Glaswelt – Eine Frage vorab zur Pandemie-Situation: Es klingt irgendwie paradox: Fenster herstellen und Homeoffice, oder?
Heiko Steffens – Tatsächlich gibt es Bereiche, die von Fensterbaubetrieben nicht zentral in der Fabrikhalle oder im Büro bearbeitet werden müssen. Also ein gewisser Teil der Organisation konnte und kann auch ins Homeoffice gehen. Auch der B2B-Vertrieb kann häufig mit digitaler bzw. virtueller Unterstützung stattfinden. Wir befinden uns in einer traditionellen Branche, aber die Pandemie hat auch für ein schnelles Umdenken in Sachen Digitalisierung gesorgt. Viele Betriebe haben jetzt ihre digitalen Baustellen aufgedeckt.
Glaswelt – Eine Branche ohne Messe – wie treffen Sie auf neue Kunden?
Steffens – Auf einer Messe können wir sehr schnell und unkompliziert Neukontakte knüpfen. Der Messebesucher „schlendert“ am Stand vorbei und informiert sich über das, was neu ist bei uns. Solche Kontaktpunkte zu den Kunden sind uns jetzt abhandengekommen – andererseits gibt es auch Alternativen. So haben wir unsere eigene digitale Hausmesse im letzten Jahr durchgeführt, zu der wir viele Fensterbauer eingeladen haben. Gewiss waren dort überwiegend Bestandskunden, Neukunden gewinnen wir aktuell und schon länger eher durch ein intensives Netzwerken in unserer Branche, durch Weiterempfehlungen und durch die Tatsache, dass sich mittlerweile der Name 3E am Markt einfach etabliert hat.
Moritz Ebert – Der Wegfall an Präsenzterminen hat auch etwas Gutes: Wir können jetzt mit minimalen Reibungsverlusten mit unseren Kunden online Kontakt aufnehmen – auch die Bereitschaft dafür ist deutlich gewachsen. Wir sparen nicht nur Reisekosten – sondern vor allem sehr viel Reisezeit. Ich glaube, dass in Zukunft nach einer Pandemie zwar wieder gereist werden wird, aber alle Beteiligten setzen sich auch gerne zu einem Video-Call zusammen, wie wir es gerade hier machen.
Glaswelt – Sie haben immer ein Ohr am Markt – wie erleben Sie den Markt aktuell? Wie sind die Aussichten für die Marktbeteiligten?
Steffens – Ich habe noch mit keinem gesprochen, der die augenblickliche Konjunktur beklagt. Einige führen das auch auf die zeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung bis Ende 2020 zurück. Für das nächste halbe Jahr macht sich aber keiner große Sorgen. Viele sind allerdings etwas skeptischer, was die mittelfristigen bis langfristigen Zukunftsaussichten angeht. Ein nachgelagerter Konjunktureinbruch nach der Pandemie wird oftmals diskutiert – mit den negativen Auswirkungen auf die Bauwirtschaft.
Glaswelt – Herr Ebert, Sie sind 23 Jahre jung und schon jetzt mehr als ein Jahr lang Mitglied der Geschäftsleitung bei 3E. Wie ist der Status quo bei 3E, wie haben Sie sich die Geschäftsführung mit Ihrem Vater aufgeteilt?
Ebert – Es ist für mich überraschend, wie gut mein Vater und ich als Team funktionieren. Wir hatten keinen konkreten Plan, welche Bereiche von wem verantwortet werden. Vielmehr sind wir dabei, mir im laufenden Geschäft die Verantwortung graduell zu übertragen, damit mein Vater sich Stück für Stück aus dem operativen Geschäft zurückziehen kann. Seine Erfahrung und Branchenkenntnis und meine teilweise disruptiven Ideen sind wohl eine ganz gute Mischung. Mein Vater und ich haben viel Vertrauen zueinander und wir ergänzen uns sehr gut. Aktuell ist der Stand so, dass ich das Thema Entwicklung, Marketing und den neuen Geschäftsbereich ELO Digital Office besetze. Auch für unsere neue Tochtergesellschaft in Frankreich bin ich als Geschäftsführer tätig.
Steffens – Der Generationswechsel bei 3E passt zur Branche: Auch hier ziehen sich aktuell viele Gründer zurück aus den operativen Geschäften und übergeben an ihre Nachfolger. Der Wandel findet statt und macht es auch für uns als Softwarehaus einfacher, neue Themen zu platzieren.
