Glaswelt – Frau Rager-Frey, die Entwicklung der Magnet-Türdichtung von Alumat hat maßgeblich dazu beigetragen, dass niveaugleiche Übergänge zunehmend State of the Art sind. Hat die Fensterbranche verstanden, dass nur die Nullschwelle allen Gebäudenutzern unabhängig von Alter, etwaigen Mobilitäts- oder auch sonstigen Einschränkungen wirkliche Bewegungsfreiheit ermöglicht?
Claudia Rager-Frey – Ganz ehrlich: Es hat natürlich schon gedauert, bis sich diese Erkenntnis durchgesetzt hat. Und auch heute noch gibt es riesiges Potenzial. Aufhalten lassen wird sich das Thema aber nicht, auch wenn es nicht jeder Systemanbieter mit Blick auf das eigene Sortiment in gleicher Weise entschlossen vorantreibt. Am Ende überwiegen klar die Tatsachen – nämlich dass Nullschwellen für alle Beteiligten nur Vorteile mit sich bringen. Leider gibt es immer noch Bauvorschriften, die Schwellen zulassen – auch wenn diese immer mehr an den Rand gedrängt werden. Wir hoffen, dass auch die Politik den Weg zur Nullschwelle freimacht – im Interesse der Nutzer.
Glaswelt – Was entgegnen Sie, wenn auch heute noch als Argument gegen die Nullschwelle die höheren Kosten angeführt werden?
Claudia Rager-Frey – Dann gebe ich wahrheitsgemäß wieder, was mir voller Dankbarkeit eine Frau gesagt hat, die auf den Rollstuhl angewiesen ist. Wörtlich sagte sie: „Dank Ihrer Nullschwelle kann ich zum ersten Mal in meinem Leben selbstständig meine Terrasse benutzen.“ Und mir fällt die Betreiberin mehrerer Pflegeheime ein, die an den neu in Betrieb genommenen Standorten tatsächlich jeweils mehrere Tage probewohnt und dabei alles selbst ausprobiert – zum Beispiel im Rollstuhl über eine Bodenschwelle zu kommen. Ergebnis: Sie hat überall unsere Nullschwelle eingebaut. Dagegen wird vielfach immer noch unterschätzt, wie sehr niveaugleiche Übergänge zur Lebensqualität der Bewohner beitragen – und damit zwangsweise zum Wert einer barrierefrei gestalteten Immobilie. Mit dieser Erkenntnis sollte das Thema Kosten zur Nebensache werden.
Glaswelt – Die Assoziation beim Thema Nullschwelle bzw. Barrierefreiheit ist bis heute vielfach die gehbehinderte Person im Rollstuhl oder mit Rollator, die sich an einer 2 cm-Schwelle abmüht oder die eben problemlos die Nullschwelle überwindet. Ist das Thema Komfortzugewinn für alle durch die Nullschwelle noch nicht im Bewusstsein angekommen?
Christian Rager – Zumindest arbeiten wir daran. So setzen wir in unseren Veröffentlichungen bewusst auch professionelle Bilder von Kindern oder auch „Best Agern“ ein, die natürlich alle von niveaugleichen Übergängen profitieren. Aber wahrscheinlich ist es selbst bei den jungen Baufamilien, die sich mit Mitte 30 für eine schwellenlose Gestaltung der eigenen Immobilie entscheiden so, dass sie die Nutzung des Hauses im Alter eher im Blick haben als den Komfortzugewinn ab Tag eins ohne störende, partiell gefährliche Stolperfallen. Da haben wir wohl noch einen Weg zu gehen.
Glaswelt – Müsste es nicht eigentlich auch im Interesse von zum Beispiel Unfallversicherern sein, solche Lösungen zu fördern?
Christian Rager – Da bin ich Ihrer Meinung. Ich denke auch an die Krankenkassen. Abgesehen davon, dass jeder Mensch der stürzt, einer zu viel ist, muss man sich nur mal die Behandlungs- und Heilungskosten bei solchen Unfallpatienten vorstellen, die bei einer entsprechenden Investition wegfallen würden. Was wäre, wenn solche Bauherren, im Fall des Einsatzes von Nullschwellen, Beitragsvorteile bei ihren Unfallversicherungen bzw. Krankenkassen erhalten würden. Das wäre nur fair. Und: Ein solches Vorgehen würde für alle ausschließlich Vorteile generieren.
Glaswelt – Am Bau treffen unterschiedliche Interessen aufeinander. Wer profitiert denn wirklich, wenn niveaugleiche Übergänge geplant und ausgeführt werden?
Claudia Rager-Frey – Alle profitieren! Nehmen wir die Architekten: Die haben eine höhere Planungssicherheit, wenn sie sich nicht dem Risiko aussetzen, dass am Ende schon verputzt ist und sich ein Investor, dem Barrierefreiheit versprochen wurde, auf die Norm bezieht. Der Immobilieneigentümer selbst muss doch ganz klar ein Interesse an der Wertsteigerung haben, die mit einer barrierefreien Ausführung durch die Nullschwelle einhergeht. Und der Bauträger und auch der Fensterbauer bieten in ihren Märkten durch eine schwellenlose Gestaltung einen klaren Mehrwert an, differenzieren sich so in ihrem Wettbewerbsumfeld und können höherwertig anbieten. Alleinstellungsmerkmale
sind schließlich handfeste Marktchancen.
