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Interview mit Christoph Timm von SOM

„In Bezug auf CO2 haben wir in New York bald die härtesten Fassaden-Anforderungen der Welt“

Glaswelt – Die USA waren bis dato nicht dafür bekannt, dass dort – zumindest aus europäischer Sicht – die Anforderungen an die Energieverbräuche bei Gebäuden bzw. bei Fassaden extrem hoch sind. Das scheint sich gerade umzukehren, wie kommt das?

Christoph Timm – Hier spielt Bill de Blasio, der New Yorker Bürgermeister, eine entscheidende Rolle. Er treibt diese Entwicklung und Gesetzgebung seit einiger Zeit massiv voran. Sein Ziel ist es, den Energieverbrauch von Gebäuden massiv zu senken und Erneuerbare Energien zu pushen.

Glaswelt – Wird er das schaffen?

Timm – Ich denke ja, alle Zeichen sprechen dafür. Die große Zustimmung im New Yorker Stadtrat für die neue Gesetzgebung zeigt, dass seinen Aktivitäten eine breite politische Mehrheit zugrunde liegt. Und dass er es ernst meint, wird vor allem auch daraus ersichtlich, dass die Besitzer und die Gebäudebetreiber wirklich in die Pflicht genommen werden. Alle Gebäude ab einer Größe von über 2500 m2 müssen künftig den realen Energieverbrauch nachweisen. Was die Evaluierung des CO2-Ausstoßes angeht, sind keine Simulationen zugelassen, sondern es muss der reale Heiz- und Energieverbrauch nachgewiesen werden.

Glaswelt – Was bedeutet das für alte Fassaden bzw. für Bestandsgebäude?

Timm – Bauherren und Betreiber mussten bislang nur den Stromverbrauch ihrer Gebäude offenlegen. Das wird sich nun ändern und künftig muss jedweder Energieverbrauch angegeben und belegt werden. Anhand eines speziellen Berechnungs-Schlüssels wird dann daraus der CO2-Ausstoß ermittelt und mit den erlaubten Werten verglichen. Werden die vorgegebenen Werte nicht erreicht und sind keine Abschreibungen vorhanden, etwa bei einem Gebäude aus den 1960er-Jahren, kann dass schnell richtig teuer werden.

Glaswelt – Weshalb wird es dann teuer?

Timm – Liegt man über dem vorgegebenen Wert, muss man teuer bezahlen: Dann kostet es schnell etwa 10 Dollar pro m2/Jahr. Gerade bei Hochhäusern geht das schnell in die Hunderttausende und mehr. Hier rentiert sich auf alle Fälle eine neue Fassade, die sich dann in wenigen Jahren amortisiert. Die Fassade alleine wird übrigens diese Anforderungen nicht erfüllen können, auch die Haustechnik wird ihren Beitrag dazu leisten müssen, um eine wirkliche Reduzierung der CO2-Emissionen zu erreichen.

Glaswelt – Werden viele Gebäude diese steigenden Anforderungen erfüllen können?

Timm – Wir von SOM gehen davon aus, dass bei der Mehrzahl der hiesigen Gebäude über 2500 m2 nachgebessert werden muss. In New York gibt es noch viele Gebäude, auch Hochhäuser, die nur mit Einfachgläsern ausgestattet sind. Und bei denen mit Isoliergläsern in der Fassade wird das Gros ebenfalls die neuen Anforderungen nicht erfüllen können. Aus unserer Sicht sollte eine Fassade künftig mit 3-fach-Isolierglas ausgestattet sein, um die geforderten Werte zu erreichen. Die neue Gesetzgebung lässt noch einige Definitionen vermissen, Annahmen über die Entwicklungen im Energiesektor lassen aber relative genaue Schlüsse zu, ab wann sich eine neue Gebäudehülle lohnt. Hier kommen also die Besitzer/Betreiber unter Zugzwang, da es einen größeren Nachholbedarf gibt und damit auch einen entsprechenden Markt.

Glaswelt – Wird die Verschärfung für alle Gebäude in New York gelten?

Timm – Grundsätzlich ja. Allerdings gibt es eine Reihe an Ausnahmen, wie zum Beispiel öffentliche Bauten oder denkmalgeschützte Gebäude.

Glaswelt – Spielen regenerative Energien im Rahmen der Verschärfung eine Rolle?

Timm – Ja. Es wird wie gesagt einen Berechnungsschlüssel für die CO2-Immissionen geben, der auch berücksichtigt, welche Energien für den Stromverbrauch herangezogen werden. Setzen Bauherren und Investoren auf Windkraft oder Sonnenenergie, wird das positiv bewertet, anders als bei Strom aus Kohle oder Gas.

Glaswelt – Ab wann wird die neue Regelung in New York in Kraft treten?

Timm – Ab 2024 und ab 2025 müssen die Nachweise/Reports vorgelegt werden. Das neue Gesetz, welches übrigens „Local Law 97 of 2019“ heißt, sieht vor, dass alle fünf Jahre die Berechnungsprinzipien für den CO2-Ausstoß neu evaluiert werden und den neuen Rahmenbedingungen, z. B. Elektrizitätsmix im Netz (erneuerbar/nicht erneuerbare Energie), angepasst werden.

Glaswelt – Wie gehen Sie als großes Architekturbüro mit der Situation um?

Timm – Zum einen setzen wir auf zeitgemäße Fassadensysteme mit bevorzugten 3-fach-Isoliergläsern oder vielleicht in der Zukunft auch Vakuum-Isoliergläsern und des Weiteren setzen wir bei der Haustechnik auf elektrische Systeme oder zumindest elektrifizierbare Technik, weil wir damit rechnen, dass die Erneuerbaren Energien eine tragende Rolle spielen werden.

Glaswelt – Sehen Sie, dass das New Yorker Modell auch für Europa relevant werden könnte?

Timm – Das kann ich mir gut vorstellen. Vielleicht nicht 1 : 1, das Thema CO2 im Bau wird aber global eine immer wichtigere Rolle spielen – sei es nun in operativen Lasten beim Betreiben von Gebäuden oder aber auch beim sogenannten Embodied Carbon zur Herstellung von Baumaterialien oder Gebäuden. Der CO2-Ausstoß muss auf der ganzen Welt so schnell es geht reduziert werden, daran geht kein Weg mehr vorbei.

Das Interview führte Matthias Rehberger.

Tipp der Redaktion: Nehmen Sie am 5. Fachdialog Fassaden­planung am 26.03.2020 im Next Studio teil. ­Weitere Infos und die Anmeldung unter
www.next-studio.de.

Blick auf das Park Loggia in New York von SOM

Foto: SOM, Skidmore, Owings & Merrill

Blick auf das Park Loggia in New York von SOM