Beim Ortstermin stellte der Gutachter fest, dass die raumhohen Festverglasungen des Neubaus an den Unterkanten im Bereich der Klotzauflagen gesprungen sind.
Die Gläser sind im System Anix 70 FP eingesetzt und auf je zwei Kunststoffklötzen (60 x 100 x 3 mm) verglast. Der Glasaufbau besteht bei den 3-fach-Einheiten aus VSG 8 mm (0,76 PVB) / SZR 14 mm / Float 8 mm /SZR 12 mm / VSG 8 mm (0,76 mm PVB). Bei allen Gläsern lag der Kantenversatz innerhalb der zulässigen Toleranz.
Bei dem ISO im Esszimmer (Format: 310,1 x 274,6 cm, Gewicht ca. 511 kg) ist die Innenscheibe im Bereich der Klotzung gesprungen. Im Wohnraum ist die mittlere Scheibe der 185,1 x 274,6 cm großen und rund 280 kg schweren ISO-Einheit im Bereich der Klotzung gesprungen. Sie hat am Bruchausgang eine schlecht geschnittene Kante. Bei der 242,0 x 259,6 cm großen (ca. 377 kg) Glaseinheit im Schlafzimmer, ist die innere Scheibe im Bereich der Klotzung gesprungen.
Die Ursachen der Glassprünge
Glasscheiben besitzen in ihren Breiten- und Höhenabmessungen zulässige Toleranzen, die je nach Glasart, Größe und Dicke bis zu +/- 4,0 mm betragen können.
Wenn bei der Fertigung von Isolierglas die einzelnen Scheiben über die Abstandhalter und Verklebung miteinander verbunden werden und jede Scheibe eine unterschiedliche, aber zulässige Größe aufweist, kann es zu einem erheblichen Kantenversatz der Gläser kommen. Die Scheibe, die am weitesten über die anderen herausragt, muss das gesamte Glasgewicht übernehmen, wenn sie auf die Verglasungsklötze gestellt wird.
Bei 2-fach-Isolierglas führte dies in der Regel zu keinen wesentlichen Problemen.
Da heute zunehmend 3-fach-Isoliergläser eingesetzt werden, die mit ihrer zusätzlichen dritten Scheibe zu erhöhten Glasgewichten führen, steigert dies die Glasbruchgefahr im Klotzbereich.
Sollen 3-fach-Gläser aus architektonischen Gründen möglichst großflächig sein, ist die Glasbruchgefahr wegen des hohen Gewichts derart groß, dass besondere Klotzungsmaßnahmen erforderlich sind.
Die Technische Richtlinie Nr. 3 „Klotzung von Glas-einheiten“ weist auf diese Gefahr hin. Für hohe Scheibengewichte gibt es heute sogenannte „Schwerlastklötze“. Diese verfügen zwischen Glaskante(n) und Klotzoberfläche über eine „weiche“ Zwischenlage, in die sich die Glaskanten einbetten können, um dann das Gewicht möglichst gleichmäßig über alle drei Kanten abzutragen.
Im vorliegenden Fall sind zwei Isolierglasscheiben aufgrund des hohen Glasgewichtes bei zulässigem Kantenversatz unter Verwendung normaler Verglasungsklötze im Klotzbereich gesprungen.
Die dritte Isolierglasscheibe hatte zusätzlich eine schlecht geschnittene Glaskante. Dies führt zu einer Schwächung der Festigkeit, verbunden mit einer erhöhten Glasbruchgefahr.
So verringert man Schäden
- Bei 3-fach-Isoliergläsern sollten grundsätzlich „Schwerlastklötze“ eingesetzt werden, um das Glasgewicht möglichst gleichmäßig über alle drei Einzelscheiben abzutragen.
- Die Glasbruchgefahr im Klotzbereich aufgrund eines möglichen Kantenversatzes wäre mit dieser Maßnahme minimiert.
- Bearbeitete Glaskanten weisen eine geringere Glasbruchgefahr auf. Deshalb sollten bei großflächigen, schweren 3-fach-Isoliergläsern die Kanten möglichst gesäumt, besser noch geschliffenen werden.
Im vorliegenden Fall wurden die gesprungenen Gläser ausgetauscht und die neuen Scheiben auf Schwerlastklötzen verglast. Das weitere Bruchrisiko für die bestehenden Scheiben ist gering, da solche Bruchschäden meist in den ersten Monaten nach Einbau entstehen.
Tipp des Gutachters
Bei der industriellen Produktion von Isoliergläsern werden die Einzelscheiben auf Rollen stehend gemeinsam in den Verbundbereich gefahren, dort haben sie einen seitlichen Anschlag. An diesen beiden Kanten ist der Kantenversatz am geringsten.
Da die Isoliergläser einen Aufkleber mit einem Hinweis auf die Innen- bzw. Außenseite erhalten, wäre es sinnvoll, auf diesem ohnehin vorhandenen Aufkleber auch auf die Position dieser beiden möglichen Standkanten hinzuweisen.
Der Autor
Dipl.-Ing. Wolf-Dietrich Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik.
IGA Institut für Glas-Anwendung
Tel. (0 23 02) 7 53 83