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Normen und Richtlinien sind notwendige Faktoren im BAUWESEN

Alles nur halb so schlimm, wie es aussieht

_ Um eine wichtige Frage direkt zu Beginn des Artikels zu klären: Normen sollten eigentlich einen positiven Einfluss auf den Baufortschritt haben, müssen es aber nicht. Ein gutes oder schlechtes Beispiel ist je nach Sichtweise der Berliner Flughafen BER, bei dem schon während der Planung zu erkennen war, dass zum Abnahmezeitpunkt Neufassungen von Normen im Raum hätten stehen können.

Da war doch noch was mit Regeln?

Wo wir dann auch gleich wieder bei der so wichtigen und letztlich entscheidenden Definition der allgemein anerkannten Regeln der Technik wären, die in der Regel immer darüber entscheiden, was zum Abnahmetermin vom Auftragnehmer geschuldet wird, bzw. ob überhaupt eine Abnahme der Leistung erfolgt.

Auf der anderen Seite bietet die Einhaltung einer harmonisierten Europäischen Norm Herstellern und damit auch Auftragnehmern, die deren Produkte beziehen, zuerst einmal den großen Vorteil, dass in diesem Fall mehr oder weniger automatisch davon ausgegangen wird, dass die grundlegenden Anforderungen der entsprechenden Richtlinie erfüllt sind, auf die sich die jeweilige Norm bezieht. Grundsätzlich müssen folgende Bedingungen erfüllt sein, damit die Konformitätsvermutung zum Tragen kommen kann:

  • Es gibt eine harmonisierte Europäische Norm.
  • Die Norm wurde in mindestens einem EU-Mitgliedstaat umgesetzt.
  • Die Norm wurde im Amtsblatt der EG öffentlich bekannt gemacht.

Natürlich kann das aber auch kein Freibrief sein, einfach drauflos zu arbeiten, zu liefern und montieren, frei nach dem Motto, CE-Zeichen drauf und gut ist es. Der Auftragnehmer als Fachunternehmer hat hier schon eine gewisse Pflicht regelmäßig zu überprüfen, ob die Anforderungen des Auftraggebers und die allgemein anerkannten Regeln der Technik bezüglich Produkt und Montage eingehalten werden.

Werden keine harmonisierten Normen angewendet, kann die Konformität des Produktes mit den Anforderungen ggf. auch auf andere Weise nachgewiesen werden. Dieser flexible Ansatz soll es den Herstellern erlauben, selbst bestimmen zu können, wie sie die Anforderungen erfüllen wollen. Natürlich muss hier geprüft werden, welche Anforderungen in Leistungsverzeichnissen etc. gemacht werden. Werden hier explizite Normen vorgeschrieben, müssen diese auch eingehalten werden.

Beachtet werden sollte in diesem Zusammenhang, dass Normen nur die grundlegenden Anforderungen an betroffene Produkte, wie z. B. die zu erzielenden Ergebnisse oder die abzuwendenden Gefahren definieren, ohne jedoch die technischen Lösungen dafur festzulegen. Verantwortlich für die Erarbeitung oder Feststellung harmonisierter Normen sind die Europäischen Normungsorganisationen. Auch die Überarbeitung einer Norm (Anpassung an den Stand der Technik) wird von den Normungsorganisationen entschieden. Auch hier gilt die Vermutung, dass die grundlegenden Anforderungen der entsprechenden EU-Richtlinie erfüllt sind. Das gilt auch entsprechend für die überarbeitete Version einer harmonisierten Norm.

Werden durch eine harmonisierte Norm die grundlegenden Anforderungen einer EU-Richtlinie nicht vollständig erfüllt, erfolgt in der Regel ein Anfechtungsverfahren. Werden dabei Fehler in der Norm festgestellt, wird in der Regel die Konformitätsvermutung von der Kommission zurückgenommen.

EU-Richtlinie und Richtlinien

Man muss zwei Dinge zwingend unterscheiden: Zum einen die EU-Richtlinie und zum anderen Richtlinien von Fachverbänden wie ITRS, VFF oder BVRS usw.

Die EU-Richtlinie gehört zu den Rechtsinstrumenten, über die die europäischen Institutionen zur Umsetzung der Politiken der Europäischen Union (EU) verfügen. Sie ist ein flexibles Instrument und wird überwiegend zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften eingesetzt. Sie führt eine Ergebnisverpflichtung ein, überlässt aber den EU-Ländern die Wahl der Mittel, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Die Richtlinie ist Teil des Sekundärrechts der EU. Sobald sie auf europäischer Ebene angenommen wurde, wird sie von den EU-Ländern in innerstaatliches Recht umgesetzt.

Damit eine EU-Richtlinie, wie z. B. die Anwendung einer harmonisierten Norm, Gültigkeit auf nationaler Ebene erhält, müssen die EU-Länder innerstaatliche Maßnahmen verabschieden, um die von der Richtlinie vorgeschriebenen Ziele zu verwirklichen. Die EU-Länder sind dann gehalten, der Europäischen Kommission diese Maßnahmen mitzuteilen.

Ganz anders verhält es sich mit den sogenannten Verbandsrichtlinien. Sie werden meist von Arbeitsgruppen innerhalb der Verbände erarbeitet und stellen ein sehr wichtiges Instrument dar, um Eigenschaften von Produkten oder Montagen fachgerecht beurteilen zu können. Diese Richtlinien zeigen in der Regel auch die allgemein anerkannten Regeln der Technik in der jeweiligen Branche auf und halten deshalb auch meist über die Gutachter Einzug in Privat- oder Gerichtsgutachten und damit auch in Gerichtsprozesse.

Der Vorteil von Verbandsrichtlinien

Gültige Normen werden während ihrer langen Laufzeiten von 5 bis 10 Jahren meist regelmäßig in vielen Punkten von den allgemein anerkannten Regeln der Technik überholt. Die Überarbeitung ist aufwendig, langwierig und unterliegt vorgegebenen Fristen.

Verbandsrichtlinien können im Gegensatz dazu schnell und in einfachen Verfahren überarbeitet werden und bieten damit in vielen Fällen das bessere und verständlichere Medium, um notwendiges Wissen in die Branche zu transformieren. Natürlich immer unter der Prämisse, dass die mandatierten Eigenschaften der entsprechenden Normen eingehalten werden.

So gesehen ist es aus Gutachtersicht nicht immer ganz verständlich, warum z. B. nationale Ergänzungsnormen wie die DIN 18055 oder DIN 18073 erarbeitet werden. Fachlich einwandfreie Verbandsrichtlinien wären hier sicher sinnvoller.—

Olaf Vögele

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