Intelligente Gebäude und besonders intelligente Fassadengestaltung gelten heute als wesentlicher Bestandteil zum Klimaschutz. Zudem wird immer mehr Augenmerk auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen gelegt, die sich darin aufhalten.
So haben dynamische oder intelligente Gläser in den letzten Jahren zunehmend an Beliebtheit gewonnen, da sie im Vergleich zu statischen Lösungen eine höhere Flexibilität bei der Fassadengestaltung bieten.
Immer häufiger kommen schaltbare Gläser zum Einsatz, die ihre optischen und thermischen Eigenschaften verändern (z. B. variabler g-Wert), wenn eine elektrische Spannung angelegt wird. Als Sonnenschutzgläser eingesetzt, können sie mechanische Sonnenschutzsysteme wie Rolläden, Rollos oder innenliegende Jalousien ersetzen. Dies spart Platz und hilft den laufenden Wartungsaufwand für Gebäude zu reduzieren.
Schaltbare Sonnenschutzgläser, deren schaltbares Element auf Flüssigkristallen basiert, bieten hier einige Vorteile. So hat eyrise B. V., eine Tochter des Darmstädter Wissenschafts- und Technologieunternehmens Merck, gleichnamige Flüssigkristallgläser entwickelt, deren Licht- und Wärmedurchlässigkeit sich in Sekundenschnelle sowie stufenlos regulieren lassen.
Für Fassadengläser eignet sich dabei die Sonnenschutzvariante eyrise s350. Eine Sichtschutzlösung für Verglasungen in Innenräumen bietet der Typ eyrise i350, der sich von transparent nach transluzent schalten lässt. Zu den Anwendungen zählen hier unter anderem Raumteiler, Sichtschutzwände sowie Projektionsflächen.
Wie funktionieren Flüssigkristallgläser?
Das eyrise System basiert auf einer von Merck entwickelten und patentierten Flüssigkristalltechnologie, die bisher vor allem für Flachbildschirme oder Smartphone-Displays zum Einsatz kam.
Die Basis bildet die transparente licrivision Flüssigkristallmischung, der nach Wunsch spezifische Farbmoleküle zugesetzt werden können. Sie wird zwischen zwei Glasscheiben eingebracht, die mit einer unsichtbaren leitfähigen Schicht versehen sind. Wird eine geringe elektrische Spannung angelegt, ändern die Moleküle in dieser Flüssigkristallzelle ihre Ausrichtung und beeinflussen so die Licht- und Wärmedurchlässigkeit des Glases (Bild 01).
Die Steuerung der Gläser kann über Schalter (manuell) sowie über eine Smartphone-App erfolgen. Zudem lässt sich die Steuerung in das Gebäudemanagementsystem integrieren.
Sehr kurze Schaltzeiten und neutrale Tönung
Bei herkömmlichem elektrochromem Sonnenschutzglas (EC-Glas) basiert der Umschaltvorgang auf einer chemischen Reaktion und dauert mehrere Minuten. Zudem wechseln diese Gläser beim Abdunkeln ihre Farbe, meist zu Blau.
Bei den eyrise Sonnenschutzgläsern ist das Umschalten der Flüssigkristallmoleküle von maximaler zu minimaler Lichtdurchlässigkeit ein physikalischer Vorgang, der nur etwa eine Sekunde dauert. Dabei sind bis zu 256 Zwischenstufen möglich, so dass sich die Lichtdurchlässigkeit und die Sonneneinstrahlung, z. B. an bewölkten Tagen, feinfühlig an sich ändernde Bedürfnisse anpassen lassen. Bild 02 zeigt ein eyrise Glas sowie ein gängiges EC-Glas, beide jeweils im hellen und abgedunkelten Zustand [1].
Aufgrund der kurzen Schaltzeiten und da eyrise seine neutrale Tönung in jedem Zustand beibehält, sind die Schaltvorgänge für die Menschen im Inneren kaum wahrnehmbar. So bleibt zu jeder Zeit ein unverfälschter Blick nach draußen erhalten. Zudem erscheinen die Einrichtung und Gegenstände im Raum in ihrer natürlichen Farbe.
