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Im Interview mit Walter Lonsinger

„Der russische Angriffskrieg wird die Situation verschärfen“

GLASWEL – Herr Lonsinger, der AIUIF e.V. hat das Ziel, Aluminiumschrotte wiederzuverwerten, damit daraus neue Fenster, Türen und Fassaden entstehen können. Liegt AIUIF damit im Trend?

Walter Lonsinger –Ja, das kann man so sehen. Wir verfolgen allerdings das Ziel schon seit mehr als 30 Jahren, Aluminiumschrotte aus Bauanwendungen zu recyceln. Sowohl unsere Mitgliederzahlen als auch die gesammelten Altmetallmengen haben sich sehr positiv entwickelt. Trotz der negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Mitglieder auf mehr als 225 Betriebe. Metallbauer erkennen, dass eine seriöse Bilanzierung von Schrotten und Abfällen in der Produktion, bei Abbruch und Sanierung sowie beim Neubau ein wichtiger Wettbewerbsvorteil bei Ausschreibungen und Aufträgen ist. Ein zweiter Aspekt sind der Materialwert und die besonderen Recycling-Eigenschaften des Leichtmetalls. Die Schrotte können ohne Qualitätsverlust wieder aufbereitet werden. Der Energieaufwand dafür ist gering. So entstehen neue Produkte mit einem entsprechend niedrigeren CO2-Fußabdruck. Das passt tatsächlich genau zu den Themen unserer Zeit.

Die über den AIUIF bilanzierte Menge an Aluminiumschrotten aus dem Baubereich wuchs um rund 30 000 t. Unsere Jahres-Gesamtmenge stieg damit 2021 auf etwas mehr als 75 000 t. Damit erreichen wir einen Marktanteil von mehr als 50 %.

GLASWELT – Aktuell explodieren die Preise für Aluminium. Gilt das auch für recyceltes Material?

LonsingerWir unterscheiden zwischen Primär- und Sekundärmetall. Beides ist weltweit begehrt. Der russische Angriffskrieg wird die Situation verschärfen. Europa wird kein Primäraluminium aus Russland mehr importieren. Entsprechend wird das Recycling an Bedeutung gewinnen. Aber dieser Trend war auch in der Vergangenheit bereits erkennbar. In Deutschland hat die Produktion von Sekundäraluminium in den ersten sechs Monaten 2021 um etwa 20 % auf über 300 000 t zugenommen. Die Herstellung von Primäraluminium ist dagegen um drei Prozent auf knapp 260 000 t zurückgegangen.

GLASWELT – Was ist ihr Ziel für den AIUIF?

LonsingerUnser Ziel ist es, die Klimaverträglichkeit der Bauprodukte zu verbessern und die Energie-Effizienz in diesem Segment zu steigern. Wir achten deshalb darauf, dass die Bauschrotte in geschlossenen Wertstoffkreisläufen geführt werden. Damit vermeiden wir Qualitätsverluste und schöpfen die Einsparpotenziale bei Energie und Emissionen optimal aus. Leichtmetall-Legierungen, die für Fenster, Türen und Fassaden verwendet werden, sind sehr hochwertig. Das ist ein Grund, weshalb wir uns auf diesen überschaubaren Markt konzentriert haben.

GLASWELT – Eine Kreislaufwirtschaft und effiziente Rohstoffverwendung leistet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz sowie zur Rohstoffversorgungssicherheit. Der 2021 vorgelegte europäische „Green Deal“ hatte große Erwartungen geweckt. Wie stehen Sie dazu?

LonsingerDer Green Deal soll durch das Maßnahmenpaket „Fit für 55“ in konkrete Rechtsakte der EU umgesetzt werden. Schwerpunkte sind der Handel mit Emissionszertifikaten, der weitere Ausbau erneuerbarer Energie und Maßnahmen im Verkehrsbereich. Gebäudeeffizienz und Kreislaufwirtschaft stehen leider – und für uns nicht ganz verständlich – nicht mehr so sehr im Zentrum der Umsetzung des Green Deal.

GLASWELT – Was bedeutet das?

LonsingerWir werden unsere Anstrengungen zum Ausbau der Kreislaufnutzung von Aluminium im Baubereich weiterhin eigenständig fortführen und verstärken. Ich befürchte, die Automobilindustrie wird den Bedarf an Aluminium-Knetlegierungen für Profile und andere Bauteile im Zuge des Ausbaus der Elektromobilität und des Leichtbaus deutlich ausweiten und ihre sektorale Marktmacht zu Lasten des Baubereichs einsetzen. Ich appelliere an Bauherren, Planer und Architekten, sich mit uns für den Ausbau geschlossener Kreislaufsysteme zu engagieren.

GLASWELT – Sehen Sie die Mitgliedschaft bei AIUIF auch als eine Art „Qualitätsmerkmal“ für Metallbau-Unternehmen?

LonsingerDurchaus! Nachhaltigkeit und Öffentlichkeitsarbeit sind auch für Metallbau-Unternehmen wichtige Instrumente, mit denen sich Betriebe von ihren Wettbewerbern unterscheiden. Ich weiß, dass sich viele Handwerksbetriebe umfangreich für Natur- und Klimaschutz engagieren. Fenster und Fassaden sind wesentliche Faktoren bei der Energieeinsparung und -Gewinnung. Das Engagement für den Wertstoffkreislauf bei Aluminium ist nur ein kleiner Schritt, um die Erwartungen von Markt und Kunden sichtbar zu machen.

GLASWELT – Herr Lonsinger, vielen Dank für das Gespräch.

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