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Zur Blendwirkung von Glasfassaden

Glasfassaden müssen nicht blenden

_ Große Glasflächen in der Fassade sorgen für viel Licht im Gebäude, können aber auch Licht reflektieren und damit die Umgebung beeinflussen. Hierbei handelt es sich in der Regel nur um einen geringer Teil des Sonnenlichtes (in der Größenordnung von wenigen Prozent). Absolut gesehen können diese Reflexionen jedoch so stark sein, dass beim Menschen eine Blendwirkung eintritt. Wenn sich die Pupille des menschlichen Auges nicht weiter verkleinern kann und somit das Auge vom Licht überlastet wird, spricht man von Absolutblendung.

Die Folgen sind schmerzende Augen oder das Übersehen von anderen Objekten oder Lichtsignalen, was speziell im Straßenverkehr kritisch werden kann.

Glasfassaden sind meist vertikal, was den Vorteil hat, dass ihre Reflexionen mit dem gleichen Höhenwinkel nach unten weitergeleitet werden. Dadurch wird das Licht, das unweit der Glasfläche auf den Boden trifft, nicht in weite Entfernungen abgestrahlt und es treten Blendungen bei höheren Sonnenständen eher selten auf.

Dass große Glasfassaden tatsächlich zu starken Reflexionen führen können, wurde in London deutlich, wo eine Fassade wie ein Brennspiegel die einfallenden Lichtstrahlen fokussierte, was bei einem geparkten Auto den Spiegel und weitere Plastikteile zum schmelzen brachte. Und in Freiburg führte die Fassade der Universitätsbibliothek zu einer starken Blendung der Autofahrer, was die Verkehrssicherheit gefährdete. In beiden Fällen mussten Maßnahmen zur Beseitigung der Reflexionen getroffen werden, die relativ teuer waren, da sie erst nach Fertigstellung der Gebäude geplant und umgesetzt wurden.

Seit 2012 gibt es in Deutschland eine Richtlinie, namens „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz. Diese beschreibt die Problematik von Reflexionen von Photovoltaikanlagen. Weiter sind Immissionen im Bundesimmissionsschutzgesetz geregelt. Was viele nicht wissen: Der Bauherr kann trotz Vorliegen einer Baugenehmigung zur Beseitigung der Blendwirkung verpflichtet werden und muss, je nach Rechtslage, dafür die Kosten tragen.

So wird die Blendung beurteilt

Bei der Beurteilung der Blendung werden vom Gutachter verschiedene Parameter errechnet. Die Blenddauer ist das wichtigste Maß für eine potenzielle Störung von Anwohnern. Während kurze Blendungen zu tolerieren sind, ist eine längere Immissionsdauer (über 30 Minuten pro Tag, bzw. 30 Stunden pro Jahr) unzumutbar.

Für den Straßenverkehr spielt nicht so sehr die Dauer, sondern vor allem der Höhen- und Seitenwinkel, mit dem das Licht auf den Fahrer auftrifft, eine Rolle. Man geht hier davon aus, dass der Blick des Fahrers in Fahrtrichtung verläuft und Blendungen außerhalb des inneren Gesichtsfeldes irrelevant sind.

Der Zeitpunkt der Blendung, und damit der Stand der Sonne, kann bei der Bewertung wichtig sein. Wenn die Sonne aus einer ähnlichen Richtung (innerhalb 10°) blendet, ist die Reflexion, die meist viel schwächer ist als die Sonne, laut Richtlinie zu vernachlässigen.

Ein Blendgutachten wird in einigen Bauverfahren verlangt, wo kritische Reflexionen nicht auszuschließen sind. Die Baubehörde will in der Regel wissen, ob Anwohner belästigt werden könnten oder eine Gefahr für den Verkehr besteht.

Betroffen sind häufig Straßen oder Autobahnen neben hohen Bürogebäuden oder Einkaufszentren mit großen reflektierenden Glasfassaden. Steht dann die Fassade unglücklicherweise noch so, dass die Reflexionen von vorne auf Fahrzeuge treffen, können gefährliche Blendungen auftreten. Die Gefahr: Autofahrer nehmen die Bremslichter des vorderen Fahrzeugs nicht mehr oder nur verspätet wahr und es kommt zu Auffahrunfällen.

Weiter laufen Lokführer in Gefahr Lichtsignale zu übersehen, wenn dahinter eine Reflexion auftritt. Für den Flugverkehr können Blendungen, z. B. durch große Glasdächer oder Solaranlagen, in Flughafennähe gefährlich werden.

Bei einem konkreten Projekt in der Ortschaft Mondsee (Oberösterreich) wurde ein bestehendes Gebäude renoviert und mit einer umlaufenden Glasfassade beplant. Da die Autobahn A1 direkt daran vorbeiführt, war im Bauverfahren ein Blendgutachten erforderlich. Kritisch waren hier zudem die Auf- und Abfahrten, die sich in einer Schleife von 270° drehen, sodass die Fahrer an bestimmten Stellen frontal auf die Glasfassade blicken. Wie sich herausstellte, treten zu bestimmten Jahreszeiten, in den Morgenstunden, Reflexionen in Richtung der Autobahn auf.

