Zunächst aber gab es politische Kante auf dem Podium: Der Rosenheimer Bürgermeister Andreas März von der CSU verurteilte das Stückwerk und den Doppel-Wumms der Regierung, „damit lösen wir nicht den Kern des Problems. Wir schaffen es nicht, den Gesamtaufwand der Energie regenerativ zu lösen.“ Nachbarländer hätten es kapiert, so März, „die bauen wieder Atomkraftwerke. Das ist gut und es wird immer wichtiger.“ Wohl aber hatte er auf dem Podium verschwiegen, dass gerade eine jahrzehntelange Union-geführte Regierung es verpasst hat, frühzeitig Alternativen in der Energiefrage zu fördern. Es lag näher, auf die Lieferung von billigem Öl und Gas aus Russland zu vertrauen.
ift-Institutsleiter bringt neues Nachhaltigkeitslabel ins Spiel
Mit Prof. Jörn Lass auf der Bühne begann dann aber gleich der thematische Einstieg – ihm ging es um Fenster, Türen und Fassaden als Bausteine der Energie- und Ressourcenwende im Allgemeinen und die Nachhaltigkeit im Speziellen – schließlich rücken die Umweltwirkungen der Bauteile immer stärker in den Fokus. Um diese zu beurteilen, ist es erforderlich, den gesamten Lebenszyklus der Produkte zu betrachten. Den Verbrauchern und Entscheidern fällt es aufgrund der Vielzahl von Kennzahlen und Umweltwirkungen immer schwerer, das richtige Produkt für die jeweilige Anwendung auszuwählen.
Auf der anderen Seite kommt es durch den Klimawandel häufiger zu Extremwetterereignissen wie Hitzeperioden, Starkregen mit Überschwemmungen, Starkwind und Hagel. Es reicht nicht mehr aus, den Klimawandel durch energieeffiziente und nachhaltige Bauprodukte zu begrenzen, sondern die Bauteile der Gebäudehülle müssen auch vor Extremwetterereignissen schützen.
Umweltproduktdeklarationen (EPD) enthalten verpflichtende Angaben zur Herstellungs- und Nachnutzungsphase des Produktes. Angaben zur Bau- und Nutzungsphase sind optional. Eine Eigenschaft die besonders für transparente Bauelemente spricht, wurde hierbei in der Vergangenheit häufig vernachlässigt. Transparente Bauteile verfügen als einziges Bauteil der Gebäudehülle über die inhärente Eigenschaft, passiv Energie zu gewinnen. Dies kann bei optimaler Auslegung dazu führen, dass transparente Bauteile in der Heizperiode von Oktober bis April mehr Energie gewinnen, als sie durch Transmission verlieren. Transparente Bauelemente sind daher sozusagen in der Nutzungsphase energieneutral.
Ein weiterer Aspekt der Nachhaltigkeit ist der Wartungs- und Pflegeaufwand sowie die Austauschbarkeit von Komponenten. Diese führen zu langen Lebenszyklen und damit zu günstigen Randbedingungen für die Nachhaltigkeit der Produkte. Eine gute Zerlegbarkeit und Rezyklierbarkeit der Werkstoffe führt am Lebensende zu Gutschriften, die sich ebenfalls positiv auf die Nachhaltigkeit auswirken. Es ist daher sinnvoll, bereits bei der Entwicklung des Produktes das Recycling zu planen. Die notwendigen Daten und Produktinformationen zum Recycling liefert die EPD, die mit dem Produkt dem Gebäudebetreiber übergeben wird. Diese Daten helfen dem Facility-Management in der Nutzung, bei Umbauten oder dem Rückbau.
Ein Nachhaltigkeitslabel auf Produktebene kann die Vorteile von transparenten Bauelementen gegenüber der opaken Gebäudehülle sichtbar machen und als Marketinginstrument genutzt werden. „Wir brauchen in der Branche ein Label, um zeigen, wie gut unser Produkt ist“, so der Institutsleiter Prof. Jörn Lass. Die Teilnehmer der Fenstertage stimmten ihm mit deutlicher Mehrheit in der parallel zum Vortrag durchgeführten Umfrage zu.
