Berlin im Juni 2023: Ganz Deutschland streitet um die Novelle des GEG, das mittlerweile nur noch „Heizungsgesetz“ genannt wird. So auch auf dem Jahreskongress Inside 2023 der FensterproduzentInnen und -hersteller in Berlin. Ein Podiumsteilnehmer spricht genau das aus, was alle denken: „Ich wollte heute eigentlich nicht über Heizung reden, sondern über Energieeffizienz. Haus ist nicht nur Heizung, Haus ist ein System.“
Der Zitatgeber war kein geringerer als Karl-Sebastian Schulte, Geschäftsführer des Unternehmerverbands des Deutschen Handwerks (UDH) sowie Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Er war Teilnehmer einer hitzigen Podiumsdiskussion, die darüber hinaus besetzt war mit dena-Experte Christian Stolte, Christian Maaß (Leiter der Abteilung Energiepolitik, Wärme und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium) und dem Moderator Thomas Drinkuth (Leiter der RTG – Repräsentanz Transparente Gebäudehülle in Berlin). Stolte mahnte dabei unter Beifall eine bessere Vermittlung von Sanierungszielen an: „Wir müssen sichtbar machen, dass das Energieeffizenz auch für jeden einzelnen etwas bringt, sonst haben wir nichts erreicht.“ Überhaupt schienen die Fronten verhärtet bei den Akteuren. Regierungsvertreter Christian Maaß verteidigte den Kurs seines grünen Ministers und glaubt, dass die ganze Bevölkerung das in Jahrzehnten rückblickend auch so sehen werde. Man müsse halt jetzt ganz schnell die Wärmewende angehen.
Allerdings sehen das im Kongressverlauf viele auf der Bühne ganz anders. Vor allem dann, wenn die Regierung sinnvolle logische Schritte einfach ignoriert: Schließlich geht es bei einer Sanierungsmaßnahme erstmal darum, die Gebäudehülle auf Vordermann zu bringen, bevor man sich der Gebäudetechnik widmet.
Flutwelle in Zeitlupe
Das weiß auch schon Wetter- und Klimaexperte Frank Böttcher, der den Kongressteilnehmern düstere Prognosen dennoch erfrischend aufbereitet: Bekanntermaßen müssen wir in Zukunft mit Gletscherabrissen, Bergabrissen und vor allem Extremwetterereignissen rechnen – nur leider noch viel eher, als wir es bislang so erwartet hätten. Denn „wir katapultieren uns bei einem + 3°-Kurs zurück ins Pliozän.“ Dann müsse die Welt mit einem Meeresspiegel umgehen, der um 20 m höher liegt als heute. Wir erleben also eine gigantische „Flutwelle in Zeitlupe“. Böttcher weiß aber auch: „Wir werden einen gigantischen Markt erleben, der sich mit der Resilienz von Gebäuden gegen Klimaextreme befasst.“
Tageslicht macht Menschen glücklich
Einen echten Lichtblick vermittelte anschließend Daniel Pfanner vom Ingenieurbüro Bollinger + Grohmann. Anschaulich zeigte er, wie wertvoll Tageslicht ist, das Menschen glücklich und gesund macht und zeigte, dass Sonnenschutz auch ganz anders geht. Zum Schluss gab es noch einen Einblick in das Indewag-Projekt: Eine neue Technologie für Gebäudehüllen ermöglicht weitere 15 % Kostenersparnis durch Fluid-Flow-Glazing-(FFG-)Fassaden und Radiant-Interior-Walls (RIW), während gleichzeitig die Größe der restlichen Haustechnik und der PV-Flächen reduziert werden.
Am zweiten Tag präsentierte Prof. Dr. Sabine Flamme die Wirkweise der zirkulären Bauwirtschaft und gab Prinzipien und Beispiele für die Gebäudehülle preis. Dabei wies sie darauf hin, dass AIUIF und Rewindo bereits eine Vorreiterrolle einnehmen und für einen guten Status quo in Sachen Nachhaltigkeit in unseren Branchen sorgen.
Fenster sind Teil der Lösung
Zum Finale hatte der VFF Marcel Fratzscher vom DIW geladen. Er sollte positive Zeichen für die verunsicherte Branche aussenden. Aber damit tat er sich etwas schwer: „Wir sind ein bisschen zu satt und zu faul geworden,“ glaubt Fratzscher. „Wir waren mal der kranke Mann Europas, dann waren wir cool und wurden bewundert, jetzt stecken wir wieder in der Lethargie.“
Und weiter: „Wir werden nicht so schnell niedrigere Zinsen sehen. Das was wir jetzt erleben ist das Resultat höherer Zinsen, das trifft die Baubranche besonders hart. Da sehen wir noch nicht das Ende der Fahnenstange – die hohen Zinsen werden uns beschäftigen bis 2025 hinein.“
Er sendete ein anderes Schlaglicht aus: „Wohnen ist die vielleicht wichtigste Frage für den sozialen Frieden in Deutschland geworden.“ Das Wohnen ist so viel teurer geworden im Vergleich zu anderen Dingen des Lebens. Und auch er kam nicht umhin, sich an dem Heizungsgesetz abzuarbeiten: „Das GEG ist das beste Beispiel, wie etwas kommunikativ schiefgelaufen ist.“ So wie es gemacht wurde, hat es Ängste geschürt und wurde instrumentalisiert.
Eine hoffnungsfrohe Verabschiedung gab es abschließend vom VFF-Präsident Helmut Meeth: „Unser Blick in die Zukunft ist positiv, denn die Branche ist Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Ohne uns geht nichts, wo wir sind ist vorne.“