FRAGE – Man hat den Eindruck, dass Einbruchhemmung an Fenstern und Türen in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Christian Kehrer – In der Tat sind in den letzten Jahren die Fallzahlen an verübten Einbrüchen, die ja regelmäßig von der Kriminalpolizei erfasst, ausgewertet und veröffentlicht werden, rückläufig. Für mich ist dies Erfolg der sehr guten Entwicklung der Sicherungstechnik und Sicherungsmaßnahmen der letzten zehn Jahre. Der Einsatz von geprüften einbruchhemmenden Bauteilen aber auch die mechanische Sicherungstechnik im Rahmen der Nachrüstung zeigen Wirkung. Zusätzlich kamen pandemiebedingt in den letzten beiden Jahren hinzu, dass Homeoffice, Reisebeschränkungen sowie Ausgangssperren offensichtlich auch Einbrecher abgeschreckt haben.
FRAGE – Erst vor Kurzem wurde eine Neufassung von EN 1627ff., der bekanntesten und wichtigsten Normenreihe zum Einbruchschutz, veröffentlicht. Gibt es gravierende Änderungen?
Kehrer – Eine Überarbeitung war dringend erforderlich, da die Vorgängerversion bereits aus dem Jahr 2011 stammte. Die Veränderungen und Neuerungen würde ich eher moderat und überschaubar einordnen. Änderungen liegen vor allem im technischen Bereich, in der Konkretisierung der Prüfung und an der Anpassung der zitierten Normen beispielsweise im umfangreichen Bereich der Tür- und Fensterbeschläge. Am grundsätzlichen Konzept einer Einbruchprüfung mit statischer, dynamischer sowie manueller Prüfung wurde ebenfalls festgehalten.
FRAGE – Wie sieht es mit der Prüfung von elektromechanischen einbruchhemmenden Bauteilen aus? Der Anteil an „elektrifizierten“ Fenstern und Türen nimmt ja stetig zu.
Kehrer – Leider konnte auf europäischer Ebene noch kein Konsens gefunden werden. Aus diesem Grund wurde auch der in der Entwurfsfassung enthaltene und sehr umfangreiche „Annex E“ in der EN 1627 wieder gestrichen. In diesem Zusammenhang muss jedoch klargestellt werden, dass z. B. einbruchhemmende Türen mit mechatronischen Schlössern nach EN 14846 durch die Norm abgedeckt sind. Somit wurde nicht alles verworfen, und einbruchhemmende Bauteile mit Beschlägen nach EN 14846, EN 15684 EN 16867 sind grundsätzlich möglich. Als diese Entwicklung absehbar war, wurde auf DACH-Ebene bereits an einer Lösung gearbeitet. Entstanden ist daraus eine abgestimmte Richtlinie mit der Holzforschung Austria (HFA), der Fachschule Biel sowie dem ift Rosenheim.
FRAGE – Bei Normenrevisionen stellt sich für die Hersteller die Frage der Verwendung bestehender Prüfberichte – Stichwort „use of historical data“. Muss nun alles neu geprüft werden?
Kehrer – Nein, hier kann ich die Hersteller beruhigen. Eine Verwendung historischer Prüfberichte und Daten ist grundsätzlich möglich und technisch ebenso sinnvoll. Hier haben wir von deutscher Seite in der zuständigen Normierungsgruppe WG7 sehr großen Wert gelegt und die deutsche Sichtweise sehr gut vertreten können. Sowohl in EN 1627 wie auch im Nationalen Vorwort sind entsprechende Hinweise zu finden.
FRAGE – Auch das „Nationale Vorwort zu EN 1627“ wurde angepasst. Was ist hier neu?
Kehrer – Das Nationale Vorwort zur EN 1627 soll vor allen den Herstellern, den Planern wie auch den Architekten helfen, die Normenreihe sicherer anzuwenden und zusätzliche Informationen bereitstellen. So wurde beispielsweise die Möglichkeiten der Montage von einbruchhemmenden Bauteilen in Leichtbetonwänden umfangreich erweitert.
Häufige Fragen
zur neuen Einbruchnorm DIN EN 1627
Im November wurde eine Neufassung von EN 1627ff., der bekanntesten und wichtigsten Normenreihe zum Einbruchschutz, veröffentlicht. Das ift Rosenheim hat die wichtigsten Fragestellungen zur neuen Einbruchnorm zusammengestellt. Was hat sich geändert, was ist zu beachten? Hier finden Sie die häufigsten Fragen (FAQs) kompakt zusammengefasst.
Die DIN EN 1627:2021 ist im November 2021 erschienen und kann seitdem angewendet werden.
