CO₂-arme Gläser sind Highend-Produkte, als solche sollten wir sie auch vermarkten, denn jetzt sind die Märkte aufnahmebereit für das Thema Nachhaltigkeit.
Foto: Arnold Glas
GW – Mit Blick auf den Bau und auf die heimische Glas- und Fensterbranche, wie schätzen Sie die Entwicklung für 2024 ein?
Hans-Joachim Arnold – Die Bundesregierung hatte ja mal das Ziel, pro Jahr 400 000 Wohnungen zu bauen, davon 100 000 Sozialwohnungen. Im vergangenen Jahr gab es nur etwa 210 000 Baugenehmigungen und die Auftragseingänge sind gegenüber dem Vorjahr drastisch zurückgegangen. Im Nichtwohnbau sind die Rückgänge nicht ganz so dramatisch, aber ebenfalls deutlich. Die Bauwirtschaft insgesamt ist in der Krise. Für 2024 werden nicht mehr so starke, aber immer noch deutliche weitere Rückgänge prognostiziert. Auf die Glas- und Fensterbranche schlägt das eins zu eins durch. Es wäre jetzt wichtiger denn je, dass die energetische Sanierung anzieht, um die Rückgänge beim Neubau ein wenig auszugleichen.
GW – Sehen Sie auch positive Entwicklungen?
Arnold – Ja, was man als positive Anzeichen verbuchen könnte: Sinkende Zinsen und sinkende Inflation werden in den meisten Prognosen für wahrscheinlich gehalten; dadurch werden sich vielfach Reallohnzuwächse ergeben, sodass die Leute wieder mehr ausgeben können. Die Kapazitäten werden sich in Richtung Sanierung verschieben. Aber auch im Neubau wird sich im Bereich der Sozialwohnungen irgendwann etwas tun müssen; der Bestand entwickelt sich hier weiter zurück, obwohl der Bedarf durch Zuwanderung weiter steigen wird.
GW – Was kann/muss die Branche tun, um diese Durststrecke zu überwinden?
Arnold – Für die Energiewende sind unsere Glas- und Fenster-Produkte von zentraler Bedeutung. Das müssen wir alle noch stärker betonen. Der BF hat gerade mit dem VFF gemeinsam die Studie über den Fensterbestand aktualisiert; danach haben wir in Deutschland immer noch über 200 Millionen veraltete Fenster. Das ist Arbeit für Jahre. Jedem Unternehmer muss man in der Krise zu einem sorgfältigen Forderungsmanagement raten. Und wie immer in schwierigen Zeiten hat der einen Vorteil, der nicht nur mit den gleichen Produkten auf den gleichen Märkten unterwegs ist wie alle anderen auch. Mit unserem Unternehmen sind wir zum Beispiel mit unserem Vogelschutzglas Ornilux in den USA sehr erfolgreich. Generell kann man sich mit bestimmten Themen – wie der Nachhaltigkeit – vom Wettbewerb abheben. Einige Exportmärkte wachsen, da gibt es Chancen. Auch der Auftragseingang im öffentlichen Bau entwickelt sich positiv.
GW – Und wie kann die Politik helfen, die Rahmenbedingungen für die Branche zu verbessern?
Arnold – Die Bundesregierung hat ja im September 2023 ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das als erster Schritt zu begrüßen ist. Allerdings hapert es bei der Umsetzung. Mehrere Förderprogramme wurden gestoppt, die für die Modernisierung des Gebäudebestands wichtig sind. Bei der Wohneigentumsförderung wurden die Einkommensgrenzen angehoben; die Energieeffizienzstandards wurden nicht verschärft wie eigentlich geplant. Anreize sehen anders aus – trotz aller Haushaltszwänge würde es planbare und verlässliche Rahmenbedingungen brauchen.
GW – Wie unterscheiden Ihre Vorschläge sich bezüglich Wohn- bzw. beim Nichtwohnbau?
Arnold – Für die Wohngebäude haben wir unsere Forderungen zusammen mit unserer gemeinsamen Berliner Repräsentanz Transparente Gebäudehülle und vielen weiteren Verbänden gerade in einem Positionspapier zusammengefasst, in dem wir konkrete Maßnahmen wie eine degressive AfA und die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus vorschlagen.
Für die Nichtwohngebäude wurden die „Minimum Energy Performace Standards“ auf europäischer Ebene immerhin eingeführt; das bringt die dringend notwendige energetische Sanierung zumindest einen kleinen Schritt voran und verpflichtet die Bundesregierung.
GW – Aktuell werfen die großen Glasanbieter eine ganze Reihe an CO₂-armen Gläser auf den Markt, wie können davon die Isolierglas-Hersteller und die Fensterbauer profitieren?
Arnold – Die Glasherstellung gehört zu den energieintensiven Industrien; deshalb muss hier die Industrie handeln und sie tut das auch. Die CO2-armen Gläser zeichnen sich vor allem durch einen erhöhten Anteil von Scherben im Gemenge aus und durch weniger und / oder sauberere Energie bei der Produktion. Jedoch sind beide Elemente nur limitiert verfügbar, sodass diese CO2-armen Gläser absehbar nicht das neue Normal werden können, sondern Highend-Produkte sind. Als solche sollten wir sie auch vermarkten. Und hier sehe ich sowohl für Fensterbauer als auch für (Isolier-)Glasanbieter gute Chancen, denn die Märkte sind jetzt aufnahmebereit für das Thema Nachhaltigkeit.
Das Interview führte Matthias Rehberger.