Erfahrungen aus dem Sachverständigenzentrum und von der telefonischen Hotline des ift Rosenheim zeigen, dass Tauwasser an Fenstern und Verglasungen immer noch häufig von den Nutzern beanstandet wird. Noch kritischer wird die Situation, wenn sich als weitere Folge Schimmel auf den Fensteroberflächen oder an den Fensterleibungen bildet.
Dabei kommen stets mehrere Ursachen und Verantwortlichkeiten infrage; eine Beurteilung ist jeweils nur für den Einzelfall gültig. Die gesetzlichen und normativen Vorgaben zur Bewertung der Tauwasser- und Schimmelbildung sind nicht eindeutig, teilweise vielseitig auslegbar.
Wer hat Schuld: der Bewohner, der zu wenig lüftet oder liegt es an der Gebäudesituation?
Die Positionen der Betroffenen sind oft festgefahren: Die Bauschaffenden sehen in den meisten Fällen das Heiz-, Lüftungs- und Wohnverhalten der Bewohner bzw. Nutzer als Hauptgrund für die Beanstandungen.
Die Nutzer bestehen darauf, dass sie alles richtig gemacht haben. Die Aufgabenstellung der Gerichte und damit der Sachverständigen besteht dann darin, die Schadensursache zuzuordnen.
Jede Reklamation könnte zu einem Rechtsstreit führen und kostet die Streitenden Zeit und Nerven. Nachfolgend soll auf die bekannten Schadensursachen und die jeweils Verantwortlichen eingegangen werden.
Wieso kommt es zu Tauwasser an Fenstern?
Die Tauwasserbildung an Bauteiloberflächen wird wesentlich beeinflusst:
Sobald die Oberflächentemperatur die Taupunkttemperatur der Raumluft erreicht/unterschreitet, bildet sich Tauwasser.
Beide Kenngrößen schwanken stark: Der absolute Wassergehalt in der Raumluft schwankt über den Tag je nach freigesetzter (Feuchtequelle z. B. Kochen) und abgeführter Feuchte (Feuchte senken z. B. durch Lüften).
Die Oberflächentemperaturen hängen von der Außenlufttemperatur, dem konvektiven Wärmeübergang und dem Wärmedämmstandard ab. Zudem variieren die Oberflächentemperaturen zeitlich und räumlich.
Die Schimmelpilzbildung findet statt, sobald sich neben einer ausreichenden Feuchtigkeit auch ein ausreichendes Nährstoffangebot einstellt. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass Schimmelpilze kein tropfenförmiges Wasser als Wachstumsvoraussetzung benötigen, sondern bereits ab einer relativen Luftfeuchte von 80 % wachsen können. Ein Nährstoffangebot kann in Form von organischen Materialien, beispielsweise einer „Raufasertapete“ oder einer dünnen Staubschicht, gebildet werden.
Da die Schimmelpilzbildung in den meisten Fällen die Folgeerscheinung aus langfristiger Tauwasserbildung ist, wird im Folgenden jeweils nur von der Tauwasserbildung gesprochen.
Achtung – Gefahr: In den letzten Jahren sind aus Gutachten und Beratungsfällen mehrere Ursachen besonders häufig aufgefallen, die nachfolgend beschrieben werden.
Was wird konstruktiv falsch gemacht?
Bei folgenden Punkten lässt sich die Verantwortung schwerpunktmäßig bei der Planung/Bauausführung/Fensterkonstruktion und -montage ansiedeln:
In monolithischen Außenwänden (nur ein Wandbaustoff, z. B. Ziegelwand) sollten die Fenster jeweils im mittleren Drittel der Wand eingesetzt werden. In Wandaufbauten mit Dämmschicht sollten die Fenster möglichst in der Lage der Dämmebene eingesetzt sein. Die Abweichung von dieser optimalen Lage zur Außenseite begünstigt die Tauwasser- und Schimmelbildung.
Hinweis: Normativ ist in DIN 4108-2 geregelt, dass für die Fensterleibungen der sogenannte „Temperaturfaktor fRsi“ nachzuweisen ist. Lediglich für Einbausituationen nach DIN 4108 Beiblatt 2 kann davon abgesehen werden.