Nein, die RC-Klassen (resistance class) bleiben bestehen. Hinzu kommt lediglich die Klasse RC 1 zusätzlich zur Klasse RC 1N. Nach DIN EN 1627:2021 ist in Klasse RC 1 eine P2A-Verglasung erforderlich, während in RC 1N keine Anforderungen an das Glas gestellt werden.
Die Montage einbruchhemmender Elemente ist ein wichtiges Thema bei der Ausführung im Objekt. Entsprechend sind Hinweise hierzu weiterhin in einer Montageanleitung anzugeben und im Prüfbericht aufzunehmen.
Geeignete Wände sind im nationalen Anhang der DIN EN 1627 genannt. In der neuen Fassung wurden Vorgaben für hochwärmedämmende Wandbildner neu mit aufgenommen.
Die Bewertung der Prüfungen erfolgen wie gehabt durch Spaltlehren (statische und dynamische Prüfung) und durch Schablonen für die „durchgangsfähige Öffnung“ in der manuellen Prüfung. Diese Schablonen sind künftig als Volumenkörper und nicht mehr als Platten ausgeführt. Die Querschnitte bleiben aber identisch.
Hinzu kommt eine neue Schablone mit einem Querschnitt von 660 mm x 150 mm für die Bewertung von Seitenteilen und Oberlichtern.
In der statischen Prüfung von Rollläden wird zur Bewertung des Hochschiebens von Rollpanzern die neue Spaltlehre C, eine Ellipse mit 250 mm x 150 mm, verwendet (früher Ø50 mm).
Nachweise, die nach DIN V ENV 1627:1999 geführt wurden, werden zukünftig in den ift-Zertifizierungsprogrammen nicht mehr berücksichtigt. Hier sind Neubewertungen erforderlich.
Das ist neu bei den Türen
Die Anforderungen an einsetzbare Beschläge wurden im Wesentlichen nicht verändert. Es sind nach wie vor Nachweise nach DIN 18252, DIN 18257, EN 12209, EN 1303 oder EN 1906 erforderlich. Die Ausgabestände und Klassen dieser Normen wurden aktualisiert.
Zusätzlich wird der Einsatz von elektromechanischen Beschlägen nach EN 14846, EN 15684 EN 16867 nun ermöglicht.
Die in DIN EN 1627:2011 enthaltene Tabelle B1 zur Bewertung von Beschlägen ohne Nachweis ist in der neuen Normfassung entfallen. Stattdessen werden Beschläge ohne Nachweis nun durch Angriffe im Rahmen einer manuellen Prüfung beurteilt. Da diese je nach Produkt individuell sehr umfangreich sein können, sind die erforderlichen Probekörper vor der Prüfung detailliert abzustimmen.
Neben der Eignung der Einzelkomponenten (z.B. Nachweis für ein elektromechanisches Schloss) ist auch das Zugangskontrollsystem und die Übertragung des Signals (z.B. über eine Verkabelung) in die Sicherheitsbetrachtung einzubeziehen. In der aktuellen Fassung dieser Norm werden jedoch keine Angaben dazu gemacht. Im Vorgriff auf kommende Normen wird aber darauf verwiesen, ein verschlüsseltes Signal zu verwenden bzw. den Zugriff auf eine Verkabelung bei einem manuellen Angriff zu verhindern.
Bis zum Erscheinen einer entsprechenden Norm für diesen Bereich, wird die Richtlinie „Bauelemente mit mechatronischen Bauteilen“ zur Bewertung solcher Systeme herangezogen.
Was speziell Fenster betrifft
Für abschließbare Fenstergriffe gilt die Voraussetzung, dass sie einer Belastung durch Abdrehen/Abreißen nach EN 13126-3 standhalten müssen. Nach der neuen Normfassung können jetzt auch Fenstergriffe mit „Push-to-open“-Funktion bzw. nicht abschließbare Fenstergriffe verwendet werden, wobei hier zusätzliche Anforderungen und Prüfungen erforderlich sind. Dies gilt ggf. auch für Hebeschiebetüren.
Eine Verschiebeprüfung, die bisher grundsätzlich für Fensterbeschläge erforderlich war, ist jetzt nur noch in RC1 nötig, wenn ein System ohne abschließbaren Griff verwendet wird.
Was speziell Tore betrifft
Nein, da Tore bereits seit 2011 nicht mehr im Anwendungsbereich der EN 1627 enthalten sind. In der Zwischenzeit wurde hierfür eine eigene Norm (DIN/TS 18194) erarbeitet. Nach der Veröffentlichung der neuen EN 1627 muss auch die DIN/TS 18194 an einigen Stellen angepasst werden.