Glaswelt – Herr Brunbauer, wie geht und ging Lisec mit der Corona-Krise um, welche Maßnahmen haben Sie ergriffen und wo stehen Sie heute?
Gottfried Brunbauer – Als Erstes haben wir die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit von Mitarbeitern und Kunden zu gewährleisten. Parallel dazu haben wir die Arbeitsplätze angepasst, u. a. auf Homeoffice. Dazu kam die erweiterte Nutzung digitaler Medien für die interne Kommunikation sowie zum Kunden. Das hat sehr gut geklappt. In diesem Umfeld entstand auch die Idee für unsere virtuelle Messe, die wir vom 27. bis 30.10.2020 durchführen.
Bedingt durch Covid-19 sind nun ganz andere (digitale) Kundenkontakte akzeptiert als vor der Krise. Die erweiterte digitale Kommunikation bringt für unsere Gruppe eine Beschleunigung und vielfach eine Vereinfachung. Was das Geschäft angeht, sind wir praktisch wieder im Normalbetrieb. Die Anfragen unserer Kunden nehmen von Woche zu Woche zu. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir jetzt noch flexibler als bisher aufgestellt sind.
Glaswelt – Wohin entwickelt sich der Glasmarkt in 2020/2021?
Brunbauer – Hier muss man zwei Perspektiven betrachten – den Markt unserer Kunden und analog dazu ihren Bedarf, also unseren eigentlichen Markt. Die Stimmung aus den Kundengesprächen liest sich so, dass die Auswirkungen der Krise für die Glasverarbeiter zum Glück zeitlich begrenzt und überschaubar sind. Kurzfristig gab es keine allzu großen negativen Auswirkungen, u. a. aufgrund der Fertigstellung bestehender Projekte, verstärkter Aktivitäten im Privatbereich, und teils Investitionsförderungen der öffentlichen Hand. Generell sind die Kunden in ihren Investitionsentscheidungen vorsichtiger, manchmal fallen Entscheidungen aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen jedoch auch sehr rasch. Dann wird innerhalb von wenigen Tagen bestellt und die Maschine muss auch rasch geliefert werden.
Bei einer langfristigen Einschätzung bin ich vorsichtiger, da die Dauer der Einschränkungen infolge Corona und damit langfristige Auswirkungen auf die Stimmung und das Investitionsverhalten derzeit kaum abschätzbar sind.
Wir rechnen für 2021 noch mit einem etwas verhaltenen Markt, und ab 2022 mit einer Erholung, vielleicht auch mit Nachholeffekten
Glaswelt – Und wo sehen Sie beim Glas die Wachstumsmärkte?
Brunbauer – Technologisch sehen wir Wachstum gerade bei Sicherheits- und Verbundglas. Volumenmäßig sehen wir strategisches Potenzial in den klassischen Wachstumsregionen in Südamerika, Asien und Fernost, in diesen Märkten wird mittelfristig auch ein spürbares Wachstum des Floatglas-Marktes prognostiziert; eine spezielle Nische dabei ist der Markt für Display-Glas. Um diese Wachstumsmärkte zu adressieren, arbeiten wir an verschiedenen Neuentwicklungen, die schrittweise in der nächsten Zeit präsentiert werden.
Glaswelt – Welche Rolle spielen Europa und die DACH-Region für Lisec?
Brunbauer – Europa ist die wichtigste Region für uns. Dort erwirtschaften wir rund 55–60 Prozent des Auftragsvolumens bei Maschinen und Software. Dann kommen die USA (20 %) und Asien/Pazifik (20 %).
Zum Markt in Europa steuert die DACH-Region ungefähr ein Viertel bei, also etwa 10–15 Prozent des Gesamtabsatzvolumens. Wie Sie sehen, ist die DACH-Region ist für uns als Hersteller sehr wichtig
Glaswelt – Was gibt es Neues bei den Maschinen?
Brunbauer – Vieles (lacht). Wir sind ja wieder in das Laminieren mit eingestiegen und haben hier ein rundes Produktprogramm im Angebot. Generell sehen wir VSG, wie bereits erwähnt, als einen wachsenden Markt. Und mit unserer neuen Technik können die Glasverarbeiter nicht nur beim Laminieren, sondern auch beim Zuschnitt sehr kurze Taktzeiten erzielen, da wir u. a. mit unserem VSL-A einen VSG-Zuschnitt mit kurzer Taktzeit und vollautomatischer Funktion in alle drei Richtungen und bei kurzen Trennzeiten entwickelt haben.
