GW – Herr Heil, der textile Sonnenschutz bekommt in Hinblick auf Energieeffizienz eine immer wichtigere Rolle an den Gebäuden. Wohin geht hier die zukünftige Entwicklung?
Dietmar Heil – Die Anforderungen an textilen Sonnenschutz an Gebäuden und großen Fassaden werden in Zukunft immer komplexer, da er sowohl funktionale als auch nachhaltige und technologische Aspekte erfüllen muss. Allen voran geht es um eine effektive Reduktion der Überhitzung, um den Einsatz von Klimaanlagen zu minimieren. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die EU-Taxonomie fordern die Einhaltung von Vorgaben zur Energieeinsparung und Nachhaltigkeit, die immer wird immer strenger. Und dann sind da die Architekten und Planer, die auch unter dem Designaspekt hohe Anforderungen an Farben und die Formgebung zur Unterbringung des Sonnenschutzes stellen.
GW – Was fordern die Architekten und Planer genau von den Sonnenschutzanlagen?
Heil – Um es auf den Punkt zu bringen, hohe Windbelastungen, um Fenster oder Fassade möglichst lange vor der Sonne zu schützen, damit der Energieeintrag durch solare Einträge sinkt. Und gleich danach die Forderung nach kleinen Baugrößen der Kästen, um den Sonnenschutz unauffällig in die Fassade integrieren zu können.
GW – Was bedeutet das im Detail?
Heil – Betrachten wir den textilen Sonnenschutz versus dem klassischen Raffstore, so haben wir hier große Unterschiede im Bereich der Bauhöhen und Tiefe der Kastengrößen. Vor allem dann, wenn die Systeme auf der Fassade angebracht werden müssen, und in den Sichtbereich gelangen. Und dann wäre hier noch die Farbgebung der Behänge und die Windwiderstand. Hier kann der textile Sonnenschutz maximal punkten, da die Kästen wesentlich kleiner gestaltet werden können. Wir sind heute schon im Bereich von 80 bis 90 mm großen Kästen, und schmalen Führungsschienen. Details, die Architekten gefallen, und noch weiter reduziert werden können.
GW – Sind stabile Produkte wie Raffstoren nicht besser in Hinblick auf Windgeschwindigkeiten?
Heil – Auch wenn die Raffstoren in den letzten Jahre durch aufwendige Seitenführungen und schwere Lamellen auf höhere Windgeschwindigkeiten bis zu 30 m/s getrimmt worden sind, haben sie gegen seitsaumgeführten textilen Sonnenschutz keine Chance, da diese Änderungen mit erheblichen Kosten und hohem Materialeinsatz verbunden sind. Textile Systeme erreichen über 45 m/s, und wir reden hier über wesentlich reduzierten Materialeinsatz und geringere Kosten. Zudem werden sich hier die Kastengrößen und der Windwiderstand noch verbessern lassen.
GW – Was bedeutet das für den ZIP?
Heil – Hier stellt sich zukünftig die Frage ob der „ZIP“ als Synonym für den seitensaumgeführten textilen Sonnenschutz weiterhin noch „ZIP“ heißen wird (lacht). Auch hier entwickelt sich eine Technologie weiter, die bereits seit 1988 auf dem Markt ist, und sich mit Ablauf des Patents seit 2009 massiv verbreitet hat. Mit der R+T 2024 gibt es mit T-Rail von Gluetex eine neue Seitenführung, die viele Vorteile bietet. Allen voran eine Reduzierung der Kastengrößen, höhere Windbelastungen, und last not least ein wesentlich besseres Wickelverhalten. Kurzum, der textile Sonnenschutz wird seine Marktanteile weiter steigern. Ein gutes Beispiel ist die Präsentation des Ziptex-F von Alukon auf der BAU, ein System das als T-Rail ready vorgestellt wurde. Andere Hersteller werden hier folgen.
GW – Kommen wir zum Thema Nachhaltigkeit, das immer wichtiger wird, und in aller Munde ist. Was tut sich hier?
Heil – Ein sehr wichtiges Thema in vieler Hinsicht. Die Gewebehersteller leisten hier schon längere Zeit erhebliche Beiträge. Es kommen vermehrt Textilscreens zum Einsatz, die nach dem „Cradle to Cradle“-Prinzip zertifiziert sind. Diese Gewebe werden umweltschonend produziert und können vollständig recycelt werden, was zur Reduzierung von Abfall und zur Schonung von Ressourcen beiträgt. Wie eben schon besprochen bedeutet höhere Windwiderstand höhere Verschlusszeiten von Glasflächen, und hat damit den größten Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Zudem bringen wir als Jentschmann mit openTAG ein System mit NFC Chip auf dem Markt, um zukünftig Tücher bei Neubespannungen besser indentifizieren zu können, und damit Fehllieferungen und erhöhte Montageaufwände durch Fehlfahrten etc. zu beseitigen. Alles sinnvolle Beiträge für die Nachhaltigkeit. Hier können in einem Schritt auch Anforderungen an den digitalen Produktpass erfüllt werden, der in absehbarer Zeit zu erstellen ist. Für den textilen Sonnenschutz sehe ich aufgrund aller Punkte auch zukünftig die größten Entwicklungspotenziale und eine deutliche Steigerung der Marktanteile.
Das Interview führte Ressortleiter Olaf Vögele im Innovation Hub von Gluetex.