Glaswelt – Wie sehen Sie nach etwas über einem halben Jahr in Amt und Würden die Branche? Welche Erwartungen haben Sie an die bevorstehende FENSTERBAU FRONTALE als Ihre erste große Messe?
Christian Steinberg – Ich bin persönlich seit 25 Jahren im baunahen Vertrieb tätig und so seit jeher mit dem Markt vertraut. Die Messe wird für mich die Möglichkeit sein, mir einen relativ kompletten Überblick über die Branchen Fenster/Fassade und Sonnenschutz verschaffen zu können und so meine ersten Erfahrungen der vergangenen Monate zu vertiefen. Besonders freue ich mich auf die persönlichen Gespräche mit unseren Partnern. Die Themen Smarthome, Energieeffizienz, CO2-Reduktion und Lichtmanagement finde ich hierbei äußerst interessant. Natürlich wollen wir als Warema nah am Kunden sein und unsere Produktneuheiten zeigen.
Glaswelt – Wo setzen Sie den Fokus für die Zukunft? Fensterbau oder R+S Handwerk?
Steinberg – Man kann es nicht in Prozenten ausdrücken, für uns sind beide gleich wichtige Zielgruppen. Das sollte auch unser Fokus in der Zukunft sein, um den Marktentwicklungen gerecht zu werden.
Glaswelt – Wie sieht Warema die Rückvermeisterung bei den Rollladen- und Sonnenschutztechnikern?
Steinberg – Allgemein gesprochen begrüßen wir die Rückvermeisterung sehr. Wir haben in der Branche komplexe Produkte mit vielen Funktionen und hohen Ansprüchen in der Montage, die eine gute und fundierte Ausbildung erfordern. Unsere Produkte sind nicht „Do it yourself“, es braucht Fachleute, Ausbildung und Know-how, und diese Punkte sind gewährleistet, wenn es eine Meisterpflicht in diesem Gewerk gibt. Die damalige Rückstufung in die Anlage B sehe ich auch als eine Geringschätzung unserer Branche.
Glaswelt – Betriebsnachfolge: Wie unterstützt Warema seine Fachpartner?
Steinberg – Ich finde es persönlich sehr schade, dass Handwerksbetriebe Probleme mit der Nachfolge haben. Das Handwerk ist ein attraktives Gewerk in dem übrigens gutes Geld zu verdienen ist. Denken wir 20 Jahre zurück und vergleichen denjenigen, der in die Bank gegangen ist mit dem, der einen Betrieb gegründet hat, so steht der Handwerker heute wesentlich besser da. Warema hat deshalb ein umfangreiches Schulungsprogramm für die Fachbetriebe und einen Lehrgang für Jungunternehmer, um unsere Partner maßgeblich unterstützen zu können.
Glaswelt – Trendthema Outdoor Living: Wir unterhalten uns während des Aufbaus auf der INTERGASTRA. Wie wichtig ist Ihnen das Thema Outdoor Living für Warema? Was sind hier die Strategien für die Zukunft?
Steinberg – Outdoor Living ist für uns ein sehr positives Schlagwort. Hier spielen Emotionen eine sehr starke Rolle, weil es um Lebensqualität im Freien geht. Es ist für uns ein Weg, um noch stärker in die Köpfe der Endverbraucher zu kommen und unsere Produkte positiv darzustellen. Hier bietet sich eine klasse Chance für die gesamte Sonnenschutzbranche.. Warema baut deshalb sein Outdoor Living Programm aus und startet dieses Jahr über Magazine und Social Media eine groß angelegte Kampagne Richtung Endverbraucher, um den Fachhandel zu unterstützen. Mit Produktkonfiguratoren oder Augmented Reality (Digitale Visualisierungen, Animationen, Videos) wollen wir den Endkunden begeistern und die generierten Leads dann an unsere Fachhändler weitergeben. Das bedeutet für beide Seiten eine direkte Win-win-Situation.
Glaswelt – Direkt-Vertrieb versus Fachhandel: Welche Rollen werden Caravita, Exterra und Wings Professional als Teil der Warema-Gruppe in der Zukunft spielen?
Steinberg – Klare Aussage: Wir sind fachhandelstreu und unsere klassische Schiene ist B2B. Exterra ist für den Bereich HORECA (Hotel, Gastronomie) zuständig, auch hier wird in erster Linie der Fachhandel mit einbezogen. Wenn der Fachhandel nicht aktiv werden will oder kann, finden wir alternative Wege, um die Projekte zu realisieren. Mit Caravita stehen wir zum Fachhandel und auch Wings präferiert trotz hoher Projektlastigkeit immer den Weg über unsere Fachhändler. Letztlich können wir es uns als Warema mit unseren Fachbetrieben nicht erlauben, Aufträge an Mitbewerber zu geben.
Glaswelt – Trendthema Smarthome: Digitalisierung ist ein Haupttreiber im Markt. Wie sieht es hier bei Warema zukünftig mit der Kompatibilität zu HomeKit, Google, Alexa & Co aus?
