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INSTITUTSLEITER PROF. JÖRN LASS

Die Digitalisierung in der Fensterbranche (II)

Im Kern bedeutet Digitalisierung nichts weiter als die Erstellung digitaler „Abbilder“ von physischen Objekten und Ereignissen sowie analoger Kommunikation (Sprache). Diese Daten lassen sich dann sammeln, speichern, analysieren und nutzen. Es werden Muster erkannt, für die dann Aktionen definiert und automatisiert ausgeführt werden. Dies ist im Vergleich zu menschlichen Handlungen konkurrenzlos schnell und günstig. Damit werden Daten zur wichtigen Grundlage für neue Geschäfte.

Es verwundert nicht, dass mächtige Online-Portale entstanden sind, die die physischen Ressourcen anderer nutzen und nur die Vermittlung von Angebot und Nachfrage organisieren (Uber, airbnb, Flixbus,Verivox, ebay u. v.m.). Sobald sich in einem Produktbereich ein Portal etabliert und durchsetzt, ändern sich die Regeln fundamental.

Fensterkauf ist Vertrauenssache

Die meisten Menschen bestellen Produkte und Dienstleistungen heute online. Der Kauf von langlebigen und komplexen Produkten wie Fenster und Türen ist für viele aber noch Vertrauenssache, und ein persönlicher Kontakt wird gewünscht. Wichtig ist dabei eine kompetente Beratung in Verbindung mit der Montage. Gerade der funktionale Zusammenhang von Montage und Bauelement sowie die Verfügbarkeit bei Reklamationen und Störungen ist ein entscheidendes Argument für den Kauf vor Ort. Deshalb haben Hersteller, Händler und Montagebetriebe mit persönlichem Kontakt zum Kunden gute Chancen gegen Online-Shops zu bestehen.

Dennoch etabliert sich der Kauf von Fenstern und Bauelementen über gute Online-Shops und macht dem klassischen Vertrieb starke Konkurrenz. Deshalb sind in den meisten Fensterbauprogrammen Web-Schnittstellen zu einem Online-Shop-System integriert, die von gewerblichen Kunden, Händlern oder Endkunden genutzt werden können.

Verändertes Kaufverhalten & Bewertungen

Bei allen Onlinekäufen wird das Kaufverhalten auch stark durch den einfachen Ablauf der Bestellung sowie durch Informations-, Vergleichs- und Bewertungsportale beeinflusst. Nach einer Studie von Splendid Research sind für 67 Prozent der Käufer Online-Bewertungen wichtig für die Information und für 64 Prozent beim Kauf eines Produktes. Je hochpreisiger das Produkt ist, desto ausgeprägter ist der Informationsbedarf. In der Fensterbranche sind die meisten Webseiten von Herstellern und Händlern aber noch weit von dem Niveau entfernt, das Kaufportale anderer Branchen oder Amazon bieten. Fensterhersteller und -händler, die in einen professionellen Online-Vertrieb investieren, können sich noch erfolgreich positionieren.

Planung & Prüfung

Der Bau- und Ausbaubereich ist durch eine individuelle Gestaltung geprägt, so dass es viele Schnittstellen, Informationsbrüche und arbeitsintensive Prozesse gibt. Die Effizienzpotenziale der Digitalisierung bei Arbeitsorganisation, Materiallogistik und der Montage werden auf 30 bis 50 Prozent geschätzt. Viele digitale Dienstleistungen zielen auf die Automatisierung der Schnittstellen und des Informationsflusses durch digitales Aufmaß, Ansteuerung der CNC-Maschinen sowie eine einfache Dokumentation der Fertigung und Montage.

Die Fensterbranche ist hier gut aufgestellt, leistungsfähige Softwareprogramme sind verfügbar. Mit Funktionen, vordefinierten ­Branchenstandards und normativen Vorgaben für Kunden und Objektmanagement, Fertigungsplanung und -steuerung, Materialwirtschaft, Versandlogistik, Montageplanung, webbasierter Händlersoftware und mobilen Lösungen lassen sich alle Prozesse im Fensterbau effizient bearbeiten.

Damit ist eine durchgängige Digitalisierung aller betrieblichen Prozesse möglich – vom Angebot bis zur Abnahme der fertig montierten Produkte. Die vollständige digitale Dokumentation aller Arbeitsschritte schafft jederzeit eine Transparenz über Kosten, Auslastung oder den Liefertermin.

Workflows bieten eine automatisierte Optimierung von Materialeinsatz, Logistik und der Auslastung von Maschinen und Personal. Diese „End-to-End-Digitalisierung“ bringt Prozess-Sicherheit in allen Bereichen.

Konstruktion & Prozessoptimierung

Gebäude und damit auch Fenster, Fassaden und Bauelemente werden in Deutschland und Westeuropa schon seit Jahrzehnten individuell gebaut und seit der flächendeckenden Verbreitung von PC-Programmen Ende der 1980er mit CAD-Programmen geplant. Cloud-Lösungen ermöglichen ein übergreifendes, ortsunabhängiges Arbeiten und erleichtern die Arbeit immer stärker durch die Verwendung von Bauteil-Datenbanken (BIM etc.).

Moderne Fensterbauprogramme enthalten CAD-Funktionen und ermöglichen eine durchgängige Nutzung der Konstruktionsdaten ohne Schnittstellen und Informationslücken. Mit 3D-Planungstools können geometrisch anspruchsvolle Fenster-/Fassadengeometrien konstruiert und gefertigt werden. Es können Standard-Profilsysteme oder individuelle Konstruktionsdetails genutzt werden, die dann immer wieder einsetzbar sind und sich den jeweiligen Abmessungen und Winkeln automatisch anpassen. Die Software kann 3D-Ansichten für die Präsentation (Augmented Reality) generieren sowie Fertigungsdaten mit Glas- und Profillisten sowie Zuschnittdaten erstellen, die direkt an eine CNC-Maschine übergeben werden können.

Fensterbauprogramme enthalten oft schon leistungsfähige CAD-Module für Planung, Konstruktion und Visualisierungen für Augmented Reality.

Foto: Klaes

Fensterbauprogramme enthalten oft schon leistungsfähige CAD-Module für Planung, Konstruktion und Visualisierungen für Augmented Reality.

Die Autoren

Prof. Jörn P. Lass
 ist ift-Institutsleiter und seit über 36 Jahren in der Fenster- und Fassadenbranche tätig. Als Glaser und Fensterbauer und Holzbauingenieur war er in leitenden Funktionen bei einem Systemgeber, Fenster- und Fassadenherstellern sowie 14 Jahre im ift Rosenheim in den Bereichen Forschung, Prüfung, Güteüberwachung, Normung und Zertifizierung tätig. Die letzten sechs Jahre leitete er als Professor an der TH Rosenheim die Studienrichtung „Gebäudehülle“ und ist seit 2020 als Institutsleiter wieder im ift Rosenheim.

Foto: ift Rosenheim

Jürgen Benitz-Wildenburg
leitet im ift Rosenheim den Bereich PR & Kommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit 34 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig.

Foto: ift Rosenheim