GW – Frau Dr. Brandt-Slowik, was zeichnet Borosilikatglas gegenüber einem Kalk-Natron-Floatglas aus, das sonst in der Flachglasbranche der Standard ist?
Dr. Juliane Brandt-Slowik – Kalk-Natron-Glas ist das weitverbreitete Standardglas in vielen Anwendungen wie Architektur und Automobilbau. Im Gegensatz dazu zeichnet sich Borosilikatglas, wie Borofloat 33, durch hervorragende chemische und thermische Eigenschaften aus. Es ist besonders widerstandsfähig gegenüber aggressiven Chemikalien und Temperaturwechseln, was es zur ersten Wahl im Laborbereich macht.
GW – Wie wirkt sich die Struktur der Gläser auf ihre Eigenschaften aus?
Dr. Brandt-Slowik – Die Struktur eines Glases hängt von seiner Zusammensetzung ab. Bei Borosilikatglas bildet ein vernetztes Gerüst aus Siliziumdioxid und Boroxid eine stabile Struktur. Im Vergleich dazu führt der hohe Anteil an Netzwerkwandlern, wie Natriumoxid und Calciumoxid im Kalk-Natron-Glas, zu einer weniger stabilen Struktur.
Die Zusammensetzung und Struktur des Borosilikatglases erlaubt große Dimensionen, so sind bei Schott aktuell Scheibenformate von 3,6 × 1,8 m erhältlich.
GW – Können Sie uns etwas über die thermischen Eigenschaften von Borosilikatglas sagen?
Dr. Brandt-Slowik – Der Wärmeausdehnungskoeffizient von Borosilikatglas ist geringer als der von Kalk-Natron-Glas, was es widerstandsfähiger gegenüber thermischem Schock macht. Diese thermische Stabilität macht Borosilikatglas auch in Brandschutzverglasungen zu einer idealen Wahl.
Helmut Kugelmann – Aufgrund dessen, dass der Erweichungspunkt bei höheren Temperaturen liegt, bleibt die Verglasung im Brandversuch stabil. So ist die Nutzung von großen Glasformaten (z. B.: 3,6 × 1,8 m) möglich, wobei keine zusätzliche mechanische Unterstützung, im Sinne einer Klemmung nötig ist. Mit einer mechanischen Klemmung hingegen ist es aufgrund des geringen Fließverhaltens möglich 120 Minuten dem Feuer Stand zu halten.
GW – Also eignet sich Borosilikatglas auch für größere Glasformate, z. B. bei Fassaden?
Kugelmann – Ja, die einzigartige Zusammensetzung und Struktur des Borosilikatglases ermöglicht die Kombination von großen Dimensionen von Glas mit einfachen Rahmensystemen. Dies bietet dem Architekten und Designer gestalterische Freiheit, zu Gunsten der Ästhetik und des Erscheinungsbildes des Gebäudes. Das Schott Borosilikatglas Pyran S kann Gebäude ideal vor der Flammenausbreitung von Stockwerk zu Stockwerk und von einem Gebäude zum nächsten (horizontal & vertikal) schützen.
Borosilikatglas zeigt eine höhere Kratz- und Abriebbeständigkeit als Kalk-Natron-Glas. Es widersteht höheren Belastungen, bevor Risse auftreten.
GW – Welche Anwendungen profitieren von Borosilikatglas, und in welchen Dicken?
Kugelmann – Im Brandschutzbereich findet Pyran S neben Gebäuden auch Anwendung im Bereich Schiffs- und Bahnverglasungen sowie Verglasungen für Aufzugstüren.
Dr. Brandt-Slowik – Borosilikatglas findet Anwendung in vielen Bereichen, einschließlich Laboren und Haushaltsgeräten, wie Pyrolyseöfen. Bei Schott ist gefloatetes Borosilikatglas, beispielsweise Borofloat 33, in einem umfassenden Dickenspektrum von 0,7 bis 25,4 mm erhältlich und wird seit 30 Jahren in Deutschland hergestellt.
GW – Wie schätzen Sie den zukünftigen Einsatz von Borosilikatglas ein, wird die Nachfrage zunehmen?
Dr. Brandt-Slowik – Mit seinen außergewöhnlichen Eigenschaften wird Borosilikatglas weiterhin in verschiedensten Anwendungen gefragt sein. Weitere Forschung und Entwicklung mit dem Glas könnten zu noch vielseitigeren Einsatzmöglichkeiten führen. Ergänzend lässt sich sagen, dass ein Schott Borofloat 33 eine deutlich höhere Kratz- und Abriebbeständigkeit aufweist und eine höhere Last nötig ist, um Risse im Material auszulösen. Im Basalt-Aufprall-Test zeigt es sich widerstandsfähiger, was auch zu verminderter Trübung führt.
Kugelmann – Zukünftige Anwendungen für Pyran S können unter anderem in Rauchschürzen aus Glas zum Beispiel in Kaufhäusern und U-Bahnhöfen gesehen werden, um Fluchtwege rauchfrei zu halten.
Die Fragen stellte Matthias Rehberger
Borosilikatglas von Schott
Bei Schott ist gefloatetes Borosilikatglas, beispielsweise Borofloat 33, in einem umfassenden Dickenspektrum von 0,7 mm bis 25,4 mm erhältlich und wird seit 30 Jahren in Deutschland hergestellt.