Weiter haben wir unsere SplitFin, ein Kombi-Bearbeitungszentrum, das 50–60 % mehr Output gegenüber einem All-In-One Bearbeitungszentrum bringt. In diesem Segment wollen wir uns noch stärker positionieren. Interessant für ISO-Hersteller ist u. a. die Weiterentwicklung des TPA-Applikators.
Glaswelt – Können Sie bitte dazu noch Details nennen?
Brunbauer – Wie angesprochen, wird VSG für uns immer wichtiger. Hier haben wir für unsere neu entwickelten Laminieranlagen zwei wesentliche Features im Angebot: die Servo-Spindelpresse in der Rollenpresse und als Option das Speed-Assembling für den beschleunigten Scheibenverbund.Dazu kommt der VSL-A, ein vollautomatischer VSG Zuschnitt für hohe Produktivität, was u. a. durch eine Segmentheizung und minimale Randabschnitte möglich wird.
Glaswelt – Welche Rolle spielen zukünftig Roboter im Glasbetrieb?
Brunbauer – Hier richten wir einen Fokus auf das Roboter-Handling sowie generell auf die automatisierte Be- und Entladung von Anlagen. Das ist wichtig, da die Kunden ihre Produktivität steigern und die Fehlerrate sowie die Produktionskosten senken wollen. Zudem haben sie heute vielfach Probleme, gutes Personal zu finden. Hier sind Roboter eine Alternative. Gerade das Scheibenhandling am Rand der Prozesse kann von 6- bis 9 Achs-Robotern übernommen werden. Aktuell entwickeln wir dazu entsprechende Paketlösungen. Bei der Hardware ist Roboteranbieter Kuka ein wichtiger Partner für uns, der auch die ’Intelligenz’ bereit stellt, damit sich der Roboter bewegt und wir ihn ansteuern können, damit er optimal im Gesamtprozess läuft.
Glaswelt – Setzen Sie in Kundenprojekten bereits Roboter ein?
Brunbauer – Wenn Sie heute durch so mache Halle Seitenstetten kommen, werden Sie dort eine Reihe von Robotern im Rahmen von Kundenprojekten sehen. Hier geht es vor allem um die automatisierte Fertigung von Isolierglas. Weiter haben wir dazu verschiedene Neuheiten in Arbeit.
Glaswelt – Wie entwickelt sich die Sparte Maschinen-Instandsetzung?
Brunbauer – Das ist für uns eine interessantes Segment, das sich nach vorne entwickelt. Zum Beispiel gingen einige unserer Gebrauchtmaschinen auch nach Deutschland. Das ist vor allem für Verarbeiter interessant, die neue Marktfelder belegen wollen, jedoch nicht gleich in eine Neuanlage investieren mochten.
Mit den überholten Anlagen erhalten wir auch Zugang zu Märkten und Kundensegmenten, die mit Neumaschinen (noch) nicht erreichbar sind. Nehmen Sie z. B. Island, das ist ein reiner Gebrauchtmaschinen-Markt. Zudem gibt die Gebrauchtsparte uns Unterstützung beim Geschäft mit Neumaschinen, da wir die alten Anlagen der Kunden abnehmen können.
Generell kann ich sagen, dass wir das Geschäft mit Gebrauchtanlagen ausbauen werden. Dazu haben wir am Standort in Ungarn noch Kapazitäten.
Glaswelt – Die Digitalisierung ist ein wichtiges Thema für Glasverarbeiter, was bieten Sie hier an Lösungen und Produkten an?