Klimakatastrophen werden regelmäßiger
Prof. Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigte in seinem Vortrag die offensichtlichen Erkenntnisse des menschengemachten Klimawandels. Die Temperatur auf der Erde steigt weiter – mit der aktuellen Klimapolitik bewegen wir uns auf eine katastrophale 3-Grad-Welt zu. Die Eisbedeckung des Arktischen Ozeans schrumpft rapide und die riesigen Eisschilde sowohl in Grönland als auch in der Antarktis verlieren zunehmend an Masse. Dies trägt zum immer schnelleren Anstieg des globalen Meeresspiegels bei. 65 m – so viel könnte der Meeresspiegel tatsächlich ansteigen, wenn alles Eis auf der Erde schmilzt. Er warnt: An Klimakatastrophen wie die Ahrtalflut vom Juni 2021 müssen wir uns immer mehr gewöhnen.
Prof. Rahmstorf bedauert, wie wenig Wissen der Klimafolgenforscher in der Bevölkerung ankommt. Selbst die Teilnehmer der Fenstertage sind auf dem Irrweg, wenn die Mehrheit der Teilnehmer (lt. Umfrage) glauben, dass nur 80 Prozent der Erderwärmung menschengemacht ist. Richtig ist aber, dass wir zu 100 Prozent dazu beitragen.
Passend zur Keynote von Prof. Rahmstorf ging es am Nachmittag dann schwerpunktmäßig um nachhaltige Lösungen in der Fenster- und Fassadenbranche.
So lenkte Jochen Grönegräs vom Bundesverband Flachglas die Aufmerksamkeit auf den Energiebedarf der Glasproduktion. Welche Möglichkeiten hat die Industrie, den Gasverbrauch zu verringern? Und wie kreislauffähig ist Flachglas? Die Flachglas-Recyclingquote von 96 Prozent ist einerseits sehr hoch, die recycelten Materialströme fließen jedoch nicht im erstrebenswerten Umfang zurück in die Flachglasindustrie – nur 19 Prozent gelangen vom Recycler wieder in die Float-Wannen. Das liegt daran, dass Flachglas sehr hohe Qualitätsanforderungen besitzt, aber auch daran, dass überhaupt nicht genug Scherben auf dem Markt zur Verfügung stehen.
Auch stellte Walter Lonsinger von der A|U|F e.V. die bereits erreichten Recycling-Erfolge der Aluminium- und Kunststoffbranche vor.
Marktsituation: Wirklichkeit besser als ihr Ruf
Das packende Finale bestritt diesmal Martin Langen von der B+L Markforschung. Gingen alle Marktteilnehmer bislang von einem mehr oder weniger starken Umsatzeinbruch in den kommenden Monaten aus, so prophezeit er der Branche annähernd das Gegenteil. Auch wenn es Auftragsstornierungen im zweistelligen Bereich gibt, „dann ist das eigentlich nicht so schlimm, denn Auftragsstornierungen sind normal.“ Langen rief insbesondere auch die (Fach-)Presse dazu auf, die Situation nicht schlechter zu beschreiben, als sie in Wirklichkeit ist.
Er glaubt an ein Sanierungsboom, der erst anrollt und sagt auch, dass Konjunkturpakete für den Bausektor nur Mitnahmeeffekte darstellen. Auch höhere Immobilienzinsen im 3-Prozent-Bereich sind nicht das Problem – wenn die Inflation so hoch ist, wie sie jetzt ist. Die Menschen werden kleiner bauen und Einsparpotenziale beim Bauen werden jetzt aktiviert. Was aber auch immer wichtiger werden wird: die Energieeffizienz, um den hohen Energiekosten ein Schnippchen zu schlagen.
Schwarz malt er allerdings für das Segment Einfamilienhaus – wer hier aktiv ist, sollte überlegen, sich umzuorientieren.