Es war ein optimales Timing – denn am Mittwochmorgen berichteten die Medien über den Arbeitsplan „Energieeffizienz“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck und dessen Regeln, Förderungen und Anreizen für die dringend notwendige Energieeinsparung im Gebäudesektor, bei der die Sanierung bestehender Gebäude durch den Austausch alter Fenster, Außentüren und Heizanlagen im Fokus steht.
Für den Neubau wird das Gebäudeenergiegesetz (GEG) überarbeitet und ab 2023 soll die Effizienzklasse EH 55, ab 2025 EH 40 sowie eine Pflicht für Solardächer gelten. Die jetzige Krise sieht Habeck als große Chance Fehlanreize zu stoppen und mehr Dynamik für innovative Produkte und Unternehmen zu entwickeln.
ift setzt sich für künftige Leitlinien ein
Institutsleiter Prof. Jörn Peter Lass (ift Rosenheim) knüpfte in seinem Vortrag direkt an diese aktuellen politischen Vorgaben an und erläuterte, welche Normen, Regeln und Zertifikate für mehr Nachhaltigkeit, Recycling und weniger CO2-Emissionen in Zukunft von Bedeutung sind.
Die in Arbeit befindliche Bauproduktenverordnung (BauPVO) wird viel stärker als bisher Kriterien und Daten aus einer Ökobilanz, Umweltproduktdeklaration (EPD) n. EN 15804+A2 und CO2-Emissionen ins Zentrum stellen. Das hat direkte Auswirkungen auf die Entwicklung neuer Konstruktionen und dabei besonders die Recyclingfähigkeit, die gerade für Verbundsysteme nicht leicht zu realisieren ist. Im Weiteren forderte er, dass neue Produkte resilienter gegen Klimaextreme werden müssen, beispielsweise gegenüber Hochwasser, Stürmen oder Hitze.
Er kündigte an, dass das ift Rosenheim für Bauelemente geeignete „Leitlinien“ für die Bewertung der Nachhaltigkeit und EPDs entwickeln wird, um die Umsetzung für Hersteller zu vereinfachen und einen Vergleich zu ermöglichen.
Das sagte der Wetter-Spezialist
Dder NDR Meteorologe Frank Böttcher beschrieb mit großer Leidenschaft den aktuellen Stand und die Zusammenhänge des Klimawandels. Er mahnte die anwesenden Entscheider der Tür- und Torbranche eindringlich jetzt zu handeln und eine Zeitenwende für den Klimaschutz zu starten. Denn es liegt auch in der Hand der Industrie mit energieeffizienten, nachhaltigen und leicht zu montierenden Bauelementen den Umbau des Gebäudebestands zu ermöglichen und damit die CO2-Emissionen zu reduzieren. Ansonsten droht uns ein „Klimachaos“.
Was meinen die Marktforscher?
Auch Martin Langen (B+L Marktdaten) ging in seinem Vortrag auf die kurz- und mittelfristigen Folgen des Klimawandels ein. Er zeigte, dass die Änderungen der Investitionskriterien bei strukturellen Anlegern (Bloom, Environmental, Social and Governance Index (ESG) u.a.) einen erheblichen Einfluss auf die nationalen und internationalen Geldflüsse haben.
Dies führt dazu, dass Banken und Fonds alte und unsanierte Immobilien abstoßen und dafür neue oder energetisch sanierte Gebäude kaufen. In einigen Ländern gibt es bereits Vermietungs- und Verkaufsverbote für unsanierte Gebäude mit hohem Energieverbrauch (Frankreich, Niederlande, Belgien), mit denen der EU-Sanierungsfahrplan für den Gebäudesektor umgesetzt wird. Insgesamt prognostizierte er der Baubranche dennoch ein nachhaltiges Wachstum, das nur kurzfristig durch höhere Baukosten, Facharbeitermangel und leicht steigende Zinsen gebremst wird.
Begründung sind die andauernde Zuwanderung, der Zwang zur energetischen Sanierung sowie hohe Sparquoten. Von diesen Entwicklungen werden vor allem Anbieter profitieren, die nachhaltige und energieeffiziente Bauprodukte anbieten, die sich einfach und kostengünstig montieren lassen und für den Sanierungsmarkt optimal geeignet sind. Im Bereich des selbstgenutzten Eigenheims durch finanzstarke „Silver Ager“ sind dabei Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Qualität wichtiger als der reine
Produktpreis. Im Neubau und in der Sanierung von Mietwohnungen sind Standardisierungen und serielles Bauen gefragt, um die gesamten Baukosten zu senken. Die Sanierung alter Fenster und ungedämmter Dächer haben dabei Priorität, weil sich damit der energetische Standard schnell verbessern lässt und den Einsatz von Wärmepumpen überhaupt erst sinnvoll macht.
Ergänzt wurde das zentrale Thema Klimaschutz durch viele praktische Vorträge, beispielsweise neue Anforderungen und Nachweise für Brandschutzelemente und Baubeschläge, Einbruchhemmung, RAL-Richtlinien, Bauakustik sowie Rechtstipps zur Erzwingung der Bauabnahme.