Steinberg – Das Thema Digitalisierung ist eines oder sogar das wichtigste Thema unserer Branche, denn erst damit werden unsere Produkte und dadurch auch Fenster und Fassaden richtig effektiv und energieeffizient. Auch die Tageslichtsteuerung hat einen mechanischen und einen digitalen Part, die gespielt werden müssen, um perfekt zu funktionieren. Wir werden auf der Messe unsere neue cloudbasierte Smarthome Lösung WMS WebControl pro zeigen, mit der, wenn gewünscht, von überall in der Welt auf das eigene Heim zugegriffen werden kann, um Sonnenschutz und Licht zu steuern. Auch Sprachsteuerung wird möglich sein. Wir werden das Thema Smarthome aber noch stärker umsetzen, entsprechende Entwicklungen sind am Start und auch Allianzen mit anderen Anbietern sind durchaus denkbar.
Glaswelt – Der Objektbereich wird von den Großen der Branche direkt abgewickelt. Wie setzt Warema die Projekte im Zeichen des Fachkräftemangels um?
Steinberg – Auf der einen Seite gibt es lediglich eine begrenzte Anzahl an Fachbetrieben, die so aufgestellt sind, dass sie große Projekte mit der erforderlichen Kapazität, Qualität und Kompetenz umsetzen können. Davon würden wir uns mehr wünschen. Auf der anderen Seite stehen heute Punkte wie Vorfinanzierung, zeitliche Verzögerungen bei Baufortschrift und in der Abwicklung, etc. Risiken, die die meisten Fachbetriebe bei großen Projekten nicht eingehen können oder sollten. Probleme bei der Abnahme können da schnell die Existenz eines Fachbetriebes ins Wanken bringen. Letztlich gilt es auch hier für uns als Warema Aufträge zu sichern und auszuführen, um den Umsatz positiv verbuchen zu können. So arbeiten wir hier gerne Hand in Hand mit kompetenten Fachbetrieben, agieren als direkter Partner und Mittler bei Vergabe und Ausführung und ermöglichen dem Fachhandel eine Beteiligung zu deutlich überschaubarem und somit für ihn begrenztem Risiko..
Glaswelt – Viele Unternehmen agieren mit fehlerhaften Angaben zu ihren technischen Produkten. Fehlende oder falsche CE-Kennzeichnungen, fehlende Systemstatiken etc. sind fast völlig normal. Wie geht Warema mit dem Thema um?
Steinberg – Wir haben ein sehr ausführliches Qualitätsmanagement im Unternehmen und dadurch klare Prozesse, wie Dinge umgesetzt werden müssen. Dazu gehört auch, soweit erforderlich, die Zusammenarbeit mit Behörden oder Regierungsstellen. Alle unsere Produkte verfügen so über erforderliche Kennzeichnungen und Montage-, Bedienungs- und Wartungsanleitungen. So befindet sich unser Fachpartner, mit dem Kauf und der Montage unserer Produkte, bei uns als Marktführer auf sicherem Boden.. Unerfreulicherweise bietet gerade das Internet Produkte an, die nicht im entferntesten diesen Vorgaben entsprechen. Deshalb wäre hier durchaus mehr Kontrolle durch die Marktaufsicht wünschenswert.
Glaswelt – In Polen erfolgte mit Anwis ein kontrollierter Zukauf. Wo werden die hier produzierten Güter zukünftig vertrieben? China boomt, Warema ist dort schon mehrere Jahre aktiv und produziert direkt im Land der Mitte. Gibt es weitere zukünftige Produktionsstätten in Europa oder dem Rest der Welt?
Steinberg – Anwis war ein strategischer Zukauf mit dem Hauptabsatzmarkt Polen und von dort in den osteuropäischen Raum. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Der chinesische Markt ist bereits seit mehr als 10 Jahren interessant für uns. Dort sind wir mit einer eigenen Gesellschaft und Produktionsstätte aktiv. Neu ist unser Showroom in Shanghai, hier präsentieren wir der stark wachsenden, zahlungskräftigen Bevölkerungsschicht unser Produktportfolio für den Outdoor Living Bereich. Wir sehen uns so weltweit gut aufgestellt, weitere Produktionsstätten sind bei uns momentan nicht geplant.
Glaswelt – Hand aufs Herz: Welche Produkte aus dem R+S Bereich hatten Sie schon vor Warema zu Hause installiert?
Steinberg – Offen gesagt, unser Sonnenschirm und innen liegender Sonnenschutz sind die einzigen Produkte, die ich vor meiner Zeit bei Warema mit Sonnenschutz in Verbindung gebracht habe. Natürlich kannte ich Rollläden, die ich jedoch nicht unbedingt als Sonnenschutz gesehen habe. Aber gerade das zeigt ja, dass wir noch viel stärker in die Köpfe der Endverbraucher gelangen müssen, um das Thema Sonnenschutz voranzubringen. Eine tolle Aufgabe, der ich mich sehr gerne stelle.
Das Interview führte GLASWELT Redakteur Olaf Vögele.