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GLASWELT Gespräch

“Wir brauchen ein klimaneutrales, überregionales Energie-Label“

Glaswelt – Herr Professor Sieberath, seit 2010 gibt es einen Vorschlag seitens des ift Rosenheims zum Energy Label. Wie kommt das Label im Markt an?

Prof. Ulrich Sieberath – Das Energy-Label wurde vom ift entwickelt, weil absehbar war, dass es von Seiten der EU-Kommission im Sinne der EU-Rahmenrichtlinie 2010/30/EU die Forderung nach einem Fenster-Label geben würde und wir dieses Thema nicht der europäischen Bürokratie überlassen wollten. Seit wir das Label auf den Fenstertagen im Oktober 2010 vorgestellt haben, wurde die ganzheitliche Betrachtung von Sommer- und Winterfall sowie ein klimaunabhängiges Label von der Branche positiv aufgenommen. Je nach Klimaregion würden beim grenzüberschreitenden Handel, Fenster in Italien, Polen oder Dänemark andere Energieklassen haben wie in Deutschland. Das ift-Label verfolgt deshalb eine Produktkennzeichnung ohne Einfluss durch das regionale Klima. Damit sind Fenster direkt vergleichbar und es gilt „Ein Fenster – Eine Klassifizierung“. Vergleichsstudien haben gezeigt, dass ein gutes Fenster in allen Klimaregionen die gleiche Energieklasse bzw. Ranking erreicht, denn auch in heißen Regionen sorgt eine gute Wärmedämmung neben dem Sonnenschutz für eine deutliche Reduzierung der Kühlenergie. Wir haben dann ein kostenloses Online-Tool ( https://www.ift-rosenheim.de/loesungen?tx_solr%5Bfilter%5D%5B0%5D=service%3ABerechnung+%2B+Simulation#tx-solr-search-solutionfinder ) entwickelt, mit dem bisher mehr als 1000 Labels erstellt wurden. Immer mehr Unternehmen nutzen das Label für Marketing und Verkauf, wie auf der BAU vielfach zu sehen war. Für die Verbreitung sorgen auch die Hersteller von Fenster-Software-Programmen, die eine automatische Erstellung aus dem Programm heraus ermöglichen, sodass Fensterhersteller per Mausklick ein Energy-Label erstellen können.

Glaswelt – Es gibt andere Energy Label in Deutschland und Europa. Einige Vorschläge lassen den Sommerfall bewusst aus. Welche Vorteile bietet das vom ift entwickelte System?

Prof. Sieberath – Es gibt in etlichen europäischen Ländern nationale Fenster-Labels und auch in Deutschland gibt es einen weiteren ­Vorschlag. Diese Labels haben oft den Nachteil, dass nur der Winter – sprich Heizfall – berücksichtigt wird. Das ist meiner Meinung nach zu kurz gedacht, weil selbst in Deutschland größere Glasflächen zu einer Überhitzung der Wohnräume führen, wenn ungeeignete Produkte eingesetzt werden. Deshalb ist in Deutschland nach EnEV und der DIN 4108-2 auch ein Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes gefordert. Auch die Tageslichtversorgung wird bei den anderen Labeln nicht beachtet und kann zu erheblichem Energieverbrauch für Kunstlicht führen. All das berücksichtigt das vom ift Rosenheim entwickelte Energy Label und berechnet die Energieverbräuche für den Heiz- und den Kühlfall auf Basis der internationalen ISO 18292 „Energetische Bewertung von Fenstersystemen“.

Glaswelt – Auch die Schweizer Fensterverbände sind auf der Suche nach einem Ausweis für die Fenster-Energieeffizienz. Sind Sie in Gesprächen mit den eidgenössischen Kollegen? Wäre es nicht wünschenswert, dass die wichtigsten Institute der Branche in der DACH-Region (ift, Holzforschung Austria und Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau) sich auf ein gemeinsames Label einigen könnten?

Prof. Sieberath – Das ift Rosenheim ist im intensiven Austausch mit allen o.g. Institutionen und weiteren europäischen Verbänden. Die Zielsetzung ist eindeutig die Entwicklung und Einführung eines einheitlichen europäischen Energy-Labels, mit dem Fenster in ganz Europa objektiv und einheitlich bewertet werden können.

Glaswelt – Welche Chancen sehen Sie, dass sich Ihr Modell in Europa durchsetzen wird?

Prof. Sieberath – Wir sind optimistisch, dass das vom ift-Rosenheim entwickelte Konzept sich durchsetzen wird, weil es auf einer international anerkannten Norm beruht, in allen europäischen Klimazonen anwendbar ist und den Vorgaben der EU-Rahmenrichtlinie 2010/30/EU entspricht.

Glaswelt – Wird es in Zukunft nicht nötig sein, ein Energy Label für angrenzende Bauelemente, beispielsweise Rollläden zu entwickeln?

Prof. Sieberath – Neben Fenster- bzw. Glasflächen sind auch andere Bauteile in der Gebäudehülle für den Energieverbrauch eines Gebäudes verantwortlich. Deshalb führt das ift Rosenheim intensive Diskussionen mit den Herstellern und Verbänden von Rollläden, Toren oder Lichtkuppeln, die auch Interesse an einem eigenen Energy-Label ­haben. ­—

Die Fragen stellte Daniel Mund, stv. Chef­redakteur der GLASWELT.

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