GW – Aus-/Weiterbildungsangebote der HWK Köln sind sehr umfangreich. Welche Rolle spielen da ausbildungsvorbereitende Instrumente?
Hans-Peter Wollseifer – Es ist wichtig, junge Menschen auf das Handwerk und die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten in unseren Gewerken aufmerksam zu machen. Wir wollen zeigen, dass das Studium nicht der einzige Weg in eine erfolgreiche berufliche Zukunft ist und dass in 130 Ausbildungsberufen im Handwerk alle ihren Platz finden. Am besten gelingt das durch Reichweite. Wir versuchen potenzielle Auszubildende über unsere Social-Media-Kanäle und eigene Plakatkampagnen zu erreichen, veranstalten Schulhof-Tourneen, bei denen wir zusammen mit Ausbildungsbotschaftern aktiv in Schulen für das Handwerk werben. Die Handwerksausbildungsmesse im Mai mit 70 Betrieben und über 1.000 interessierten Besuchern war ein voller Erfolg.
GW – Wie funktioniert da die Zusammenarbeit mit Kreishandwerkerschaften und Innungen?
Wollseifer – Die Messe haben wir zusammen mit unseren Kreishandwerkerschaften und Innungen geplant und umgesetzt. Ein starkes Zeichen, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert. Alle Beteiligten wissen, wie wichtig der gemeinsame Erfahrungsaustausch und die gegenseitige Unterstützung in Zeiten des Fachkräftemangels ist. Nur so können wir etwas bewegen – indem wir Kräfte bündeln und gezielt einsetzen.
GW – Als Ehrenpräsident des ZDH haben Sie ihren Fokus bis ins europäische Ausland. Ist unser duales System noch State of the Art?
Wollseifer – Wenn es das Duale System der Berufsbildung nicht gäbe, müsste man es erfinden. Durch die Kombination der schulisch vermittelten Theorie und den im Betrieb erworbenen Fertigkeiten werden unseren Auszubildenden umfassende Berufskenntnisse vermittelt. Das Lernen im Team, in der Praxis auf Baustellen, in Werkstätten, in der Backstube, oftmals im direkten Kundenkontakt, fördert die fachliche und persönliche Entwicklung der jungen Leute und formt sie zu selbständig arbeitenden Fachkräften in ihrem Beruf. Die Ausbildungsleistung unserer Handwerksbetriebe ist außerordentlich, denn sie bewirkt auch, dass die Jugendarbeitslosigkeit in unserem Land eine der weltweit niedrigsten ist.
GW – Die Meisterprüfung in der Zukunft?
Wollseifer – Der deutsche Meisterbrief ist ein weltweit hoch geachtetes Zertifikat. Er dokumentiert hohe berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten und steht als Bachelor Professional in Deutschland auf einer Stufe mit dem akademischen Abschluss Bachelor. Dieser hohe Berufsabschluss wird als Qualitätsausweis im In- und Ausland immer eine besondere Anerkennung finden. Seitens der OECD und der EU-Kommission wird es von Zeit zu Zeit immer mal wieder Bemühungen geben, den dort als Berufszugangshemmnis empfundenen deutschen Meisterbrief als Voraussetzung für die Berufs- bzw. Betriebszulassung abzuschaffen. Dem müssen wir uns gemeinsam weiterhin entgegenstemmen.
GW – Der Sachverständige ist ein wichtige Säule im Handwerk. Ist der Nachwuchs gesichert?
Wollseifer – Wie die meisten Bereiche der Wirtschaft und des Handwerks, leidet auch das Sachverständigenwesen unter Fachkräftemangel. Noch sind wir gut genug aufgestellt, um eingehende Anfragen abdecken zu können. Aber die Zahlen der Neuvereidigungen sind rückläufig. Es scheiden mehr Sachverständige aus, als das Neue nachrücken. Eine beunruhigende Entwicklung, deren Ursachen vielfältig sind. Viele Betriebsinhaber sind bereits voll ausgelastet und möchten nicht noch zusätzliche Zeit in die anspruchsvolle Prüfung und die Erstellung von Gutachten stecken. Als jemand, der selbst etwa zwanzig Jahre als Sachverständiger unterwegs war, kann ich diese Erfahrung dennoch unbedingt empfehlen und werbe für das Sachverständigenwesen, damit wir bald wieder mehr Vereidigungen vornehmen können..
GW – Wie sieht es bei den Themen Existenzgründungen und Betriebsübernahmen aus?
Wollseifer – Die Zahlen der Existenzgründungen sind zurzeit noch relativ konstant. Das Thema Betriebsübernahme ist hingegen eine größere Herausforderung. Wir setzen uns dafür ein, jungen Meistern den Weg hin zur Betriebsübernahme statt der eigenen Gründung als alternative Selbstständigkeit aufzuzeigen. Viele gutaufgestellte Betriebe stehen aus Altersgründen vor der Betriebsübergabe oder, wenn keine Nachfolge bereitsteht, vor der Geschäftsaufgabe. Als HWK möchten wir hier helfen und bringen Übernahmeinteressierte und Betriebsinhaber zusammen. Ziel ist es, die jeweiligen Vorstellungen auszuloten und bei den Verhandlungen zu vermitteln, um für alle eine zufriedenstellende Lösung zu finden.
GW – KI, ein Thema das momentan in aller Munde ist. Wie sicher ist der Arbeitsplatz im Handwerk, wenn sich KI so rasant weiterentwickelt?
Wollseifer – Im Gegensatz zur Industrie, sind im Handwerk die meisten Handgriffe bei jedem Auftrag individuell. Zurzeit ist es kein Thema, dass Programme wie ChatGPT uns den Rang ablaufen können. Das soll aber nicht heißen, dass sich das Handwerk der Digitalisierung verschließt – im Gegenteil. Der Einsatz von Drohnen, Aufmaß über 3D-Modelle oder digitalerfasste Lagerbestände sind nur einige Beispiele dafür, wie wir uns neue Technik zu Nutze machen. Wird KI die Arbeit im Handwerk vereinfachen, wird sie auch Verwendung finden. Ersetzen kann sie die Arbeitsplätze im Handwerk nicht.
Das Gespräch führte der Ressortleiter Sonnenschutz, Olaf Vögele