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“Es gibt noch etwas anderes als den U-Wert“

Glaswelt – Herr Tschorn, wie beurteilen Sie das vergangene Branchenevent in Nürnberg? Was waren für Sie die Highlights?

Ulrich Tschorn – Die Messe war ein toller Erfolg für die ganze Branche – die Aussteller berichteten unisono über hervorragende Kontakte. Für mich selbst war ein Highlight, dass man das Thema Automation an vielen Ständen gesehen hat und dass sich die Marktteilnehmer bewusst werden, dass es noch etwas anderes als U-Werte gibt.

Glaswelt – In welcher wirtschaftlichen Verfassung befindet sich die deutsche Fensterindustrie aktuell und welche Perspektiven ergeben sich kurz- und mittelfristig?

Tschorn – Die wirtschaftliche Situation in der Industrie ist aktuell nicht schlecht. Ein gesundes Wachstum in den letzten drei Jahren von durchschnittlich drei Prozent und auch eine ähnliche Prognose für das laufende Jahr signalisiert das gesunde Marktumfeld. Und die Perspektiven sind unter der Voraussetzung, dass keine wirtschafts- und finanzpolitischen Katastrophen auf uns zukommen, weiterhin gut. Auch die politischen Weichenstellungen sprechen für die Verstetigung des Wachstums: Beispielsweise gibt es eine Zusage für die Festschreibung der KfW-Förderungen für energiesparendes Bauen und Sanieren.

Glaswelt – Sie haben in Nürnberg die aktuelle Branchenstrukturanalyse vorgestellt. Ein Ergebnis: Weitere 500 Fensterbaubetriebe sind vom Markt verschwunden. Welche Unternehmensgruppe ist besonders betroffen? Und welche Unternehmen konnten hinzugewinnen?

Tschorn – Die Analyse ist ganz frisch und die Auswertung der Daten – welche Verschiebungen es gibt, wer profitiert und wer nicht – da sind wir noch dran. De facto gibt es die meisten Ausfälle bei den Betrieben, die die geringsten Umsätze generiert haben. Der Konzentrationsprozess setzt sich also fort. Betriebe, die stark investiert haben in neue Fertigungsanlagen konnten auch mehr Handelsvolumen generieren. Das heißt: Insgesamt ist der Anteil der Fenster, die im B-to-B-Bereich gehandelt wurden, gestiegen. Kleinere Betriebe verwandeln sich mehr und mehr zu Handelsunternehmen und kaufen neue Qualitätsfenster verstärkt zu.

Glaswelt – Welche Materialien werden vom Endkunden besonders favorisiert und welche eher links liegen gelassen?

Tschorn – Seit einigen Jahren sind die Material­verteilungen ziemlich konstant. Eine Verschiebung der Vorlieben der Endkunden kann ich nicht feststellen. Schwankungen gibt es nur dann, wenn sich die Nachfrage in bestimmten Segmenten – z. B. Wohnbau, Nichtwohnbau, Mehrfamilienhäuser oder Sanierungen in Einfamilienhäusern – verändert. Wenn z. B. der Nichtwohnbau schwächelt, dann haben wir auch Nachfragerückgänge im Metallfensterbereich. Wir haben auch eine Verschiebung von Holz zu Holz-Metall. Das hatte aber auch etwas mit dem Konjunkturpaket II zu tun, denn in einem nicht unerheblichen Anteil wurden mit dieser wirtschaftspolitischen Unterstützung Schulen und Kindergärten mit vorzugsweise Holz-Alu-Fenstern ausgestattet. Ob dieser Trend anhält, müssen wir noch abwarten.

Glaswelt – Offensichtlich produzieren die Betriebe deutlich effizienter als vor fünf Jahren, wenn man den Umsatzanstieg von über 12 % ins Verhältnis setzt zu dem deutlich geringer ausgefallenem Beschäftigungszuwachs von 1,5 %?

Tschorn – Die Effizienzsteigerung ist offensichtlich und gilt für alle Rahmenmaterialien: Das liegt natürlich daran, dass einige Betriebe in den letzten Jahren kräftig in neue Fertigungsstraßen und Bearbeitungszentren investiert haben. Diese neuen Anlagen sorgen dafür, dass Personal eingespart werden kann – und das bis zu 50 Prozent. Die logische Konsequenz: Entweder wird die Anzahl der Mitarbeiter im Mittel geringer oder die Kapazität der Unternehmen steigt, ohne das zusätzlich Personal eingestellt wurde.

Glaswelt – Vor allem kleinere Unternehmen hätten die Preise unter Berücksichtigung der um durchschnittlich 10% gestiegenen Herstellkosten nicht genügend angepasst, heißt es. Warum?

Tschorn – Die Analyse hat gezeigt: Die Preissteigerungen bei den Einkaufspreisen sind für die kleineren Betriebe deutlich größer ausgefallen als für die größeren Einheiten. Diejenigen, die viel bestellen, können entsprechend bessere Konditionen aushandeln. Aber – und das hat mich auch überrascht: Die Verkaufspreise sind bei den kleineren Betriebe nicht überproportional gestiegen, was dazu führt, dass die Marge am Produkt für diese Betriebe logischerweise kleiner ausgefallen ist.

Glaswelt – Wie steht es um den Verband und die Anzahl ihrer Mitglieder?

Tschorn – 60 Prozent der in Deutschland gebauten Fenster vertreten wir durch den Verband. Aktuell haben wir 210 herstellende Fenster- und Fassadenbauer als Mitglieder. Wir wollen nicht mit Handwerksstrukturen in Wettbewerb treten – wir suchen die Spezialisten, die ausschließlich Fenster, Fassaden und Türen herstellen. Zusätzlich haben wir mehr als 105 Zulieferbetriebe im Verband organisiert. ­—

Die Fragen stellte Daniel Mund, stv. Chef­redakteur der GLASWELT.

Die VFF-Strukturanalyse

Diese Analyse wurde vom VFF in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dirk Hass vom Künzelsauer Institut für Marketing erarbeitet. Die GLASWELT wird die ­genauen Ergebnisse im nächsten Heft veröffentlichen. Die Studie ist zu erwerben unter:

https://window.de/

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