_ Wie entstehen thermische Glassprünge? Im Vergleich zu anderen Baumaterialien (z. B. Metallen) ist Glas ein schlechter Wärmeleiter. Eine Glasscheibe kann sich etwa durch Sonneneinstrahlung, Wärmestrahler unter anderem örtlich aufheizen, ohne dass die Wärme abgeführt oder gleichmäßig verteilt wird. Die erwärmten Stellen im Glas dehnen sich in der Folge aus, während die kalten Bereiche ihre Struktur beibehalten.
Die verschiedenen Ausdehnungen führen dann zu örtlichen Zugspannungen, die ab einer bestimmten Größe oder im Zusammenspiel mit einer weiteren Einwirkung einen Glasbruch zur Folge haben können.
Ein typisches Beispiel sind Temperaturdifferenzen, die bei starker Sonneneinstrahlung entstehen: Die Sonne bescheint und erwärmt den mittleren Teil der Glasfläche, der Scheibenrand oder die beschatteten Flächen bleiben kalt.
Der Glastyp ist entscheidend
Je nach Zusammensetzung oder der Beschichtung des Glases erwärmt sich dieses stärker oder schwächer. Eingefärbtes Glas hat eine höhere Energieabsorption als normales Floatglas, eisenarmes Weißglas eine tiefere. Beschichtungen mit höheren Energieabsorptionen erhöhen das Risiko eines Glasbruches, dasselbe gilt für das Bekleben der Scheiben mit Folien.
Wie robust sich Glas bei Temperaturdifferenzen verhält, wird umgangssprachlich mit „Temperaturwechselbeständigkeit“ ausgedrückt – Beständigkeit gegen Temperaturunterschiede und plötzliche Temperaturwechsel.
Sie gibt an, wie hoch Temperaturdifferenzen innerhalb der Scheibenfläche ungefähr sein dürfen, ohne dass die entstehenden Spannungen eine kritische Grenze überschreiten und zu einem Glasbruch führen. Die Temperaturwechselbeständigkeit ist bei Einscheibensicherheitsglas (ESG) dank seiner inneren Vorspannung fünfmal höher als bei normalem Floatglas (Tabelle 1). Dabei spielt zudem die Lage bzw. Distanz der vorhandenen Temperaturextreme in der Scheibenfläche und die Qualität der Glaskanten eine maßgebende Rolle.
Auch auf die Planung kommt es an
Vorstehende Gebäudeteile, äußere Beschattungseinrichtungen oder andere Körper auf der Außenseite der Fassade können eine Teilbeschattung auf den Gläsern hervorrufen. Dadurch erwärmen sich Teilbereiche des Glases schneller, während beschattete Bereiche kalt bleiben. Heizkörper oder Auslässe von Kühlgeräten in unmittelbarer Nähe von Verglasungen können ebenfalls zu lokal erhöhten Glastemperaturen führen. Es muss ein ausreichender Abstand zwischen Wärmequelle und Glas eingeplant und für eine gute Ablüftung des Zwischenraums gesorgt werden.
Bei 3-fach-Isoliergläsern wird die mittlere Scheibe am stärksten durch thermische Einwirkungen belastet. Aus diesem Grund werden Beschichtungen (z. B. Wärmedämmbeschichtungen) meistens bei den äußeren Scheiben (Position 2 und 5) eingesetzt. Kommen Aspekte hinzu, die die thermische Einwirkung erhöhen (z. B. stark absorbierende Beschichtungen) wird empfohlen, die mittlere Scheibe besser vorzuspannen.
Alternativ wird Floatglas mit geringerem Eisenoxidgehalt oder Floatglas mit bearbeiteten Kanten verwendet. Grundsätzlich wird Planern und Handwerkern nahegelegt, den Bauherrn über thermisch optimierte Glasaufbauten im Vorfeld aufzuklären.
Montagefehler vermeiden
Durch die fachgerechte Montage von Gläsern lässt sich das Risiko thermisch verursachter Glasbrüche minimieren. Glas dehnt sich wie andere Baumaterialien bei einer Temperaturerhöhung aus. Damit keine unnötigen Zwängungen entstehen, ist z. B. bei Glas-Metall-Konstruktionen auf eine korrekte Verklotzung zu achten.
Ebenfalls sollte auf ein sorgfältiges Einbauen der Gläser geachtet werden, um Beschädigungen der Glaskanten zu vermeiden. Scheiben mit sichtbar vorbeschädigten oder sehr schlecht geschnittenen Kanten sollten nicht eingebaut werden.
Während des Transports und auf der Baustelle ist besonders darauf zu achten, dass keine beladenen Glasböcke in der Sonne stehen. Denn zwischen den Gläsern kann es zum Wärmestau kommen, der unter Umständen einen Bruch begünstigen kann.
Entscheidend für die Entstehung thermischer Glasbrüche sind der Glasaufbau sowie die durch die Nutzung entstehenden zusätzlichen Belastungen. Grundsätzlich soll eine übermäßige Wärmeeinwirkung auf Gläser vermieden werden.
Dazu gehören Wärmestaus infolge Möblierung, innerer Beschattungen, Cheminéeöfen, Klebefolien oder Bemalungen. Wärmestrahler oder Grills dürfen nicht zu nah an Verglasungen platziert werden. Außen liegende Beschattungen (z. B. Storen) sollten vollständig herabgelassen werden, um eine Teilbeschattung zu vermeiden.
Die Glaskante muss stimmen
Um die thermische Widerstandsfähigkeit von Floatglas mit Schnittkanten zu erhöhen, können Gläser vorgespannt oder dessen Glaskanten bearbeitet werden. Momentan kann keine Normlösung in der Schweiz für die „beste“ bzw. die „richtige“ Glaskantenbearbeitung benannt werden. Es gibt Verfechter für und gegen sowie auch wissenschaftliche Untersuchungen für und gegen das Schleifen von Glas zur thermischen Verbesserung. Die thermische Beständigkeit ist nicht nur abhängig von der Art der Bearbeitung, sondern auch von dessen Ausführung, welche je nach Glasdicke zusätzlich variieren kann.
Das Fazit der Experten
Im Zusammenhang mit diversen durchgeführten Glasbruch-Gutachten falle auf, so das SIGAB (Schweizerisches Institut für Glas am Bau), dass vielfach bei Glasbruch vorschnell ein Thermoschock diagnostiziert wird, ohne die betreffende Scheibe genauer zu untersuchen.
Um mit Sicherheit von einer thermischen Überbelastung des Glases ausgehen zu können, muss der Bruchausgang an der Glaskante analysiert werden. In der Regel geschieht dies bei der Umglasung. Hierbei gilt es, zusätzlich Verklotzung, Falzraum und Glaskante zu überprüfen. Vielfach führt eine Kombination verschiedener Einwirkungen zum Bruch eines Glases.
Wird bei Planung, Verarbeitung, Einbau und Nutzung von Gläsern auf die Vermeidung thermischer Beanspruchungen geachtet, so trägt dies sicherlich zur Minimierung von Glasbrüchen bei.—
Jetzt die neue Richtlinie anfordern
Die SIGAB-Richtlinie 103 (2013): „Thermische Beanspruchung von Glas“ informiert kompakt über die thermische Thematik und ist über die Webseite des SIGAB in deutscher und französischer Sprache erhältlich.
Die Autoren
Reto Meili und Markus Läubli arbeiten beide am
Schweizerischen Institut für Glas am Bau, SIGAB.