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Im Interview mit Dr. Constantin Greiner

„Es ist wieder der ‚Zehnkämpfer‘ gefragt“

Glaswelt – Heutzutage kann sich fast kein Hersteller im Bauelementebereich über die Auftragssituation beklagen. Gilt das in naher Zukunft auch noch, oder anders gefragt: Welche Themen muss der Anbieter und Hersteller der Zukunft im Griff haben?

Dr. Constantin Greiner – Wir sehen zwei Trends: Erstens, wir rechnen im Neubau mit einer deutlichen Abkühlung der Bautätigkeit. Dies betrifft insbesondere den Wohnbau und wird bereits kurzfristig zu spüren sein, also bereits in ­QIII / QIV 2022.

Zweitens, der Bereich der energetischen Gebäudesanierung (Renovierung) wird an Volumen gewinnen. Für die Fensterindustrie bedeutet das: Unternehmen, die stark im Projektbau bzw. Neubau aktiv sind, werden den Marktrückgang zeitversetzt spüren, also Ende 2023. Unternehmen die traditionell im Renovierungsgeschäft zu Hause sind, werden tendenziell noch mehr zu tun bekommen.

GLASWELT – Sie haben kürzlich in einem Vortragsfazit gemeint, dass sich der Fenstermarkt zum Leistungsmarkt entwickele. Was sind die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis?

Dr. Greiner – Viele Hersteller und vor allem Händler (inkl. Montagebetriebe) standen de facto
kaum mehr im Wettbewerb. Im Markt gewann derjenige, der lieferfähig war, der Preis hingegen war nebensächlich. In Zukunft werden die Konsumenten – auch getrieben durch die aktuelle allgemeine Teuerung der Lebenshaltungskosten – nicht mehr bereit sein, alle Mehrkosten zu tragen. Und speziell im geplanten Renovierungsgeschäft sind die Zeitkomponenten nicht so kritisch wie im Neubau. Hier können die Kunden etwas flexibler agieren und das für sie beste Angebot selektieren.

Zusammengefasst: Konsumenten werden wieder mehr auf die (Preis-)Leistung achten – für Hersteller wird es daher wichtiger die eigene Leistung zu prüfen und wertig zu vermitteln.

GLASWELT – Können Sie uns und unseren Lesern noch weitere Prognosen zur Preisentwicklung geben?

Dr. Greiner – In unserer aktuellen Marktprognose gehen wir davon aus, dass die hohen Preissteigerungen ein Ende gefunden haben. Dennoch werden sich die Preise (für Rohstoffe wie für Fenster) auf dem „neuen“ Niveau einpendeln. Die Konsumenten werden zukünftig wohl oder übel einen höheren Preis bezahlen müssen.

GLASWELT – Stirbt die handwerkliche Fensterproduktion aus?

Dr. Greiner – Bereits heute produzieren 1 Prozent der deutschen Fensterhersteller (ca. 60 Unternehmen) knapp die Hälfte des deutschen Fenstervolumens. Hinzu kommen die Importe mit rd. 25 Prozent. In Summe bedeutet das, dass bereits heute auf die zahlreichen kleinen Handwerksbetriebe nur noch etwas mehr als ein Viertel der Produktion entfällt. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Betriebe schnell „sterben“, meist sind sie in der Region sehr gut verankert. Jedoch bezweifle ich, dass das kumulierte Fensterproduktionsvolumen dieser Unternehmen wachsen wird. Ich denke diese Unternehmen werden mehr und mehr mit der Montage verdienen. Dieser Trend war ja schon in der Vergangenheit gut zu beobachten.

GLASWELT – Was sind elementar wichtige Handlungsfelder für die Fensterbaubranche?

Dr. Greiner – Es wird um die relative Wettbewerbsfähigkeit gehen. Unternehmen müssen im Wettbewerb mit ausländischen, wie auch nationalen Unternehmen bestehen. Dabei reicht es nicht, dass der Handlungsfokus nur auf ein spezifisches Merkmal ausgerichtet ist (z. B. die Optimierung der Customer Journey, die Verbesserung der internen Produktion oder die Digitalisierung einzelner Prozessschritte). Unternehmen müssen in allen ihren Bereichen hohe Leistung abliefern – es ist wieder der „Zehnkämpfer“ gefragt.

GLASWELT – Die Systemhäuser machen es vor: Es wird intensiv darüber berichtet, was man in Sachen Nachhaltigkeit aktuell unternimmt und was man noch vorhat. Werden die Nachhaltigkeit und beispielsweise auch die Bemühungen um eine saubere Kreislaufwirtschaft in Zukunft auch ein entscheidendes Kaufkriterium für Fenster, Türen und mehr werden?

Dr. Greiner – Nachhaltigkeit wird und sollte dringend an Bedeutung gewinnen. Aktuell stellt sich die Sachlage anders dar: Die Zahlungsbereitschaft bei Investoren ist für nachhaltige Produkte nur schwach ausgeprägt. Sprich: Heute werden nachhaltige Produkte nur dann verbaut, wenn sie gegenüber dem „nicht nachhaltigen Produkt“ keinen Kostennachteil aufweisen. Traurig aber wahr.

Was die Rechnung der Systemhäuser betrifft tue ich mir manchmal etwas schwer: Bei einer Renovierungsquote von rd. 60 Prozent und vor dem Hintergrund, dass neue Systeme stärker sind als 30 Jahre alte Systeme, ist es rechnerisch schwierig, eine Recyclingquote von >50 % zu beanspruchen. So viel Rezyklat gibt der Markt einfach nicht her. Hier sollten Unternehmen aufpassen, dass kein „alibimäßiges“ Greenwashing stattfindet. Dies kann schnell nach hinten losgehen.

GLASWELT – Herzlichen Dank für Ihre Ausblicke!

Die Fragen kamen von Chefredakteur Daniel Mund.

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