In dicht besiedelten Gebieten und Städten ist der Einsatz von außenliegenden Sichtschutz-Einrichtungen (Rollläden, Raffstores, Fensterläden) sinnvoll. Diese stellen neben dem Sichtschutz oft auch gleichzeitig einen temporären Wärmeschutz über die Nachtzeit dar.
Fehlen diese Einrichtungen, wird der Nutzer gezwungenermaßen blickdichte Vorhänge auf der Raumseite installieren, um seine Privatsphäre zu schützen. Innenseitig vor dem Fenster angeordnete Behänge fördern die Tauwasserbildung auf den Fensteroberflächen massiv.
In Neubauten erfolgt die Wärmezufuhr überwiegend über eine Fußbodenheizung. Die Vorteile dieser Systeme liegen in einer gleichmäßigen Temperaturschichtung und geringen Vorlauftemperaturen des Heizsystems. Die Tauwasserbildung an Fenstern und Fassaden wird durch diese Art der Wärmeverteilung jedoch begünstigt, da keine nennenswerte Warmluftkonvektion erzeugt wird (wie noch früher bei Heizkörpern üblich). Der Nutzer ist dringend darauf hinzuweisen, dass die Möblierung und evtl. Teppichböden die Wärmeverteilung in den kritischen Bereichen vor den Fenstern nicht übermäßig stören dürfen.
Weiterhin sollte auf eine „Randzonenverstärkung“ der Heizschleifen vor bodentiefen Fenstern, insbesondere bei Erker- und Glaseckkonstruktionen, geachtet werden.
Wenn neue Fenster als Renovierungsmaßnahme in älteren Wohnhäusern eingesetzt werden, besteht insbesondere an den seitlichen Leibungen erhöhte Gefahr von Tauwasser- und Schimmelbildung.
Aufgrund der früher üblichen massiven Baustoffe (Vollziegel/Betonsteine) werden praktisch immer flankierende Dämmmaßnahmen erforderlich, um die Anforderungen der DIN 4108-2 einzuhalten.
Der Einsatz von Fenstern mit größeren Profiltiefen und raumseitigen Überschlagdichtungen hat sich fast durchgehend am Markt durchgesetzt. Weiterhin entwickeln sich Isolierglasscheiben mit thermisch verbesserten Abstandhaltern zum Standardprodukt.
Falls an einem Dreischeiben-Wärmedämmglas mit wärmetechnisch optimiertem Rand Tauwasser ausfällt, stellt dies ein deutliches Zeichen für eine zu hohe Raumluftfeuchtigkeit dar.
Es zeigt sich, dass die manuelle Fensterlüftung in vielen Wohnungen und Häusern nicht mehr als alleiniges Mittel zum Luftwechsel ausreicht. Die Installation von Außenluftdurchlässen zur Sicherstellung des Grundluftwechsels ist da manchmal sinnvoll. Dem Nutzer, den Hausverwaltungen usw. muss allerdings der richtige Umgang mit den Lüftungseinrichtungen in jedem Fall genau erläutert werden, um eine ordnungsgemäße Funktion zu gewährleisten und die Akzeptanz zu fördern.
Diese Fehler des Nutzers führen zu Tauwasser
Tauwasserbildung am Fenster wird leider in vielen Fällen durch das Nutzungsverhalten der Bewohner verursacht. Folgende Ursachen sind hier zu nennen:
Die Wärme muss über Strahlung oder Konvektion an die Bauteiloberflächen gelangen können. Da Fenster üblicherweise im Vergleich zu den Außenwänden geringere „Dämmwirkung“ aufweisen, ist dort besonders auf einen ungestörten Wärmeübergang zu achten. Bodentiefe blickdichte Vorhänge, breite Innenfensterbänke mit üppiger Blumenpracht, Kommoden, Sofas und Küchenaufbauten vor bodentiefen Fensterelementen sind deshalb häufig die Ursachen für intensive Tauwasserbildung.
Schlafräume, Vorratskammern und wenig genutzte Räume werden von den Bewohnern oft wenig oder nicht beheizt. Sobald die Raumluft aus den normal beheizten und genutzten Räumen eindringen kann – oder bewusst dort hingeleitet wird – kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Tauwasser (deshalb der Tipp: diese Innentüren immer geschlossen halten!)
