Glaswelt – Wie ändert sich die Produktion in den nächsten fünf Jahren?
Jan Schäper – Die Digitalisierung, Vernetzung und Automation werden die Produktion noch stärker prägen als bisher, auch steht die digitale Unterstützung der Mitarbeiter im direkteren Fokus. Insgesamt ist und wird die Kommunikation zwischen den Maschinen, den Menschen und der Software erneut verbessert und benutzerfreundlicher. Die Interaktion ist intuitiv, software- und mediengestützt und erfolgt als ganzheitlicher Prozess über einen Teil oder die vollständige Wertschöpfungskette eines Betriebes. Shop-Floor-Logistik ist dabei das Schlüsselwort der kommenden Jahre und es beschreibt, wie stark die Vernetzung und auch die Leistung selbstlernender Systeme sowohl der Software als auch der Maschinen fortgeschritten sein werden. Die Produktion stellt sich als Prozesskette einer aufeinander abgestimmten Materialbereitstellung, -bearbeitung und -weitergabe dar. Je nach Kundenbedarf, Produktportfolio und der zu erwartenden Effizienz der Maßnahmen sind die kaufmännischen Bereiche, die Logistik, der Materialeinkauf, die Wartung und auch der Vertrieb in ein digitales Gesamtkonzept integriert.
Glaswelt – Was sind die Gründe für diese Veränderungen?
Schäpers – Die Digitalisierung und die damit zusammenhängende Industrie 4.0 sind ein dynamischer Entwicklungsprozess. War es vor 40 Jahren noch die Automation, die verbesserte Abläufe zur Folge hatte, während die Verschnittoptimierung per Software ein separat ablaufender Vorgang war, sind es heute die Software und der Datenaustausch, die zusätzliche Optimierungen im Einklang mit den Maschinen versprechen.
Der vermehrte Einsatz von Sensorik und die Speicherung der Daten geben tiefe Einblicke in die Produktionszusammenhänge. Erfolgt zusätzlich ein Soll-/Ist-Vergleich des Fertigungsschrittes etwa über ein Tracking lasermarkierter Scheiben entsteht ein noch genaueres Gesamtbild der Abläufe und Abhängigkeiten. Die so gewonnen Informationen können im Rahmen selbstlernender Prozesse, u. a. zur exakten Anpassung der Planungsvorgaben einer kontinuierlichen Kapazitäts- und Arbeitsplangenerierung oder auch einer Endlosoptimierung eingesetzt werden.
Der Mensch bleibt der aktive Teil der Wertschöpfungskette, der nicht nur Tätigkeiten ausführt, sondern auch komplexe Entscheidungen trifft, Rahmenbedingungen setzt, die Produktion überwacht und auch mal einen eiligen Auftrag vorzieht.
Foto: Matthias Rehberger
Glaswelt – Welche Rolle spielen künftig die Software und deren Updates?
Schäpers – Die Bedeutung der Software nimmt kontinuierlich zu, sei es zur Vernetzung der Prozesse und der Produktionsschritte, um Daten auszutauschen oder um die komplexer werdenden Maschinen zu steuern. Die klassische Trennung zwischen Anlagen, Software und Maschinen ist in der Produktion bereits heute nicht mehr so eindeutig, wie sie noch vor einigen Jahren war. Umso mehr ist zu erwarten, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt. Beispielsweise steht die Produktionssoftware dann noch stärker in Interaktion mit den Maschinen, greift direkt auf die Daten zu und passt entweder als selbstlernendes System Prozesse automatisch an oder fordert ggf. die Fertigungsleitung oder den Bediener – bestenfalls mit Handlungsoptionen – zum Eingreifen auf.
Der Mensch bleibt der aktive Teil der Wertschöpfungskette, der nicht nur Tätigkeiten ausführt, sondern auch komplexe Entscheidungen trifft, die Rahmenbedingungen setzt, die Produktion überwacht und der auch mal einen eiligen Auftrag vorzieht.
