Glaswelt – Die Energiepreise sowie Stahl- und Rohstoffpreise schießen nach oben, welche Schlüsse zieht Hegla aus diesen Entwicklungen?
Bernhard Hötger – Derart hohe Energiepreise hätte noch vor einem Jahr wohl niemand erwartet. Da unsere Produktion nicht energieintensiv ist, ist diese Belastung überschaubar, dennoch spüren wir die Steigerungen direkt, etwa über die massiv gestiegenen Kosten unserer Zulieferprodukte und natürlich über die Gespräche mit unseren Mitarbeitern, die im privaten Umfeld den wachsenden Ausgaben ausgesetzt sind. Aktuell passen wir erneut Prozesse in unserer Fertigung an, optimieren diese zu mehr Effizienz und überprüfen die Energieverwendung in allen Bereichen.
Bei unseren Maschinen- und Anlagenlösungen gehen wir unseren bereits eingeschlagenen Weg weiter. Die Taktzeitoptimierung bleibt im deutlichen Fokus, sodass wir über die maximale Produktivität der Anlagen zu gesenkten Stückkosten beitragen wollen. Wir beraten ganzheitlich und partnerschaftlich, um über alle Wertschöpfungsstufen von der Software über die Maschine bis hin zur Logistik und Laserbearbeitung das Optimum für unsere Kunden zu erzielen.
Glaswelt – Den Blick auf den Glasmarkt, welche Entwicklungen sehen Sie aktuell?
Hötger – Rohglas wird immer teurer und zu höheren Preisen für Glasprodukte führen. Abzuwarten bleibt, ob und wann die bislang gestoppten Bauprojekte wieder aufgenommen werden. Die Baubranche wird dies absehbar unter Druck setzen, auch wenn die Auftragslage zurzeit noch gut ist. Inwieweit und mit welcher Konsequenz dies dann die Glas verarbeitende Industrie trifft, kann noch nicht abschließend abgeschätzt werden, der Markt wird sich aber signifikant abkühlen.
Der Trend zum 3-fach-Isolierglas sowie energiesparenden Maßnahmen setzt sich einerseits im Massenmarkt weiter fort. Aktuell erleben wir andererseits bei der Hegla boraident ein verstärktes Interesse an Lösungen zur Herstellung von Sondergläsern mit höherer Wertschöpfung, wie Vogelschutzglas, Heizglas oder smarten sowie mobilfunkdurchlässigen Scheiben.
Wir beraten ganzheitlich und partnerschaftlich, um über alle Wertschöpfungsstufen von der Software über die Maschine bis hin zur Logistik und Laserbearbeitung das Optimum für unsere Kunden zu erzielen.
Foto: Matthias Rehberger
Glaswelt – Und worauf konzentrieren Sie sich als Gruppe heute besonders?
Hötger – Als Gruppe profitieren wir von der starken Kompetenz der einzelnen Partner für ihren Bereich und von den verschiedenen Perspektiven der Einzelunternehmen. Unsere Ziele und Leidenschaften haben sich in der Gruppe nicht verändert, so arbeiten wir gemeinsam an der Vernetzung und Automation der Maschinen, der Software und den Schnittstellen unserer Lösungen. Gleichzeitig investieren wir in unsere Sparten, um die Kompetenzen und die Stärken des partnerschaftlichen Verbundes weiter zu schärfen.
Glaswelt – Geben Sie bitte Sie dazu ein Beispiel.
Hötger – Herausgekommen ist dabei beispielsweise eine ganzheitliche Lösung zur Optimierung der Ofennutzung. Die Hegla-Hanic bietet eine Ofenbettoptimierung, die Hegla eine automatische Batchbildung, die Hegla boraident eine Lösung für das Track & Trace und für den Nachweis des Härteprozesses, die Hegla TaiFin verfügt über die Ofentechnologie für hervorragende Ergebnisse und die Hegla New Technology kann automatisch die Rezepte optimieren. In der Gruppe gehören die Automatisierung und Digitalisierung aktuell ebenso zu den Fokusthemen wie auch die Entwicklung beispielsweise weiterer Sonderscheiben mit höherer Wertschöpfung für unsere Kunden.
Glaswelt – Hegla war vor 20 Jahren quasi ein „reiner“ Glasmaschinenbauer, das hat sich deutlich geändert, u. a. mit dem Zukauf von Spezialanbietern und selbst einem Softwarehaus, hat sich das bewährt?
Hötger – Der Verbund aus den verschiedenen Spezialanbietern hat sich bewährt. Die Gruppe hat sich gut zusammengefunden und kann jeweils aus der Summe der einzelnen Fachkompetenzen überzeugen und für den Kunden Mehrwerte generieren, die nur durch das Zusammenführen der Profis aus allen Bereichen möglich ist. Und auch für die ursprüngliche Hegla selbst bringt dies Vorteile, die so nicht unbedingt zu erwarten waren. So ist beispielsweise mit dem ES-Guard Rapid ein neues Lasermarkierungssystem entstanden, das sich perfekt auf die Anforderungen der Schneidanlagen anpasst.
Ebenso hat die Zusammenarbeit mit der Hegla boraident auch unsere Maschinentechnik verändert und führt bei der Laserdiodenheizung zu 20 Prozent mehr Produktivität im VSG-Zuschnitt. Letztlich haben wir durch den Verbund eine Entwicklung gefestigt, bei der alle Mitarbeiter mit Idealismus bei der Sache sind. Unter anderem das Sortiersystem SortJet war ein wichtiger Schritt, um Bereiche weiter zusammenzuführen und auch zukünftig wird der Anteil der Automation, Digitalisierung und Vernetzung steigen.
Am Ende geht es heute nur noch um Logistik. Unsere Kunden bekommen Glashalbzeuge angeliefert und produzieren daraus hochveredelte Endprodukte. Unsere Aufgabe ist es, unsere Kunden dabei zu unterstützen, eine möglichst angemessene und kontinuierliche Wortschöpfung zu ermöglichen.
Glaswelt – Wie beeinflusst die Integration der Softwareschmiede Hanic die Entwicklung bei der Hardware. Welche Neuheiten und Weiterentwicklungen sind hieraus entstanden?
Hötger – Die Zusammenarbeit zwischen der Hanic und der Hegla ist über Jahre gewachsen. Wenn wir auf den massiv gestiegenen Softwareanteil in der Produktion schauen, war es nur konsequent hier einen Verbund zu bilden. Wir sind mit der Hanic im kontinuierlichen und konsequenten Austausch und bringen uns zusammen mit den verschiedenen Kompetenzen beispielsweise in die Definition offener Schnittstellen beim VDMA ein. Auch direkt bei der Hanic finden sich Einflüsse: Unter anderem das neue ERP-System und die Schneidtisch-Optimierung CUT+ sind einmal mehr auf die Maschinen abgestimmt. Die selbstlernende Kapazitätsplanung ist eine weitere Lösung. Unsere eigentliche Motivation in diesem Zusammenhang ist es, über die Automatisierung hinaus, ebenso professionell auch die MES- und ERP Ebene zu verstehen und Stück für Stück mit der Automatisierungsebene auf das nächste Level zu bringen.
Wichtig ist uns dennoch, ein offener Verbund zu bleiben: Wir legen großen Wert auf die Zusammenarbeit mit allen Anbietern und Systemen. Letztlich profitieren wir nicht vom kurzfristigen Erfolg, sondern von der nachhaltigen Zufriedenheit unserer Kunden, sei es im Verbund oder mit einem weiteren Anbieter.
Das Interview führte Matthias Rehberger.