Die Beschränkung möglicher Blendungen auf einen kurzen Bereich ohne Gegenverkehr, bei gleichzeitiger großer Distanz von der Glasfassade, war auf den Auffahrten vorteilhaft. Weiter führten diverse örtliche Gegebenheiten zur Abminderung der Blendwirkung. Der seitlich große Einfallswinkel auf der Autobahn wurde als unkritisch für die Fahrzeuglenker bewertet. So konnte das Gutachten zeigen, dass potenzielle Blend-Gefahren durch die Glasfassade gering sind.

Wenn sich der Nachbar gestört fühlt

In zivilrechtlichen Verfahren, also wenn sich ein Nachbar durch die Blendung gestört fühlt, wird ein Gutachter zum Nachweis und zur Beurteilung dieser Belästigungen bestellt. Hier ist vor allem die Immissionsdauer relevant, weil man davon ausgeht, dass es dem Menschen zumutbar ist, sich für einen kurzen Zeitraum vor Blendung zu schützen oder sich von ihr abzuwenden.

Interessanterweise ist es für Menschen, die nur gelegentlich Blendungen ausgesetzt sind, oft nicht nachvollziehbar, warum Licht überhaupt stören könnte. Das ändert sich in der Regel, wenn das eigene Wohnzimmer über einen längeren Zeitraum betroffen ist. Das Blendgutachten soll in diesem Fall die subjektiven Empfindungen der Parteien, ob eine Blendung nun stört oder nicht, durch objektive Fakten ersetzen.

Lässt sich Blendung planen?

Kann bei Solaranlagen die Neigung geändert werden, müssen bei Fassaden prinzipiell die Lichtstrahlen unterbrochen werden. In den meisten Fällen findet sich irgendein Sonnenstand, bei dem bei Glasfassaden eine Reflexion auftreten kann. Die Frage ist nur, wie störend oder gefährlich sind diese Reflexionen. Entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung hängen von der konkreten Fassaden-Geometrie ab.

Dies kann je nach Sonnenstand zum Blendzeitpunkt mit horizontalen oder vertikalen Lamellen erfolgen, wie dies in London geschehen ist. Auch die (Teil-)Abdeckung der Glasflächen wurde schon als Lösung umgesetzt, wie in Freiburg. In vereinzelten Fällen werden auch blickdichte Zäune oder Wälle errichten, um die Reflexionen in Richtung Immissionspunkt zu unterbrechen.

Da der Glasflächenanteil bei Gebäuden ständig steigt, wird auch Blendung durch Reflexion ein Thema, das immer mehr Beachtung findet. Während die Blendung von Solaranlagen schon häufig in Bauverfahren beurteilt wird, gibt es für Glasfassaden kaum Erfahrungswerte. Deshalb betrachten Bauherren, Architekten und Behörden eine Blendgefahr übertrieben oder gar nicht.

Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit von Blendungen ist es wichtig, sich auf Fakten zu stützen. Die Blendberechnung erlaubt die objektive Erhebung dieser Fakten, ebenso die Blenddauer und die Winkel der Lichtstrahlen. Je eher die zu erwartenden Auswirkungen von Reflexionen bekannt sind, desto besser lassen sich effektive und kostengünstige Abhilfemaßnahmen finden.—

Blendgutachten Für Fassaden

Ein Blendgutachten wird auf Basis des Standorts und der Ausrichtung der Fassade sowie der Immissionspunkte erstellt. Auch die Sichtbeziehungen zur Reflexionsfläche sind wesentlich für die Beurteilung, denn diese könnten durch andere Bauwerke eingeschränkt werden. Sind diese Daten aufgenommen, werden nun alle mit dem Sonnenverlauf möglichen Blendzeitpunkte errechnet.

Dabei ist jener Sonnenverlauf heranzuziehen, der auch wirklich auftreten kann. Dieser ist nicht nur vom jeweiligen Längen- und Breitengrad abhängig, sondern auch vom Horizont. Aus den berechneten Blendzeitpunkten lassen sich die Blenddauer und die Winkel des Lichtes ableiten. Letztendlich wird im Gutachten noch die Relevanz der Blendungen für jeden Immissionspunkt beurteilt.

Der Autor

Jakob Zehndorfer ist Ingenieur der Elektrotechnik und Sachverständiger für Blendgutachten. Er hat u. a. Blendgutachten für Glasfassaden, Flughäfen, Autobahnen, die Bahn in Deutschland und Österreich erstellt. Zudem steht er dem Planungsbüro Zehndorfer Engineering vor.

www.zehndorfer.at

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