischlerei Alois Winkler, Zoller-Prantl Ges.m.b.H, Interpane Entwicklungs- und Beratungsges.mbH (Vakuumglashersteller)
Fenster-Türen-Treff 2022
Nähere Informationen zum Projekt werden am diesjährigen Fenster-Türen-Treff präsentiert. Der Branchentreff findet vom 9.-10. Juni 2022 im Congress Salzburg statt. Das Programm und die Anmeldung der Veranstaltung finden Sie unter:
Die Autoren
Von der Holzforschung Austria: Karin Hauer, Jakob Haberl, Peter Schober.
Von der TU Wien: Ulrich Pont, Mathias Schuss, Magdalena Wölzl.