So mancher Kongressbesucher mag beim ersten Anblick des Kongressgebäudes ins Grübeln gekommen sein: Eine komplett aus Sichtbeton errichtete „Architekturikone“ mit Aluminiumfenstern löste bei dem einen oder anderen wohl ein gewisses Unbehagen aus: Irgendwie fehlte hier ein wichtiger Baustoff: Holz. Und in der Tat konnte man dieser Bauweise kritisch gegenüberstehen, denn der einst so gefeierte Architekturentwurf, der Saana-Klotz, ist bereits stark sanierungsbedürftig, ja fast abbruchreif – der Beton ist an vielen Stellen stark verwittert. Vielleicht ist es manchmal doch klüger, mit Holz zu bauen, werden sich einige gedacht haben.
Eduard Appelhans, Vorstandsmitglied des BPH, eröffnete den Kongress und verwies auf die große Resonanz, die der Kongress in Essen hervorgerufen hatte: Rund 200 Teilnehmer freuten sich einerseits auf einen intensiven Branchenaustausch und andererseits auf eine interessante Betriebsbesichtigung des Vorzeigeunternehmens Müller Holzfensterbau in der Ruhrmetropole. Appelhans verwies auch auf die Verjüngungskur, die sich der Verband in den letzten Jahren verordnet hatte und die offensichtlich erfolgreich abgeschlossen sei: Mit Kai Pless habe man einen engagierten Geschäftsführer gefunden und der neu eingeführte Zukunftskreis funktioniere außerordentlich gut.
Dr. Johann Quatmann, Hauptgeschäftsführer des Tischlerverbandes NRW, überbrachte das Grußwort der Tischler und Schreiner aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland mit dem Hinweis, dass der Schulterschluss der holzverarbeitenden Betriebe wichtig sei, denn „das Geschäft ist hart und man braucht derzeit viel Frustrationstoleranz“. Die Holzfenster produzierenden Betriebe seien die Spezialisten, während der Tischler und Schreiner als Generalist auftrete. Dennoch könnten auch reine Fensterbaubetriebe einen Blick auf die Aus- und Weiterbildung werfen. Die Schreinerausbildung sei auch beim Spezialisten möglich und ebenso wichtig sei eine spezielle Fenstermontage-Weiterbildung, die vom Schreinerverband ermöglicht werde.
Highlight für viele war am ersten Kongresstag sicherlich die exklusive Besichtigung der Vorzeigeproduktion bei der Firma Müller: In mehreren Gruppen ging es zu dem schnellsten Holzfensterproduzenten Deutschlands. Der Anspruch auf höchste Geschwindigkeit und Automatisierung wird bereits im Wareneingang deutlich: Das von Holz Schiller für die Projekte kommissionierte Holz wird von einem Roboter direkt auf die Mechanisierung der Kapphobellinie vor der Conturex-Anlage aufgelegt. Dabei ist der Roboter in der Lage, die Weinig-Anlage mit vier Teilen pro Minute zu bedienen. So ist es möglich, dass morgens um sieben Uhr das Holz in die Halle geliefert wird – und noch vor Feierabend die fertigen Fenster zur Abholung bereitstehen.
„Das Potenzial, die Welt zu retten“
Nachdem die Holzfensterbranche bei den Müllers nicht aus dem Staunen herauskam, gab es am zweiten Tag Balsam für die Holzseele durch Univ. Prof. Annette Hillebrandt von der Bergischen Universität Wuppertal und Timm Sassen von der Greyfield Group.
Prof. Hillebrandt bezog klar Stellung mit pointierten Aussagen wie „Mit Kunststofffenstern gefährden wir unsere Gesundheit“. Sie sagt auch, dass Holz als natürlicher Baustoff die Chance hat, ein klimapositiver Baustoff zu sein – wenn es nicht verbrannt wird. Womit sie bei der Kreislaufwirtschaft angelangt war und der Kunststofffensterbranche gleich die Wirksamkeit dieses Kreislaufs abspricht. „Hier verliert das Produkt nach jeder Nutzung an Qualität. Man muss beim Kunststoff also von Downcycling sprechen.“
Viel besser wäre es, ein Haus nach der Nutzung komplett zu verwerten, es quasi der Natur zu überlassen. Das gehe nur mit Holz und erst dann könne man von einem wirklich geschlossenen Kreislauf sprechen.
Aber auch die Produktionsverfahren der Holzfensterhersteller wurden kritisiert: „Die Schweizer bauen auch Fenster ohne Lack und Kunststoffbeschichtung – warum sollen Fenster nicht auch altern dürfen?“ Der Lack würde irgendwann abblättern und dann zu einer weiteren Verschmutzung unserer Umwelt mit Mikroplastik führen. Folgerichtig ist für sie das Holz-Aluminium-Fenster das sinnvollere Produkt, gerade weil die beiden sich in der Nutzung ergänzenden Materialien so leicht wieder getrennt werden können.
Zuletzt richtete sie ihren Blick auf die Glasindustrie. Sie rief dazu auf, diesen Lieferanten richtig Druck zu machen, „die Floatglasindustrie muss besser werden, ein Altglasanteil von unter 30 Prozent ist einfach viel zu wenig“.
Und sie schloss ihren Vortrag mit dem Eingeständnis, dass auch sie „Mist gebaut“ habe, als sie als Architektin mit viel Beton und Kunststoff geplant habe. Jetzt aber sei die Zeit reif für ein echtes Umdenken.
Auch Timm Sassen klopft den Fensterbauern auf die Schultern: „Sie haben das Potenzial, die Welt zu retten – wenn Sie beim Zahnpasta-Kongress wären, könnten Sie ein schönes Lächeln erzeugen, aber hier haben Sie weitreichendere Ziele.“
Er sagt aber auch: „Wir brauchen eigentlich keine neuen Fenster mehr – wir schauen, was wir erhalten können“. Es geht also darum, Bestehendes zu erhalten oder aufzuarbeiten. Und: Beim Recycling ist dem Greenwashing Tür und Tor geöffnet. Denn die CO2-Bilanz könne mitunter schlechter ausfallen als bei einem Neuprodukt.
Das Problem sei, dass es meist die „Lauten“ seien, die problematische Produkte im Angebot hätten und diese mit Scheinargumenten bewerben müssten. Die Botschaften beispielsweise der Holzfensterhersteller würden aber eher leiser – zu leise – formuliert.
Landesministerin Gorißen zu Gast
Dass Bauen mit Holz einfach, nachhaltig und umweltfreundlich ist, davon konnte sich auch Landesministerin Silke Gorißen auf dem 14. ProHolzfenster-Kongress ein Bild machen. Und dass die Verbandsarbeit des BPH auch in der Politik Gehör findet, davon konnte man sich in ihrem Grußwort überzeugen.
Den kommunikativen Abschluss bildete das neue Format der „Speakers Corner“ in Essen: Marko Prentzel (Schreinerei Prentzel Fensterbau), Sarah Nuffer (wipfler fenster + fassaden), Florian Kowalski (Kowa Holzbearbeitung), Lisa-Marie Beelitz (MB Brandschutz Tischlerei) und Stefan Appelhans (Sorpetaler Fensterbau) informierten über ihre eigenen Erfahrungen mit Lehrlingsmangel, Mitarbeiterbindung, Ökobilanzierung, Beschichtungstechnik und Verantwortungseigentum. Hier wurden einige interessante Aspekte vermittelt und gleich miteinander diskutiert.
Summa summarum: Wenn eine sehr lebendige Branche auf eine agile und kreative Verbandsspitze trifft, können nur ein toller Kongress und ein intensiver Austausch dabei herauskommen.