Das Zusammenleben der Zukunft ist, laut Wolfram Putz, Gründer und CEO von Graft in Berlin, Los Angeles und Peking, eine Gestaltungsaufgabe der ganzen Gesellschaft, „etwas, das wir zusammen erfinden können, machen wollen und auch machen müssen.“ Zukunftsparameter gemeinsamer Herausforderungen für die Architektur seien unter anderem, vor allem im urbanen Raum, die steigende Verdichtung im Zuge des globalen Bevölkerungswachstums. Weitere wichtige Problemstellungen seien neue Formen des öffentlichen und des Individualverkehrs, die steigende Vernetzung, Neuerungen bei der Energieversorgung sowie nicht zuletzt die steigenden Anforderungen durch die dem Klimawandel unterliegende Natur.
Digitalisierung bietet uns eine riesige Chance
Dr. Alexander Rieck, Gründer, Partner und Direktor des internationalen Architekturbüros LAVA und Senior Researcher am Fraunhofer-Institut Stuttgart, forderte von der Architektur eine radikale Herangehensweise an Langfristthemen wie Dekarbonisierung, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Demoskopie. So sei das Thema Fachkräftemangel bereits vor 20 Jahren prognostiziert worden – nun stehe man scheinbar plötzlich davor. „Die Digitalisierung bietet uns eine riesige Chance. Da die Digitalisierung kein Selbstzweck sein könne, stellt sich die Frage nach den Gründen dieser digitalen Renaissance. In mancher Hinsicht hilft uns die Digitalisierung nicht weiter. Wie sieht das Leben in der Zukunft ohne Menschen, die uns versorgen, aus?“ Die Umsetzung von Nachhaltigkeit, Energiespeicherung und Wiederverwendung zeige sich beim Projekt Neom in Saudi-Arabien. „Dort soll sich ein Stadtteil wieder zu einer Savanne entwickeln, wovon 98 % als Naturschutzpark bewahrt wird. Zwei Prozent werden zum Siedlungsbereich.“ Als experimentelles Projekt stelle Neom ein geschlossenes System dar, das Erkenntnisse über die Möglichkeiten kompletter Wiederverwertungskreisläufe von Sauerstoff, CO² und Wasser liefern solle. „Wir müssen uns global, mit allem Wissen, das wir haben, weltweit die Zukunftsstätte errichten.“
Die Differenz zwischen „Life“ und „Work“
Mit der Rolle von Bits und Bytes in der zukünftigen Arbeitsgesellschaft befasste sich der Beitrag von Richard David Precht. Er bezeichnete die Gegenwart als „Beginn des zweiten Maschinenzeitalters“, in dem die Technik immer mehr traditionelle Arbeitsbereiche des menschlichen Geistes übernehme. Während sich Arbeitszeit insgesamt nach und nach reduziere, stelle sich der Mensch immer häufiger die Frage nach dem „guten Leben“, nach dem Sinn seiner Arbeit und nach ihrer Einbettung in unser Leben. Dabei werde hinsichtlich der Work-Life-Balance in unserer Sinngesellschaft die Differenz zwischen „Life“ und „Work“ immer kleiner. Während laut Oxford-Studie von 2012 in den nächsten 20 Jahren bis zu 49 Prozent der zu diesem Zeitpunkt in den USA existierenden Arbeitsverhältnisse dank Digitalisierung allmählich entfallen sollten, steige neben dem Bedarf an IT-Fachkräften insbesondere die Bedeutung von „Empathieberufen“ sowie die des Handwerks. In Deutschland sei vor allem die Kombination von Kreativität und praktischer Intelligenz eine große Stärke. Statt geistiger Routinearbeiten – „labor“, die künftig von Rechnern und Robotern geleistet werde – sei „work“, die von menschlicher Kreativität und Empathie lebe, stärker gefragt. Notwendig werde in einigen Jahren eine Trennung der sozialen Sicherungssysteme vom Faktor Arbeit: „Wir werden in zehn Jahren über verschiedene Modelle von Grundeinkommen nachdenken“, prognostizierte Precht.
In der darauffolgenden Diskussionsrunde zwischen den genannten Referenten standen Themen der Digitalisierung, Künstlichen Intelligenz, des partizipativen Bauens sowie der Sinngesellschaft und wie die Architektur darauf reagieren müsse, im Vordergrund. Die Beteiligung und die Auseinandersetzung mit dem Nutzer und dessen Prozessen seien in der Architektur sehr wichtig und interessant. Insbesondere im Antizipieren des Wohlbefindens in einem Gebäude ist bei einem Entwurf von essenzieller Bedeutung.