Insbesondere die letzten beiden Jahren waren von unglaublich hoher Nachfrage nach Fenstern, Haustüren, Sonnenschutzanlagen und Bauelementen im Allgemeinen gekennzeichnet. Zudem von extremen Preissteigerungen. Darüber hinaus bestimmten auch deutliche Materialverknappungen den Produzentenalltag, sodass gar nicht mehr der Preis, sondern die Lieferfähigkeit das Hauptverkaufsargument war. Hätte man vor der Pandemie behauptet, die Preise steigen so extrem und die Kunden würden diese ohne großen Widerhall akzeptieren, kaum jemand hätte daran geglaubt.
Vertrieb neu ausrichten
Die Außendienstmitarbeiter der meisten Verarbeiter haben sich in den letzten beiden Jahren nicht mehr großartig um Neukundenakquise gekümmert, sondern mehr um die Pflege und auch „Beruhigung“ der bestehenden Handelspartner. Zudem wurden die Reisetätigkeiten aufgrund der Corona-Restriktionen stark zurückgefahren, sodass die Vertriebsaußendienstler eher bestehende Händlerkunden im Fokus hatten – und immer noch haben. Schließlich ist Neukundenakquise per Telefon oder Videomeeting deutlich herausfordernder als über den persönlichen Kontakt.
Wurden die Chancen erkannt?
Nur ganz wenige Hersteller und deren Vertriebsmannschaft haben diese einmalige Chance erkannt. Denn gerade dann, wenn Handelskunden nicht von mehreren Außendienstlern verschiedener Verarbeiter wöchentlich besucht werden, ist der Wettbewerbsdruck deutlich geringer und damit die Chance für die Gewinnung neuer Händlerkunden deutlich größer. Sich auszuruhen auf vollen Auftragsbüchern wird für einige Marktteilnehmer zur strategischen Sackgasse.
Es werden in der Zukunft auch Händler aus dem Markt ausscheiden.
Denn wie wird sich die Händlerstruktur in den nächsten Jahren verändern? Etwa die Hälfte aller heutigen Händler werden keinen Nachfolger haben – mit dramatischen Auswirkungen auf das Einkaufsvolumen.
Viele Händler sind heute Mitte Fünfzig bis Mitte Sechzig und zählen damit zur absolut stärksten Bevölkerungsgruppe, den sogenannten Babyboomern. Wenn jedoch deren Kinder nicht in den elterlichen Betrieb eintreten wollen, weil sie keine Lust auf viel Arbeit haben und sich lieber selbst verwirklichen wollen, platzt für viele Inhaber der Traum vom Beraterhonorar, das man sich von seinem Nachwuchs als Rente hätte ausbezahlen lassen wollen.
Eine Führungskraft oder eine externe Person wird diesen Handelsbetrieb auch nicht übernehmen wollen, wenn
Die Folge: Dem Händler bleibt oft nur noch, den eigenen Laden abzuschließen.
Händler zukunftsweisend klassifizieren
Das bedeutet für Verarbeiter, seine eigenen Händler nicht nur nach Einkaufsvolumen zu klassifizieren, sondern einer allumfassenden Bewertung zu unterziehen: Neben der Bereitschaft, in Digitalisierung zu investieren, gilt es zu prüfen, ob die Nachfolgefrage geklärt ist und wie der Fachkräftebedarf befriedigt wird. Auch ist eine Analyse von Bedeutung, wie stark ein Händler im Neubau oder der Modernisierung tätig ist. Schließlich wird der Neubau unter Druck kommen, auch wenn er in den letzten Jahren geboomt hat.
Die Rahmenbedingungen ändern sich gerade gewaltig: Extreme Preissteigerungen, hohe Inflation, höhere Zinsen, Wegfall von KfW-Förderungen, sehr teure Grundstücke und eine Regierung, die den ökologischen Wandel nur noch in der Modernisierung sieht, etc. Der private Neubau wird für viele Endkunden nicht mehr erschwinglich sein. Die private Modernisierung wiederum wird an Bedeutung zunehmen, nicht nur weil das Geld in dieser Zielgruppe vorhanden und ideal in die eigenen Immobilie investiert ist, sondern weil auch enorme Förderprogramme von der Regierung aufgelegt werden, um den ökologischen Wandel zu meistern.
Händler aktiv fördern und unterstützen
Darum empfiehlt es sich, strategisch wie operativ für jeden Verarbeiter, seine eigenen Händler nach zukunftsrelevanten Kriterien zu bewerten, anhand derer sich A-, B- und C-Händler herausbilden. A-Händler und B+-Händler sind aktiv zu fördern und zu unterstützen. Dagegen sollte man sich von manchen C-Händlern verabschieden oder hier nur noch wenig Zeit investieren.
Stattdessen muss man sich gezielt und engagiert um das Neukundengeschäft kümmern. Denn eines steht fest, wer das Neukundengeschäft nicht aktiv angeht, wird in 5 bis spätestens 15 Jahren mit nur noch der Hälfte der heutigen Händler zusammenarbeiten.
Händlerkunden akquirieren und begeistern
Die bisherigen guten Möglichkeiten der Begegnung und Neukundenakquise über Messen sind seit einiger Zeit versiegt. Und auch Kundenevents fanden in den beiden letzten Pandemie-Jahren kaum mehr statt. Einige Hersteller erkennen aber das Bedürfnis nach Begegnung und Austausch und laden ihre Händler und potenzielle Neukunden wieder verstärkt zu Events, Fachtagungen oder Hausmessen ein. Sie gehen es aktiv an und intensivieren die Stammkunden-Partnerschaft. Gleichzeitig starten sie Vertriebsoffensiven, um neue Händlerkunden an sich zu binden, diese zu fördern und zu unterstützen und vor allem zu begeistern.
Für die Begeisterung der Händlerkunden sind neben dem Außendienst auch die Servicetechniker, die Fahrer und insbesondere auch der Innendienst verantwortlich, da Händlerkunden oft mit dem Innendienst mehr zu tun haben als mit dem Außendienst. Alle zusammen müssen gemeinsam im Team die eigene Marke nach außen zum Händlerkunden transportieren und vorleben.
Nur wer es schafft, seine Marke mit Allein- und Herausstellungsmerkmalen im Wettbewerb zu behaupten, wird Kunden und Fachkräfte gleichermaßen anziehen und nachhaltig binden – das gilt für Hersteller und Händler gleichermaßen.
Das steckt hinter „ROCK DEIN HANDWERK“
Armin Leinen ist Experte für gelebte Kundenbegeisterung und Markenentwicklung im Handwerk. Der Branchenexperte weckt in seinem Impulsvortrag „Rock Dein Handwerk – mehr Marke, mehr Fachkräfte, mehr Freiheit“ Händler auf, sich richtig im Markt zu positionieren und motiviert mit vielen praktischen Lösungen, wie Händler ihre Kunden-Marke herausstellen, mit einer ausgezeichneten Arbeitgeber-Marke Fachkräfte magisch anziehen und sich als attraktiver Betrieb für eine spätere Übergabe herausputzen.