Mit dem weiter steigenden Automationsgrad und den immer engmaschiger werdenden Zusammenhängen gilt es, die Flexibilität zu erhalten und die Mitarbeiter in der Fertigung mit den Informationen auszustatten, die für eine funktionierende Wertschöpfungskette nötig sind.
Neben dem Stellenwert der Software steigt dieser auch für die Updates, dienen diese doch der Aktualisierung, u. a. der Produktionsplanungstools, der Kapazitätsplanung oder auch der kaufmännischen Abwicklung.
Updates verbessern idealerweise die Produktivität, Flexibilität, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit. So können gesetzliche Vorgaben etwa zur Produktnachverfolgung auf den neuesten Stand gebracht, Softwaresysteme um neue Schnittstellen erweitert oder auch die Programmabläufe optimiert werden.
Um die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit unserer Software maximal sicherzustellen bieten wir auch zukünftig alle Updates als Inklusivpaket. Auf Kundenwunsch können individuelle Funktionalitäten entwickelt und eingepflegt werden.
Glaswelt – Was ändert sich bei der Wartung?
Schäpers – Die Maschinenwartung bleibt von hoher Bedeutung für die Fertigungskette, um so beispielsweise in Form von präventivet Wartung den Ausfall von Anlagen oder ganzer Produktionslinien zu verhindern. Weitere Sensorik in den Maschinen führt z. B. in Verbindung mit unserem Cockpit oder auch der Shop-Floor-App zu einer genauen Übersicht über den Zustand der Anlagen. Werden die Wartungstermine in der App hinterlegt, wird auf anstehende Prüfungen hingewiesen. Bei sich verändernden Messwerten erhält der Bediener oder die Betriebstechnik einen Hinweis oder es wird automatisch eine interne Wartung angefordert. Zudem können die Daten an den Hersteller weitergeleitet, dort analysiert und bestenfalls die Störung behoben werden. Um das Arbeiten noch weiter zu erleichtern, ist es beispielsweise möglich, den Mitarbeitern über mobile Endgeräte und die Shop-Floor-App die Ersatzteillisten und Anleitungen auch hersteller- und softwareübergreifend bereitzustellen.
Glaswelt – Wie können Verarbeiter von der Digitalisierung profitieren, was sind die Kosten und wo lauern Gefahren?
Schäpers – In welcher Form und inwieweit Verarbeiter von der Digitalisierung profitieren können, hängt vom Betrieb, den Produkten und den Anforderungen ab. Wir erleben aktuell einen Trend, einerseits zurück zum Bewährten, andererseits zur Investition in die digitale Zukunft.
Zunächst gilt es, genau zu ermitteln, in welchem Bereich eine Investition in eine Software, eine Automation oder in die digitale Unterstützung des Menschen den größten Erfolg verspricht.
Ebenso gilt es, Prozesse noch enger zu verzahnen, die Mitarbeiter mit den notwendigen Informationen zu versehen und die Nebenzeiten der Produktion durch Softwareunterstützung zu verringern.
Neben dem Dauerthema Glasmarkierung und -identifizierung werden in unsere Software z. B. auch die Logistik, der interne Glastransport oder auch vertriebsunterstützende Funktionalitäten integriert. Je nach Konfiguration und Datenspeicherung kann so mit einem Klick ein Glas in oder außerhalb der Produktion identifiziert, reklamiert oder nachbestellt, ebenso der Lieferschein ausgedruckt oder der Abstellplatz – in der Produktion oder beim Kunden – bestimmt werden.
Die Kosten einer Investition können erst nach einer Analyse des Kundenbedarfs bestimmt werden. Hierzu sind die Maßnahmen zu ermitteln, mit denen sich entweder die Prozesskosten deutlich verringern oder jedoch die Wertschöpfung deutlich verbessertn lassen.
Als Teil eines Stufenplans ist es so möglich, Investitionen entsprechend ihres Return-on-Invest zu priorisieren und so schrittweise oder vollständig umzusetzen.
Die Fragen stellte Matthias Rehberger