Glaswelt – Beschreiben Sie doch bitte kurz die Alleinstellungsmerkmale von 3E. Wofür steht die Softwareschmiede aus Oberkochen?
Ebert – Unser USP ist die Durchgängigkeit. Wir legen Wert darauf, nicht nur einen Prozess im Fenster produzierenden Unternehmen zu realisieren. Unser Anspruch ist es, ein gesamtes Ökosystem zur Verfügung zu stellen, das es unseren Kunden ermöglicht, die Digitalisierung in seinem Unternehmen umzusetzen. Daten sollen an allen Stellen nutzbar gemacht werden, Datenbrüche vermieden werden. Ziel ist es, dass so viele Prozesse wie möglich miteinander kommunizieren.
Steffens – Wir sind offen für neue Ideen. Das holt uns zwar auch manchmal etwas ein, aber in der IT-Branche muss man neue Wege gehen, von denen der Ausgang nicht präzise bekannt ist. Nur so kommt man voran.
Glaswelt – Sie haben eben den Geschäftsbereich ELO Digital Office erwähnt, was steckt dahinter?
Ebert – Mit dieser Anwendung sorgen wir dafür, dass die Büros in unserer Region papierlos werden – branchenübergreifend, aber auch speziell für unsere Fensterbaukunden. Workflows, die früher dokumentenbasiert funktioniert haben, wandeln wir zu einem papierlosen Prozess um. Wichtig ist aber generell: Ein schlechter Prozess, der früher nur mit Papier funktioniert hat, wird nicht automatisch besser, wenn er digitalisiert wird. Man muss die Softwarelösung auf die individuellen Anforderungen beim Kunden adaptieren.
Glaswelt – Was sind die Sorgen der Fensterbauer in Sachen Digitalisierung, was benötigen diese am dringendsten?
Steffens – Tatsächlich klagen viele Unternehmen über fehlendes Personal im IT-Bereich. Dieses Manko sorgt auch gleichzeitig dafür, dass vorhandene nicht-digitalisierte Prozesse nicht überprüft werden. Zu wenige haben den Mut, die Finger auf die digitalen Wunden zu legen.
Glaswelt – Wie häufig kommt es vor, dass sich ein Fensterbauer dazu überwindet, die Branchensoftware zu wechseln? Was sind dann die Gründe?
Steffens – Es kommt tatsächlich häufiger vor als man denkt, denn es gibt noch viele Fensterbauer, die veraltete Software im Einsatz haben und jetzt wechseln möchten. Dazu kommt: Wenn Fensterbauer eine gewisse Größe erreicht haben, wollen diese auch weitere Prozesse wie beispielsweise die Materialwirtschaft integrieren. Dadurch erhalten wir einen Türöffner ins Unternehmen und können meist mit unseren USPs punkten.
Glaswelt – Nach wie vor ist der Aluminiumbereich kein Thema für 3E?
Ebert – In Frankreich haben wir einige Kunden, die 3E-Look für Aluminium durchgängig einsetzen, technisch ist das also durchaus möglich. In DACH haben allerdings heute die meisten Alufensterproduzenten Logikal in Verwendung. Und da wollen wir auf jeden Fall unsere ERP-Kompetenz ausleben und die integrierte Verbindung mit Logikal so weiterentwickeln, dass 3E-Look das führende System ist und typische ERP-Prozesse wie Produktionsplanung, Materialwirtschaft oder Logistik eben mit 3E ausgeführt werden. Es besteht eine enge Kooperation mit Orgadata und der Logikal-Anwendung. Wir erweitern diese Schnittstelle, sodass jetzt die Positionen, die in Logikal konstruiert werden auch in Stücklisten integriert werden, die in unserer Materialwirtschaft wieder auftauchen. Der durchgängige Prozess ist einfach wichtig.
Glaswelt – Können Sie abschätzen, wie viel Fenster über 3E in Deutschland gefertigt werden?
Steffens – Aktuell können wir diese Zahl nur eingrenzen. Wir wissen, dass unsere Kunden erfolgreich am Markt platziert sind, unsere Kunden sind weniger von Insolvenzen, Übernahmen oder Betriebsaufgaben betroffen, sondern sind oft diejenigen am Markt, die immer größer und profitabler werden. Unser Ziel ist es, dass langfristig die meisten Fenster über 3E-Look produziert werden.
