Die erste Frage lautet in diesem Kontext sicherlich, welche Unterlagen der Fachhändler gegenüber den nationalen Behörden oder in Gerichtsverfahren oder sonstigen Streitfällen beibringen muss, denn schließlich geht er ein Vertragsverhältnis mit dem Endverbraucher ein. Die Antwort hierauf scheint aber recht simpel zu sein, denn er braucht hier nur die Leistungserklärung sowie die Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen (vgl. Art. 14 Abs. 2, Abs. 5 EU-BauPVO) nachweisen zu können. Also alles sauber an den Kunden übergeben, quittieren lassen und man ist raus aus dem Schneider. Jetzt kommen wir zu dem berühmten aber: Trifft Vorgenanntes z. B. bei fertigen Markisen und Vorbaurollläden etc. vom Vorlieferanten zu, so wird es beim Verkauf von Fertigrollläden (Montage in vorhandene Führungsschienen) bedeutend schwieriger und umfangreicher. Hier gibt es kein CE-Zeichen und keine Leistungserklärung vom Vorlieferanten, denn der Fachhändler wird mit dem Zusammenfügen von Panzer und Führungsschienen selbst zum Hersteller und ist selbst dafür verantwortlich, die erforderlichen Unterlagen zu erstellen. Fachhändler, bei denen dieser oder ähnliche Fälle zur täglichen Arbeit gehören, sollten also genauestens weiterlesen, um zu wissen, was zu tun ist.
Der Hersteller muss liefern
Die Hersteller müssen der zuständigen nationalen Behörde auf deren begründetes Verlangen die erforderlichen Informationen und Unterlagen aushändigen. Bereits das Verlangen ist eine eindeutige Aufforderung zur Herausgabe von den entsprechenden Unterlagen. Begründet ist das Verlangen, wenn die Behörde glaubhaft ausführen kann, warum die Unterlagen für die Zwecke der Durchführung ihrer Tätigkeit erforderlich sind. Im Falle der aktiven Marktüberwachung durch Stichprobenkontrollen von Bauprodukten reicht für die Begründung der Hinweis auf eine beim Wirtschaftsakteur bereits vorgenommene Stichprobe. Das kann auch eine Anzeige eines Mitbewerbes bei der Marktaufsicht sein. Unerlässlich für die Durchführung der Marktüberwachung sind neben der CE-Kennzeichnung und der Leistungserklärung die Unterlagen über die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit, sodass es für deren Vorlage keiner vertieften Begründung durch die Behörde bedarf. Der Hersteller unterliegt somit einer Herausgabepflicht, die sich auf alle Informationen und Unterlagen bezieht, die für den Nachweis der Konformität des Bauprodukts mit der Leistungserklärung und der Einhaltung sonstiger Anforderungen nach EU-BauPVO erforderlich sind. Dies umfasst insbesondere die technische Dokumentation, Leistungserklärung, Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen, ggf. die Bescheinigung der Leistungsbeständigkeit oder die Bescheinigung der Konformität der werkseigenen Produktionskontrolle und die Prüfberichte für die Erstprüfung (vgl. Art. 11 Abs. 8 EU-BauPVO). Hinsichtlich der Herausgabe von Unterlagen müssen die Marktüberwachungsbehörden erforderlichenfalls die Vertraulichkeit zum Schutz von Betriebsgeheimnissen oder personenbezogenen Daten (vgl. 19 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 765/2008) wahren.
So mancher stiftet Verwirrung
Im Rahmen der CE-Kennzeichnung dürfen keine Angaben gemacht werden, die nicht zu einem in der harmonisierten technischen Spezifikation für den Verwendungszweck festgelegten wesentlichen Merkmal gehören. Art. 9 Abs. 2 EU-BauPVO legt fest, welche Angaben hinter der CE-Kennzeichnung anzuführen sind. Zu diesen Angaben gehört u. a. die in der Leistungserklärung für wesentliche Merkmale erklärte Leistung nach Stufe oder Klasse. Das Anbringen von Angaben, die nicht zu einem in der harmonisierten technischen Spezifikation für den Verwendungszweck festgelegten wesentlichen Merkmal gehören, könnte die Verwender des Bauprodukts täuschen. Erfolgen solche Angaben außerhalb der CE-Kennzeichnung, dürfen diese nicht zu einer Irreführung der Verwender über die Bedeutung der CE-Kennzeichnung führen, insbesondere dürfen sie dann den geforderten Angaben nicht widersprechen. Zusätzliche Leistungsangaben wie z. B. Schneelast und Einsatztabellen etc. haben also nichts in der Leistungserklärung zu suchen.
Was hat Vorrang bei Widersprüchen?
Auch wie Widersprüche zwischen den Festlegungen zur CE-Kennzeichnung im Anhang ZA einer harmonisierten Norm und den Anforderungen an die CE-Kennzeichnung zu lösen sind, ist klar geregelt. Ergibt sich ein Widerspruch zwischen Anhang ZA und den gesetzlichen Vorschriften der EU-BauPVO oder der Verordnung (EG) Nr. 765/2008, ist dieser rechtlich zugunsten der gesetzlichen Vorschriften zu lösen. Harmonisierte Normen sind Teil des Unionsrechts (s. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Oktober 2016 in der Rechtssache EuGH C-613/14 James Elliott) und bindend; ihnen kommt jedoch nicht der Rang einer gesetzlichen Vorschrift zu. Die Anforderungen an die CE-Kennzeichnung ergeben sich direkt aus den gesetzlichen Vorschriften (vgl. Art. 8 Abs. 1 EU-BauPVO i. V. m. Art. 30 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und Art. 9 EU-BauPVO). Ober sticht hier also Unter. Fest steht damit, dass keine pauschale Handlungsempfehlung erstellt werden, weil jeder Fall für sich geprüft werden muss.