Glaswelt – Herr Bittis, wo sehen Sie die größte Veränderung durch die voranschreitende Digitalisierung für die Branche?
Andreas Bittis – Die Digitalisierung bringt insgesamt eine höhere Transparenz in alle Abläufe. Von der Kundenanfrage und Auftragserfassung über die Produktion bis hin zur Auslieferung sind alle Schritte, die ein Produkt durchläuft nachvollziehbar, und zwar in Echtzeit – und das beschreibt erst einmal „nur“ den Prozess aus Sicht des Verarbeiters. Investoren und Bauherren, Architekten und Fachplaner oder auch Generalunternehmer haben da noch andere Anforderungen oder Auffassungen an eine „Transparenz der Abläufe“. Dabei sind alle Beteiligten, inklusive der Endkunden, heute kompetenter und besser informiert.
Glaswelt – Bitte erläutern Sie das näher.
Bittis – Das beginnt beim Endkunden, der sich heute in der Regel vorab im Internet informiert, bevor er überhaupt eine Anfrage an einen Verkäufer, Handwerker oder Planer stellt. Diese schnelle Art der Informationsbeschaffung, oft über das Smartphone, gab es früher nicht. Wenn der Kunde dann seine Anfrage an den Handwerker schickt, ebenfalls über sein Smartphone, dann erwartet er auch zügig eine Antwort bzw. ein Angebot. Und damit sind wir bei der zweiten großen Veränderung: Es muss schnell gehen. Der Kunde will nicht lange auf eine Antwort warten, sonst fragt er den nächsten Anbieter. Diese Zeitbeschleunigung setzt natürlich die möglichen Auftragnehmer unter Druck. Darüber hinaus ist es natürlich ohne großen Mehraufwand einfach, zeitgleich mehrere Angebote einzuholen. Das fordert natürlich mehr als früher.
Glaswelt – Was bedeutet das für die Beratung?
Bittis – Handel und Handwerk müssen heute den Kunden ganz anders, umfassender beraten und informieren als früher. Es braucht fundierte Argumente, da ja der Kunde ein Vorwissen mitbringt. Gleichzeitig wollen die Leute vorab sehen, was sie genau bekommen, am besten in 3D oder als digitale Simulation oder auch mittels digitaler Datenbrille im virtuellem Raum. Auch hier macht der das Rennen, der solchen Kundenwünschen entgegenkommt – schauen Sie sich an, wie schon heute private Immobilien angepriesen und verkauft werden oder im Baumarkt mit Apps und online Tools dem Kunden die Sicherheit vermittelt wird, dass seine Vorstellung später auch umgesetzt werden kann.
Glaswelt – Was ist noch wichtig?
Bittis – Heute geht es in keinem Bereich mehr ohne Software, die uns unterstützt. Die Software macht uns heute überhaupt erst geschäftstüchtig und zwar in der Kundenansprache, ebenso wie in der Auftragserfassung, im Fertigungsprozess und bei der Auslieferung. Das gilt für den kleinen Handwerker ebenso, wie den mittelständischen Fenster- oder Fassadenbauer oder die international tätige Glasindustrie. Die Software-Anbieter haben auch für unsere Branche vielfältige Produkte im Angebot – wenn wir sie nicht selber entwickeln müssen.
Glaswelt – Wenn es eine solche Vielfalt gibt, wie findet der Verarbeiter dann die passenden Tools?
Bittis – Bevor ein Handwerker sich die passenden digitalen Tools und Werkzeuge anschafft, muss er genau überlegen, was er überhaupt im Detail anbieten will und in welcher Form. Hier sind wir wieder bei der Transparenz: Man muss viel früher als bisher entscheiden, was am Ende einer Prozesskette herauskommen soll bzw. was genau er an Produkten anbieten will, denn das beeinflusst den kompletten Fertigungsprozess, inklusive aller vernetzten/eingebundenen Zulieferer. Und genau deshalb ist das auch für Handwerker relevant. Wenn ich genau weiß, was ich brauche, kann ich ganz anders den Softwaremarkt angehen und auch fordern.
Glaswelt – Welche Vorteile sehen Sie hierdurch?
Bittis – Das führt zu einer viel engeren Kooperation zwischen Handwerker, Planer und Industrie. Gleichzeitig lassen sich dadurch Produkte schneller und vor allem besser fertigen. Selbst die Losgröße 1 lässt sich nun wirtschaftlicher fertigen. Mit dieser besseren Qualität können Handwerker wiederum bei ihren Kunden punkten.
Das Interview führte Matthias Rehberger.