Brunbauer – Das ist ein Thema, das uns intensiv beschäftigt, und hierfür haben wir interessante Lösungen im Angebot. Das Bewusstsein der Verarbeiter hinsichtlich der Wichtigkeit von Maschinendaten wächst stetig. Denn Daten helfen, die Produktion zu optimieren und schneller Fehler aufzuzeigen. Gleichzeitig lässt sich eine Optimierung und Re-Optimierung während des Produktionsprozess umsetzen. Ziel ist die Maximierung der Anlagenverfügbarkeit und die weitere Steigerung der Produktivität. Die Kunden wollen zudem flexible Programme mit flexiblen Oberflächen, um diese an ihre Bedürfnisse anpassen zu können. Zudem haben wir zusammen mit Microsoft eine Cloud-Plattform konzipiert. Auf Basis dieser intelligenten Datenbank kann der Verarbeiter vielfältige Analysen durchführen, er kann über eine Toolbox damit sein eigenes Dashboard etc. aufbauen. Aktuell binden wir bis zu 100 Pilotkunden an diese Lösung an, um diese Lösungen weiter auszubauen und zu optimieren, danach kommt dann der schrittweise Rollout.
Glaswelt – Was hält die Software-Sparte bereit?
Brunbauer – Zu unseren klassischen Softwaresystemen für die Produktion, die Materialwirtschaft und die Auftragsbearbeitung kommen nun neue, verbesserte Funktionen, wie Kapazitätsplanung oder Quality-Pass für die Dokumentation und Nachverfolgbarkeit von Prozessschritten. Weiter gibt es neue Apps, mit denen sich leicht kundenspezifische Anpassungen vornehmen lassen, wie Lisec.core als einheitliche Authentifikations-Plattform bzw. Apps wie Lisec.eye (Support) oder Lisec.docs. Diese Lösungen werden wiederum Rückwirkungen auf die klassischen ERP Lösungen haben. Weiter sind/wird die Reckverfolgung und die Routenplanung Teil unseres Angebots. Wir sind hier gerade kurz vor Abschluss.
Glaswelt – Was für ein Stellenwert fällt künftig dem Support zu?
Brunbauer – Unsere Kunden wollen möglichst flexibel produzieren können und müssen ihren Kunden gegenüber Liefertreue gewährleisten können. Das macht den Aftersales Support für uns zum wichtigen Thema. Eine Grundlage für unseren effizienten After Sales Support sind unsere zuverlässigen Maschinen mit einem robusten Anlagendesign, ihrer hohen Bediensicherheit und leichten Bedienbarkeit. Dies macht es dann auch einfacher, die Kunden via Online-Remote Support zu unterstützen. Bei dieser Art des Supports verwenden wir Systeme, mit denen wir trotz möglicher Sprachbarrieren schnell und zielgenau dem Verarbeiter helfen können.
Wie wichtig der Online-Support ist, hat sich auch in den letzten Monaten während der Corona-Krise gezeigt. Hier konnten wir unseren Kunden via Remote-Anbindung und via Lisec.eye gute Hilfestellung geben. Um den Support weiter zu verbessern, haben wir ein neues Leistungspaket für den Online-Service namens LiServ und das neue my.lisec Kundenportal gestaltet, welche wir unseren Kunden in Kürze vorstellen werden. Für die Ersatzteile organisieren wir gerade einen neuen Express-Ersatzteil-Support, denn eine sehr schneller Ersatzteilverfügbarkeit wird immer wichtiger.
Zudem werden gute aufgearbeitete Maschinendaten bald auch Vorhersagen erlauben, um mögliche Fehler frühzeitig zu erkennen und durch einer präventiven Instandhaltungsmaßnahme, einen Stopp oder Ausfall erst gar nicht zuzulassen.
Glaswelt – Mit dem Lisec.eye unterstützen Sie bereits Verarbeiter, werden solche Tools weiter ausgebaut?
Brunbauer – Ja, wir arbeiten daran, die Verarbeiter unter Nutzung der modernen Digital-Technologien noch besser zu unterstützen. Ein weiteres Beispiel ist das genannte IoT-Projekt, auf dessen Basis, wie vorhin angesprochen, z. B. vorbeugende Instandhaltungsarbeiten möglich werden, und zwar individuell für jeden Betrieb angepasst.
Glaswelt – Denken Sie, dass Glas das Material der Zukunft ist?
Brunbauer – Ja. Glas ist in vielen Bereichen ein wichtiger Werkstoff, weit über den Einsatz in der Fassade und im Interieur hinaus. In der Architektur wird der Werkstoff künftig aufgrund seiner wachsenden Funktionalität – Stichwort Smart Glass – sicherlich noch deutlich häufiger eingesetzt werden. Ich denke wir sind hier erst am Anfang einer Entwicklung.
Das Interview führte Matthias Rehberger