GW – Herr Schneider, um welches Fenster geht es?
Wolfgang Schneider – Die neue Fensterkonstruktion heißt bei uns Holzfenster Plus. Das ist ein Holzfenster mit einer Flügelschale aus Aluminium.
GW – Das Holzfenster Plus hatte aber nichts mit Ihrer Anlagenentscheidung zu tun, die 2022 umgesetzt wurde?
Wolfgang Schneider – Nein, unsere Werkzeug- und Systempartner sind erst im vergangenen Jahr mit der Idee an uns herangetreten, dieses neue Fenstersystem auf den Markt zu bringen.
Michael Hertle – So wie wir das Holzfenster mit Flügelverkleidung aus dem Mira-Programm vorstellen, ist es tatsächlich noch ganz neu. Wir werden es auf der Frontale zum ersten Mal einem breiten Publikum vorstellen.
GW – Sprechen wir hier von einem ganz neuen System?
Wolfgang Schneider – Das Fensterkonzept an sich ist nicht neu, das gab es in ähnlicher Form schon vor 25 Jahren. Wir haben das Konzept jetzt neu konzipiert …
Hertle – … und natürlich mit einigen technischen Weiterentwicklungen versehen und an die modernen Fräs- und Bearbeitungsanlagen mit CNC-Technik angepasst.
GW – Muss der Fensterbauer in ein neues Werkzeug investieren, um das Holzfenster mit Flügelverkleidung realisieren zu können?
Hertle – Es müssen ein paar Dinge angepasst werden, dies ist mit einem bestehenden Werkzeugkonzept gut machbar.
Wolfgang Schneider – Dem kann ich nur zustimmen: Die Umstellung hier im Haus war nicht besonders aufwendig. Wir konnten das neue Fensterkonzept sehr schnell mit unseren Bordmitteln umsetzen.
Bernd Jörg – Die Umstellung betrifft drei Komponenten: Das Werkzeug, die Software und das System. Je nach Werkzeugkonzept kann dies durch eine Erweiterung realisiert werden.
Raimund Drißner – Die Grundidee für das Holzfenster mit Flügelschale kam von mir im Austausch mit Gutmann. Mir ging es darum, dieses Profil mit einem normalen Werkzeug herstellen zu können. Das wollten wir auf dem Holzfenstertreffen von Oertli und Gutmann im letzten Jahr hier zeigen. Ich kenne die Firma Schneider seit Jahrzehnten und war mir sicher, dass wir für eine Umsetzung auf offene Ohren stoßen würden.
Jörg – Innovationen sind in der Holzfensterbranche eher selten – schließlich muss eine neue Konstruktion auch praxistauglich sein. Die Flügelschale ist ja schon vor 20 Jahren auf den Markt gekommen und wurde dann vom Markt nicht angenommen. Aber: Wir glauben, dass die Argumente für dieses Fenster jetzt weitaus überzeugender sind.
Drißner – Das fängt bei der Variabilität der Glasdicke an. Der Fensterbauer kann projektbezogen viel leichter auf unterschiedliche Glasdicken reagieren und dickere Gläser einsetzen. Beim normalen IV 68 ist bei 32 mm Schluss. Bei der Flügelschalenkonstruktion sind aber bis zu 44 mm möglich.
GW – Macht es überhaupt noch Sinn, auf ein 68 mm-System zu setzen?
Wolfgang Schneider – Natürlich! Gerade in der Sanierung braucht man noch schlanke Fensterkonstruktionen, wenn man sich zum Beispiel an alten Rollladenkästen orientieren muss. Und mit unserem Holzfenster Plus erreichen wir mit 0,95 W/(m²K) sogar so gute U-Werte, dass der Kunde dafür BAFA-Förderprogramme abrufen kann.
Drißner – Der Clou an dem System ist, dass die Glasleiste wegfällt, dadurch können deutlich bautiefe Gläser eingebaut werden und das geht auf der CNC-Anlage sehr schnell.
Hertle – Ein wichtiges Argument ist sicher auch die moderne Optik dieses Fensters.
Jörg – Es gibt viele moderne Häuser mit kantigem Antlitz – und das Holzfenster hat sich dieser Designentwicklung wenig angepasst, es sieht in der Innenansicht immer noch aus wie vor vielen Jahren. Das Holz-Aluminium-Fenster ist dagegen mit der Zeit gegangen, sieht top aus, passt viel besser zum Charakter moderner Gebäude – ist aber auf einem ganz anderen Preisniveau. Jetzt kommt das Holzfenster Plus ins Spiel: Die Optik ist topmodern, deutlich kubischer. Und preislich ist dieses Fenster ganz anders darstellbar.
GW – Herr Schneider, warum stellen Sie das Programm dann nicht komplett um und produzieren nur noch dieses Holzfenster Plus?
