Langlebige Fassaden für eine nachhaltige Zukunft: Wie kann eine Fassade heute so geplant, gebaut und betrieben werden, dass sie auch in 100 Jahren noch funktioniert – oder zumindest sinnvoll weiterverwendet werden kann?

Matthias Rehberger / GW
Diese zentrale Frage stand im Mittelpunkt des diesjährigen Thementags Fassade der Walter Kützing Akademie GmbH durch den Marius Goos B.Eng. (Contura Ingenieure GmbH) die Teilnehmenden führte.
Die Veranstaltung versammelte zahlreiche Expertinnen und Experten aus Industrie, Architektur, Forschung und Planung – mit dem Ziel, aktuelle und künftige Anforderungen sowie neue Lösungsansätze rund um die Gebäudehülle zu diskutieren.
Sanierungsstrategien zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
Spannend war der Vortrag von Prof. Dipl.-Ing. Daniel Arztmann M.Eng. (Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe), der unter dem Titel „Fassadensanierungs- und End-of-Life-Strategien im Spannungsfeld von Wissenschaft und Wirtschaft“ die Frage in den Raum stellte: Kann eine Fassade 100 Jahre halten?
Seine Antwort: Ja, aber nur wenn Sanierung, Trennbarkeit und Anpassung der Bauelemente und Materialen systematisch geplant werden.
Eine Antwort sind Plug & Play-Systeme, langlebige Materialien und die Möglichkeit zur modularen Erneuerung einzelner Elemente, u.a. Isoliergläser und Dichtungen.

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Während Glasdichtungen heute etwa 50 Jahre halten, können die Aluminiumprofile der Konstruktion durchaus die 100-Jahre-Marke erreichen – vorausgesetzt, Instandhaltung und Materialwahl stimmen.
Holzfassaden – ökologisch, gestalterisch, zukunftsfähig
Holz als Baustoff rückt zunehmend in den Fokus nachhaltiger Fassadenplanung. Es speichert CO₂, lässt sich gut recyceln und bietet hohe gestalterische Qualität. Leopold Falck M.Eng. (Verrotec GmbH) stellte gemeinsam mit Konrad Kerscher und Dipl.-Ing. (FH) Martin Drexler (beide Schindler Fenster + Fassaden GmbH) ein konkretes Sanierungsprojekt mit einer innovativen holzhybriden Fassadenkonstruktion vor. Großformatige, vorgesetzte Betonfertigteile wurden dabei mit Holz kombiniert, um statische Anforderungen mit nachhaltiger Materialwahl zu vereinen.
Kreislauffähigkeit durch Low-Tech-Konzepte
Wie lassen sich Ressourcen schonen und gleichzeitig langlebige Systeme schaffen? Der Vortrag von Kaspar Erhardt M.Sc. beschäftigte sich mit „Low-Tech-Fassaden“ – also Systemen, die mit geringem technischen Aufwand auskommen und besonders gut rückbaubar sowie wiederverwendbar sind.

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Der Ansatz: Weniger Technik, dafür mehr Bauphysik und durchdachtes Design, das auch am Ende des Lebenszyklus einer Gebäudehülle einen klaren Materialkreislauf ermöglicht.
Stahlfassaden für schlanke, dauerhafte Konstruktionen
Ein weiterer Schwerpunkt des Thementags war die zukünftig neue Rolle von Stahl in der Fassadenplanung. Radenko Zoric (Jansen AG) zeigte in seinem Vortrag „Stahlfassaden – Neue Wege“, wie sich mit dem Werkstoff besonders schlanke und gleichzeitig stabile Konstruktionen umsetzen lassen.
Dank hoher Tragfähigkeit bei geringer Profilstärke erlauben Stahlkonstruktion ein Maximum an Transparenz, Flexibilität und Formfreiheit. Radenko Zoric sah Stahl als Material mit großer Zukunft und hervorragender Wiederverwertbarkeit in der Gebäudehülle.

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Fassadengläser mit Fokus auf Vogelschutzglas
Das Glas längst mehr kann als nur Transparenz schaffen, wurde im Vortrag von Ralph Greiner (arcon Glas) deutlich. Unter dem Titel „Vogelschutzglas in der aktuellen Diskussion“ präsentierte er Fassadengläser, die Vögel davon abhalten, gegen gläserne Gebäudehüllen und Fensterelemente zu fliegen.
Entsprechend strukturierte, gelaserte oder bedruckte Glasoberflächen sowie spezielle Beschichtungen sorgen dafür, dass das Glas für Tiere sichtbar wird – bei gleichzeitig hoher Lichtdurchlässigkeit.
Reduce – Reuse – Refurbish: Glas im zweiten Leben
Das Thema Wiederverwendung spielte eine zentrale Rolle bei der Präsentation von Prof. Dr.-Ing. Mascha Baitinger (Hochschule RheinMain). Die Fassadenspezialistin beleuchtete in ihrem Vortrag „Reduce | Reuse | Refurbish – ‚Gebrauchte‘ und ‚Neue‘ Flachglasprodukte für die Gebäudehülle“ praxisnahe Konzepte, wie Glasprodukte ein zweites Leben erhalten können.
Ob durch Aufbereitung, Nachrüstung oder clevere Kombination mit Neumaterialien – der ressourcenschonende Umgang mit Flachglas kann wesentlich zur Dekarbonisierung einer Gebäudehülle beitragen. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten, die die Branche für sich erschließen kann und muss.

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Ausblick: Neue Ansätze für veränderte Anforderungen
Den Abschluss des Thementags bildete die Zusammenfassung von Dr.-Ing. Holger Strauß (Verrotec GmbH) unter dem Titel „Neue Ansätze, veränderte Anforderungen“.
Er brachte dabei die wichtigsten Erkenntnisse des Tages auf den Punkt: Die Zukunft der Fassade liegt in der Interdisziplinarität – also im Zusammenspiel von Technik, Material, Gestaltung und Nachhaltigkeit.
Wenn alle diese Aspekte zusammen von den beteiligten Playern geplant, entwickelt und umgesetzt werden, lassen sich auch wirklich langlebige, kreislauffähige und wirtschaftlich tragfähige Fassadenlösungen realisieren. Hier schlummern große Potenziale, die auch wirtschaftliche Chancen bieten.
Insgesamt eine spannende Veranstaltung, die auch Mut machte und spannende Möglichkeiten für die Zukunft von Fassade aufzeigte.
Autor: Matthias Rehberger