Glaswelt – Herr Struwe, was können aktuelle Scannersysteme heute alles leisten?
Erich Struwe – In den letzten Jahren hat die Technik einen wirklichen Schub nach vorne gemacht. Waren es früher Oberflächenbeschädigungen und Kratzer, die detektiert werden konnten, sind Scanner heute zudem in der Lage, die Glasmaße und die Planität der Scheibe sowie auch Verwerfungen zu prüfen. Dazu kommt das Erkennen von Anisotropien und White Haze – und das in Echtzeit.
Glaswelt – Warum ist die Echtzeit wichtig?
Struwe – Eine effektive Prozesskontrolle erfordert die sofortige Rückmeldung an den Bediener bzw. den Produktionsleiter, denn die Rückmeldung in Echtzeit versetzt den Bediener eines ESG-Ofens in die Lage, die Vorspann-Parameter sofort anzupassen, um Toleranzabweichungen, optischen Verzerrungen und Anisotropien vorzubeugen. Und das spart hohe Kosten, da Reklamationen und Produktionsausfälle vermieden werden.
Glaswelt – Und was passiert, wenn Verzerrungen im Glas beim Vorspannen nicht erkannt werden.
Struwe – Beim Vorspannen wird die Scheibe erhitzt und dann kontrolliert abgekühlt. Dies bewirkt immer einige physikalische Verzerrungen, man spricht auch von Abweichungen der Planität (Ebenheit). Ohne eine sofortige Anpassung der Prozesssteuerung und den Einsatz von Scannern, kann eine solche Verzerrung jedoch leicht ein Niveau erreichen, das später bemängelt wird. Bei hochwertigen Verbundgläsern ist die Planität der vorgespannten/teilvorgespannten Gläser entscheidend für das Endprodukt. Sind die verbauten ESG-Scheiben nicht sehr plan, addieren sich die Fehler und führen schnell zu starken optischen Beeinträchtigungen und Delaminierung der Laminate.
Die Verzerrungen stellen für den Produzenten eine Herausforderung dar, denn bei der visuellen Kontrolle werden sie häufig von den Mitarbeitern nicht erkannt und bleiben dann bis zur Montage unbemerkt. Und in diesen Fällen wird es teuer.
Glaswelt – Welche Vorteile bringt dann der Einsatz eines Scanners?
Struwe – Mit Scannern zur Qualitätskontrolle der vorgespannten/teilvorgespannten Gläser können Verarbeiter ihren Ausschuss deutlich senken bzw. ihre Ausbeute deutlich erhöhen. Zudem sind sie in der Lage, weitere Prozessoptimierungen bei der Weiterverarbeitung durchzuführen, z. B. die Verwendung von dünneren Zwischenlagen (VSG-Folien). Ein 100 %iges Messsystem/Scanner, das in Echtzeit die Resultate auf dem Bildschirm anzeigt, ist dann der Schlüssel, um qualitativ hochwertige Vorspannprodukte zu fertigen.
Glaswelt – Welche Anlagen hat LiteSentry im Programm?
Struwe – Für Glasverarbeiter bieten sich von LiteSentry (www.litesentry.com) u. a. das Osprey 9 Inspektions System bzw. das Osprey 9 Complete an. Letzteres misst durch den Einsatz von Graufeld-Polariskopkameras und mithilfe entsprechender Software-Aufbereitung neben der Planität und der Vielzahl von optischen Verzerrungen, White Haze, Roller Waves auch Anisotropien. Die Methodik und Ergebnisse sind in Übereinstimmung mit der neuen Norm ASTM C 1901-2021. Ein weiteres Inspektionssystem ist das Owl 3.
Glaswelt – Und was leistet der Owl 3?
Struwe – Das Owl 3 System wurde für automatisiertes Vorspannen und eine Vielfalt von unterschiedlichen Vorspannprozessen entwickelt, die in einen Chargen-Vorspannofen verarbeitet werden. Es handelt sich um ein berührungsloses optisches System, das die Glasdicke, die Art und Anzahl der Low-E-Beschichtungen, die Glasabmessungen und die Plattenpositionen misst, bevor die Glascharge in den Ofen einfährt.
Das Owl 3 System überträgt die Daten direkt an die Ofensteuerung, sodass der Ofen automatisch ein Rezept auswählt und das Wärmeprofil beim Vorspannen optimiert werden kann. Dadurch lassen sich die Zykluszeiten verkürzen, die Verzerrungen im Glas minimieren und die Planität der Scheiben optimieren.
Wird das Owl 3 mit einem Load Validator-System kombiniert, lassen sich Fehler beim Glas sowie bei der Ladung erkennen. In diesem Fall wird sofort der Scheibentransport alarmiert und die Ladung gestoppt, bevor sie in den Ofen einfährt
Das Interview führte Matthias Rehberger