Der Umschaltvorgang ist unendlich oft wiederholbar, ohne dass die Wirksamkeit des Sonnenschutzes beeinträchtigt wird, so die Entwickler. Daher besitzen Flüssigkristallfenster eine sehr lange Einsatzdauer.
Die eyrise Sonnenschutzgläser werden als Mehrscheiben-Isoliergläser ausgeführt. Bild 03 zeigt den typischen Aufbau einer 2-fach-Isolierglas-Einheit. Die äußere Scheibe ist ein Laminat aus 4 bis 10 mm dickem teilvorgespannten Glas (TVG) und zwei identischen, je 17,52 mm dicken Flüssigkristallzellen. Diese drei Elemente sind jeweils über PVB-Zwischenlagen miteinander verbunden. Die innenliegende Scheibe ist ein wärmeschutzbeschichtetes Verbundglas.
Hohe Gestaltungsfreiheit bei hoher Effizienz
Aufgrund der Farbneutralität und der kurzen Wechselzeiten bietet eyrise eine sehr hohe Designfreiheit. Der Anbieter fertigt die Gläser in Formaten von 450 × 410 mm bis 1600 × 3505 mm. Zudem sind unterschiedliche geometrische Formen möglich.
Auf Wunsch kann die Flüssigkristallmischung auch individuell eingefärbt werden, um spezielle Vorgaben des Bauherrn oder Architekten zu erfüllen. Damit lassen sich diese intelligenten Gläser nahtlos in traditionelle und moderne Architektur integrieren.
Hinsichtlich Kosten liege eyrise im Bereich von komplexen Fassaden-Sonnenschutzsystemen, wie der Anbieter unterstreicht. Um einzelne Lösungen miteinander zu vergleichen, sei eine ganzheitliche Betrachtung erforderlich.
So erfordern die dynamischen Flüssigkristallgläser von eyrise im Vergleich zu mechanischen Sonnenschutzsystemen keine Wartung, und sie sind platzsparend in die Fassade integrierbar, was sich gerade bei hohen Gebäuden mit vielen Etagen positiv auf die Raumausnutzung auswirkt. Entsprechende Berechnungen und Vergleiche als Entscheidungsgrundlage gehören zum Service des Herstellers.
In der Praxis bewährt
Architekten und Gebäudedesigner auf der ganzen Welt setzen bereits auf eyrise, um maßgeschneiderte Glasstrukturen und Fassaden in einer großen Vielfalt von Formen, Größen und Farben zu schaffen. Beispiele dafür sind die Niemeyer Sphere in Leipzig, die neue Firmenzentrale der FC-Gruppe bei Karlsruhe sowie das Konferenzzentrum von Merck in Darmstadt.
Eines der ersten Projekte, das mit schaltbaren eyrise Gläsern ausgestattet wurde, ist ein Bürogebäude in Oslo. Dieses wurde im Februar 2019 eingeweiht. Die Scheiben kommen für die großflächige Verglasung der Cafeteria des 16-stöckigen Orkla City Komplexes zum Einsatz (Bild 04).
Für die 82 m2 große Glasfront wurden insgesamt 23 rechteckige, in einem neutralen Grau gehaltene Glasscheiben in sieben unterschiedlichen Größen montiert. Die größte davon misst 1200 × 3300 mm. Die Verdunkelung der Gläser wird über einen Außenlichtsensor automatisch gesteuert, lässt sich aber bei Bedarf zudem über das Gebäudemanagementsystem durch die Benutzer nachjustieren.
Der Bauherr Orkla Real Estate legte bei diesem Projekt großen Wert auf umweltfreundliche und energiesparende Technologien. Zum einen sollte möglichst viel natürliches Tageslicht in den Raum gelangen – für die Menschen während des langen norwegischen Winters ein wichtiger Beitrag zu ihrem Wohlbefinden. Zum anderen sollte eine Blendung und übermäßige Aufheizung des Raums in den Sommermonaten durch die im Norden tief am Horizont stehende Sonne verhindert werden, um den Bedarf an Klimatisierung zu minimieren.
Gjert Brun, Managing Director bei Orkla Real Estate abschließend: „Das eyrise Flüssigkristallglas ermöglicht die intelligente Steuerung des Lichteinfalls und der Raumtemperatur und trägt zugleich dazu bei, unsere Energiekosten zu senken.“