In vielen Fällen war die Tauwasserbildung auf eine ungewöhnlich hohe Luftfeuchte zurückzuführen. Folgende Ursachen wurden beobachtet:
Die von einigen Baubiologen propagierte Vorgabe zu einer relativen Raumluftfeuchte von bis zu 60 % ist aus bautechnischer Sicht als deutlich zu hoch anzusehen
Wie kann man Tauwasserschäden vermeiden?
Wird vor der Bauausführung festgestellt, dass einige der beschriebenen Punkte vorliegen, sollte auf die Gefährdung hingewiesen werden. Als aktive Möglichkeit zur Schadensvermeidung empfiehlt sich, dass die wärmetechnischen Optimierungspotenziale an den Fenstern genutzt werden.
Der Einsatz von Wärmedämmgläsern mit thermisch verbessertem Randverbund ist dringend zu empfehlen. Sobald 3-Scheiben-Isoliergläser mit Warmer Kante (Randverbund) eingesetzt werden, ist das derzeit technisch machbare Optimum geleistet, um Tauwasser am Glasrand zu vermeiden (bei üblichen Rahmenkonstruktionen).
Weiterhin sollte die raumseitige Dichtebene möglichst luftdicht abdichten und bei der Dichtungsanordnung das Prinzip „innen dichter als außen“ beachtet werden, um Tauwasser- und Schimmelbildung im Falz zu vermeiden. Als weiterer Baustein zur aktiven Reduzierung der Tauwasserbildung ist auf die Einhaltung der DIN 1946-6 zu bestehen, da durch den Einsatz einer nutzerunabhängigen Lüftung die Raumluftfeuchte deutlich reduziert werden kann.
Gleichwohl muss auch der Nutzer über die Zusammenhänge informiert werden und die Maßnahmen aktiv begleiten.
Literatur und Quellen
[1] DIN 4108-2 : 2013-02 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Mindestanforderungen an den Wärmeschutz, Beuth Verlag GmbH, Berlin
[2] DIN Fachbericht 4108-8 : 2010-09 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Vermeidung von Schimmelwachstum in Wohngebäuden. Beuth Verlag GmbH, Berlin
[3] DIN 1946-6 : 2009-05 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung. Beuth Verlag GmbH
Wissenswertes in Kürze
Ist die Warme Kante “Stand der Technik“?
Dass die Ausstattung von Isolierglas mit Warme-Kante-Abstandhaltern „Stand der Technik“ sei, ist immer wieder zu hören. Was bedeutet diese Einschätzung für Beratungspflichten gegenüber Kunden?
Dazu die Stellungnahme von Katrin Quest:
„Die Frage, ob Isolierglas mit Aluminium-Randverbund überhaupt noch eingesetzt werden darf und wenn ja, ob ein Hinweis auf die Möglichkeit der Ausführung einer ‚Warmen Kante‘ als technisch bessere Lösung erforderlich ist, ist nicht ausschließlich juristisch zu beantworten. [...] Solange Isoliergläser mit Aluminium-Randverbund den anerkannten Regeln der Technik (aRdT) entsprechen, liegt ein mangelfreies Produkt vor. Sobald sich aber die ‚Warme Kante‘ soweit durchgesetzt hat, dass sie der Richtigkeitsüberzeugung der vorherrschenden Ansicht der technischen Fachleute entspricht, ist ohne weiteren Hinweis nur noch diese Ausführung als mangelfrei zu werten. [...] Es kann daher sein, dass der Verkäufer oder der Werkunternehmer sich verpflichtet, Isolierglas mit Aluminium-Randverbund zu liefern. [...] Bis zur Abnahme der Leistung kann diese Art der Ausführung dann zeitlich überholt werden, sodass nur noch die ‚Warme Kante‘ den aRdT entspricht. Dann liegt unter Umständen ein mangelhaftes Werk im Zeitpunkt der Abnahme vor. [...] Dies ist ein Risiko, dem der Werkunternehmer bzw. Verkäufer Rechnung tragen muss. Dies kann er meiner Ansicht nach nur damit tun, dass er entweder bereits von vornherein die bessere Variante vereinbart oder zumindest ausdrücklich auf deren Existenz und ihre Vorzüge hinweist."
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Die Anwältin geht in den Ausführungen weiter davon aus, dass sich in Sachen Warmer Kante im Augenblick die aRdT fortbilden und gibt deshalb den Rat, „… einen solchen ausdrücklichen Hinweis in den Vertrag bzw. in das Angebot aufzunehmen.“