Glaswelt – Alumat ist konsequent mit allen Prüfzeugnissen und Zertifizierungen immer wieder geäußerten Befürchtungen hinsichtlich Wassereintritt oder Energieverlust entgegengetreten. Ist heute die vermeintlich aufwendigere Montage der Grund, dass sich manche Glaser- bzw. Fensterbaubetriebe unabhängig von den Nutzervorteilen noch immer mit Standardschwellen durchzumogeln versuchen?
Christian Rager – Vordergründig wird bis heute gerne mit höheren Kosten argumentiert. Nur: Die Rechnung müsste ja ganz anders aufgemacht werden, da hier zumeist weder die Risiken eingepreist sind, wenn nach entsprechenden Reklamationen nachträglich Elemente wieder zurückgebaut werden müssen; noch die Chancen, wenn ich potenziell mit meiner Gesamtleistung ganz andere Kundensegmente erreichen kann. Da wird sich bisweilen, wie Sie gesagt haben, lieber weiter durchgemogelt. Wenn freilich alle Komponenten in der Gleichung auftauchen, dann ist die Nullschwelle ganz klar die beste Lösung – aber nicht zwingend die teuerste.
Glaswelt – Dennoch hat sich auch was getan, seit herkömmliche 2 Zentimeter-Schwellen mit dem Siegel „barrierefrei“ beworben wurden. Worauf führen Sie das zurück und welche Schritte sollten nun folgen?
Claudia Rager-Frey – Nun, Alumat hat über zwei Jahrzehnte immer wieder darauf hingewiesen, dass zwei Zentimeter hohe Stolperfallen nichts mit Barrierefreiheit zu tun haben – auch wenn das nicht immer gut ankam. In dieser Zeit wurden Bauvorschriften in Teilen aktualisiert, schärfere Gesetze erlassen – und der demografische Wandel hat sein Übriges getan. Auch Entwicklungen von Marktbegleitern will ich nicht verschweigen, die durchaus gezeigt haben, dass das ein Thema für die ganze Branche ist. Schön wäre es im nächsten Schritt vor allem, wenn alle Bundesländer ihre Bauvorschriften dahingehend harmonisieren würden, dass niemand benachteiligt ist, weil es mancherorts immer noch Ausnahmen von der Nullschwelle gibt.
Glaswelt – Was erwarten Sie für ein Jahr 2023 – wo liegen die Ziele von Alumat?
Claudia Rager-Frey – Zunächst gilt es abzuwarten, wie der Markt auf Faktoren wie die steigenden Zinsen, höhere Baukosten, Facharbeitermangel usw. reagiert. Wir arbeiten beständig an der Weiterentwicklung unserer Produkte, gerade auch in Hinblick auf die Sanierung. In dem Zusammenhang werden wir auch mit unserem Auftritt auf der BAU in München, Halle B4, Stand 340, überraschen – mit einem für uns ganz neuen Preissegment beim Thema Haustürschwelle und einem speziellen Produkt für den Altbau. Ich verspreche, der Besuch am Stand lohnt sich.
Glaswelt – Immer wieder fallen Ihre Aktivitäten im Zusammenschluss mit anderen Fachfirmen auf oder mit gemeinsam absolvierten Prüfungen. Alumat scheint sehr partnerschaftlich zu agieren, oder?
Claudia Rager-Frey – Wir sind einfach überzeugt, dass wir gemeinsam mehr erreichen können. Leider standen wir über viele Jahre aber allein auf weiter Flur. Dies ändert sich nun und es freut uns, dass zunehmend namhafte Firmen auf Alumat zukommen. Aktuell veranstalten wir mit Triflex, Akotherm und Siga eine Reihe von sehr gut besuchten Events, auf denen sich Fachleute über die Themen Nullschwelle, Fensteranschluss und fachgerechte Abdichtung informieren. Als Nächstes freuen wir uns auf die Internationale Passivhaustagung vom 10. bis 12. März in Wiesbaden. Schließlich hat Alumat nicht nur die erste Nullschwelle auf den Markt gebracht. Wir haben auch 2018 die bis heute einzige vom Passivhaus Institut zertifizierte Lösung dieser Art vorgestellt. Darüber informieren wir gerne an unserem Stand auf der Passivhaustagung.
Glaswelt – Auch Ihre Fensterbaupartner lassen Sie nicht alleine. Welche Möglichkeiten bieten Sie, um sich für den Einbau der Nullschwelle zu qualifizieren? An wen wenden sich Fachleute, die Ihre Lösungen verbauen wollen?
Claudia Rager-Frey – Ein Fachmann ist problemlos in der Lage, unser Produkt fehlerfrei zu verbauen. Sollte er dabei Informationen benötigen, so wendet er sich ganz einfach direkt an uns. Dann klären wir gerne ab, wie wir ihm weiterhelfen können, ob wir ihm Muster schicken sollen, oder ob beispielsweise ein Musteranschlag beim Kunden gewünscht ist. Oft reicht es auch aus, unsere Montagevideos auf der Website anzusehen. Ganz ehrlich: Wir bekommen bis heute von Fachbetrieben, die anfänglich den vermeintlich höheren Montageaufwand scheuten, regelmäßig das Feedback: Das war tatsächlich viel einfacher, als wir das erwartet hatten.
Die Fragen stellte Reinhold Kober.
Mehr Informationen über die Haftungsgefahren, wenn man sich über Bauvorschriften in Bezug auf die Barrierefreiheit hinwegsetzt:
www.bit.ly/Barrierefrei_Haftungsgefahren