Glaswelt – Wie wird sich der Fenstermarkt weiterentwickeln, was hat 3E noch im Köcher?
Ebert – Wir arbeiten daran, die Möglichmacher zu sein. Wir werden moderne Technologien und moderne Prozesse verbinden. Wichtig ist darüber hinaus, dass moderne Technologien auch praxisorientiert und ganz einfach zu bedienen sind. Für uns wie für die Fensterbauer gilt: Man kommt nur weiter, wenn man mit anderen kooperiert. Die Vernetzung wird weiter zunehmen. In fünf Jahren werden die Unternehmen vorne stehen, die diese Vernetzung gepflegt haben. Die, die alles alleine machen, werden es sehr schwer haben. Wir merken beispielsweise, dass auch die Zulieferer der Branche die Kooperation mit uns suchen.
Wir arbeiten an der Cloud-Technologie und fragen uns, wie man eine Fensterproduktion noch intelligenter gestalten kann. 3E-Look bietet eine Fülle von Daten, die wir noch weitreichender nutzen könnten. Nicht zuletzt wollen wir an der Usability weiter arbeiten: Unsere Anwendungen sollen leichter zu bedienen sein und am Ende auch Spaß machen.
Steffens – Bei der Fensterbausoftware geht es immer auch um das Stammdaten-Management. Es gilt, den Kunden von der Bereitstellung und Pflege dieser Daten zu entlasten. Gerade in diesem Punkt ist das Lieferantennetzwerk so wichtig – wir stellen die Ressource, die Plattform dafür bereit: Mit dem Update-Tool erhalten die Fensterbau-Lieferanten die Möglichkeit, ihre Stammdaten selbstständig pflegen können. Der Fensterbauer kann sich auf sein operatives Geschäft konzentrieren.
Ebert – Auch beim Thema BIM bringen wir uns in den relevanten Gremien mit ein, damit wir dazu unseren Kunden praxisorientierte Lösungen in Aussicht stellen können. Das wird in den nächsten Jahren sicher noch deutlich wichtiger.
Glaswelt – Woher wissen Sie, was für Fensterbauer wichtig wird?
Steffens –Wir haben uns durch unsere Kunden weiterentwickelt, die meisten Ideen und Lösungsansätze kommen von unseren Anwendern. Fensterbauer wissen ganz genau, wo der Bedarf ist und wir sind offen für diese Problemstellungen. Deshalb können wir mit Fug und Recht darauf hinweisen, dass wir praxistaugliche Lösungen bieten.
Glaswelt – Sind Sie nicht auch auf innovativen Fensterbauer angewiesen, die Lösungen einfordern?
Steffens – Dieser Prozess ist sehr wichtig. Sie fordern uns, aber nur so können wir uns weiterentwickeln. Auch wir wachsen am besten, wenn wir aus unserer Komfortzone herauskommen.
Ebert – Digitalisierung muss auch Freude machen. Unser Ziel ist es immer, dass am Ende einer Prozessoptimierung der User begeistert ist und erkennt, welchen Nutzen er gewonnen hat.
Glaswelt – Systemhäuser, also Zulieferer, bieten digitale Werkzeuge für Prozesse im Fensterbau an – wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Ebert – Unser Vorteil ist die Unabhängigkeit. Wenn ein Zulieferer ebenfalls Softwarebieter ist, besteht einerseits das Problem, dass diese Software dann ausschließlich beim Kunden dieses Zulieferers zum Einsatz kommt. Andererseits will man vielleicht auch nicht immer seine eigenen Produktionsdaten dem Zulieferer zugänglich machen.
Glaswelt – 3E-Look knüpft auch Bündnisse zwischen Hersteller, Händler und Montagebetrieb?
Steffens – Es gibt die Händlerinstallationen, die wir unseren Herstellern zur Verfügung stellen, damit diese ihre Kunden enger an sich binden können. Wir haben aber genauso auch Lösungen für Händler, die vom Hersteller unabhängig sein wollen. Wir arbeiten an Unterstützungen für den Montagebetrieb über Augmented Reality Lösungen, können dazu aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht konkreter werden.
Glaswelt – Meine Herren, besten Dank für die Auskünfte!
Das Gespräch führte Chefredakteur Daniel Mund.