Wolfgang Schneider – Wir bieten dieses spezielle Holzfenster mit einem Aufschlag von fünf Prozent gegenüber einem Standard-Holzfenster an. Gleichzeitig müssen wir natürlich vielfältig sein, denn unsere Kunden wollen für jeden Einsatz das passende Fenster: vom Neubau bis zum Denkmalschutz. Aber wir fangen jetzt an, diese Plus-Variante zu vermarkten. Ich glaube, dass wir viele Planer und Architekten, die bisher auf das reine Holzfenster gesetzt haben, von diesem Produkt überzeugen können.
GW – Ein weiterer Vorteil ist doch die Trockenverglasung?
Jörg – Das ist richtig, vielen Betrieben geht aufgrund des Fachkräftemangels die Kompetenz in der Nassverglasung zunehmend verloren. Mit der Trockenverglasung ist dieses Problem vom Tisch.
Drißner – Hinzu kommt die vereinfachte Reparaturverglasung. Diese ist bei dieser Fensterkonstruktion sehr einfach zu handhaben, das kann jeder Fensterfachbetrieb vor Ort selbst machen.
Hertle – Ich möchte noch auf einen weiteren Vorteil hinweisen: Bisher wurden im seriellen Neubau, insbesondere im Holzbau, noch häufiger Kunststofffenster eingesetzt, weil ein Holzfenster die geforderten Anforderungen nicht erfüllen konnte und Holz-Alu vielleicht zu teuer war. Dieses Produkt kann diese Lücke hervorragend schließen und so kommt das Holzfenster zum Holzbau.
GW – Es geht also auch um die Substitution des Kunststofffensters?
Hertle – Genau. Zudem lässt sich durch die Flügelschale die Lebensdauer wesentlich steigern. 70 bis 80 Prozent der Holzoberfläche sind ja je nach Leibungssituation vor Witterungseinflüssen geschützt. Das zahlt auf den Aspekt Nachhaltigkeit ein. Jetzt kommt es auf den Farbton an, wie oft die sichtbaren Holzflächen gestrichen werden müssen.
Wolfgang Schneider – Bei der Beratung von Endkunden beginne ich immer mit der Farbfrage. Wenn es um ein neues Fenster in Anthrazit oder Schwarz geht, brauche ich über ein Holzfenster nicht mehr zu reden. Da kommt eigentlich nur die Alu-Vollverkleidung in Frage.
GW – Können Sie uns einen Einblick in die aktuellen Farbtrends geben?
Wolfgang Schneider – Der Trend zu grauen Fenstern nimmt langsam etwas ab. Mittlerweile werden wieder mehr hellere Fenster eingesetzt. Ich bin natürlich ein Verfechter des weißen Fensters – es ist am einfachsten zu verarbeiten und hält fast ewig.
Thomas Schneider – Zurück zum Holzfenster Plus: Die Argumente haben wir ja genannt, unsere Aufgabe ist es jetzt, den Fachhandel von diesem Konzept zu überzeugen. Wenn die Aufträge schon geschrieben sind, ist es zu spät – die Vorteile des Holzfenster Plus müssen frühzeitig im Verkaufsprozess platziert werden.
GW – Bitte noch ein Wort zum Thema Lieferzeiten. Muss der Händler hier aufgrund der Alu-Flügelschale mit einem Aufschlag rechnen?
Wolfgang Schneider – Unsere Lieferzeiten liegen derzeit sowohl im Holz- als auch im Holz-Alu-Bereich bei 5 bis 6 Wochen. Wir bekommen die pulverbeschichteten Profile von Gutmann geliefert und müssen diese nur noch ablängen und zusammenstanzen.
Hertle – Die Abläufe zwischen dem Hersteller und uns liegen weit unter den Produktionszeiten der Holzfenster. Deshalb ist der Aluminiumschalen-Einsatz kein Argument mehr für längere Lieferzeiten.
GW – Wie viele Holzfenster Plus haben Sie bereits verkauft? Welches Potenzial sehen Sie für die Zukunft?
Wolfgang Schneider – Wir sind gerade erst in die Vermarktung eingestiegen. Jetzt werden Angebote und Preislisten erstellt. Und ich bin sicher, dass die Nachfrage da sein wird. Aber wir selbst haben kaum direkten Zugriff auf die Nachfrage, weil wir mehr als 85 Prozent über den Fachhandel liefern. Wir müssen jetzt den Fachhandel überzeugen, wir werden unsere Fachpartner auch zu uns einladen und ihnen entsprechendes Werbematerial zur Verfügung stellen.
GW – Meine Herren, vielen Dank für das interessante Gespräch – ich wünsche dem Holzfenster Plus viel Erfolg und Oertli und Gutmann viel Erfolg bei der FRONTALE.
Das Gespräch führte Chefredakteur Daniel Mund.
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