Das 2006 auf den Weg gebrachte milliardenschwere Impulsprogramm für die energetische Modernisierung des Gebäudebestands zeigt eine bemerkenswerte Wirkung. Neben den exorbitant gestiegenen Energiepreisen hat es maßgeblich zu dem unerwartet kräftigen Konjunkturaufschwung des Bauausbaugewerbes beigetragen. Deutschland will in Sachen „Klimaschutz“ seine Vorreiterrolle in Europa weiter ausbauen. So sollen 2007 Klimawandel und Energieeffizienz zwei der Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des G8-Vorsitzes bilden.
Mittlerweile ist das Problem „Klimawandel“ globalisiert. Kaum ein Land, das sich nicht ernsthaft mit den Ursachen und den sich abzeichnenden Auswirkungen der CO&sub2;-Emissionen auseinandersetzt. So wird zukünftig in Spanien der Einbau von Solaranlagen in neuen und renovierten Häusern Pflicht. Der Ende Oktober vorgestellte Bericht des Chefökonoms der britischen Regierung, Nicholas Stern, hat ebenso aufgeschreckt wie die wenige Tage später vorgelegte Studie der Internationalen Energie Agentur (IEA). Auch die letzten Zweifler scheinen zu begreifen, dass der drohende Klimakollaps keine Sciencefiction ist.
Ganzheitliche Lösungsansätze aller CO2-Emittenten sind gefordert. So können zumindest die schwerwiegenden Folgen des Klimawandels abgemindert werden. Jedes probate Mittel muss dabei recht sein und im Zusammenwirken der Kräfte genutzt werden. ÖKOLOGIE und ÖKONOMIE können hierbei hinsichtlich des Klimaschutzprozesses durchaus eine widerspruchsfreie und nutzbringende Symbiose bilden. Die hieraus erwachsenden Potenziale gilt es verstärkt zu nutzen!
11. Kyoto Nachfolgekonferenz
Vom 6. bis 17. November 2006 fand in Nairobi die 11. Kyoto Nachfolgekonferenz zum Internationalen Klimaschutz statt. Rund 6000 Delegierte trafen sich in Kenias Hauptstadt, um über den globalen Klimaschutz zu beraten. In dem Kyoto-Protokoll haben sich die Industriestaaten verpflichtet, ihren Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase um durchschnittlich 5,2 Prozent bis zum Jahr 2012 zu senken (Vergleichsjahr: 1990). Bereits heute zeichnet sich ab, dass diese Verpflichtung nicht einzuhalten ist.
Nach einem Marathongipfel von fast zwei Wochen kehrten die Vertreter von 189 Staaten aus Nairobi mit mehr oder weniger leeren Händen zurück. Wenn sich die Teilnehmerstaaten schon nicht auf strengere Regeln für den CO2-Ausstoß verständigen konnten, so haben sie sich zumindest darauf geeinigt, bis 2008 eine Überprüfung des Kyoto-Abkommens vorzunehmen.
Entscheidende Bedeutung bekommt die Frage, wie die USA als der Welt größter Emittent von Treibhausgasen „mit ins Boot“ kommt. Fest steht: Ohne USA, China und Indien gibt es keinen globalen Lösungsansatz. Selbst Präsident Bush, bislang unerbittlicher Gegner des Kyoto-Abkommens, scheint ins Nachdenken zu kommen.
Kampf gegen Energieverschwendung und globale Erderwärmung
Klimaschutz und Energieeffizienz bilden mit die zentralen Schwerpunkte in der Politik der Bundesregierung. Beim Energieverbrauch liegen nach wie vor die privaten Haushalte vor Industrie und Verkehr auf dem ersten Platz. Ein Drittel des gesamten Primärenergieverbrauchs wird für Raumheizung und Brauchwasseraufbereitung aufgewendet. Jeder Bundesbürger sorgt pro Jahr für rund 11 Tonnen CO2 , 2 bis 4 gehen davon auf das Konto der Heizung.
Die Regierungskoalition hat erkannt, dass im Gebäudebestand ein enormes Potenzial liegt. Folgerichtig betreibt sie mit dem „energetischen Gebäudesanierungsprogramm“ eine Weichenstellung in die richtige Richtung. Die erst im Februar 2006 gestartete Förderinitiative „Wohnen - Umwelt - Wachstum“ (WUW) entwickelt sich zu einem wahren Renner. Das Programm wirkt wie ein gewaltiger Konjunkturschub für Handwerk, kleinere und mittlere Unternehmen. Hier entwickelte die Bundesregierung eine bemerkenswerte Doppelstrategie:
- Zum einen wurde das 5,6 Mrd. Euro schwere Anreizprogramm aufgelegt. Von 2006 bis 2009 werden Jahr für Jahr 1,4 Mrd. Euro bereitgestellt. Die hohe Nachfrage der KfW-Kredite hat die bereitgestellten Haushaltsmittel bereits Mitte 2006 aufgebraucht. Allein im März gingen Kreditanträge von mehr als einer Mrd. Euro für das CO<sub>2</sub>-Gebäudesanierungsprogramm ein.
- Zum anderen wird der ab 2008 auch für den Immobilienbestand zwingend vorgeschriebene Gebäudeenergieausweis zum Motivator für Energiespar-Investitionen. Insbesondere der bedarfsorientierte Energieausweis macht die energetische Qualität der Immobilien transparent, da der Energiebedarf durch Bestandsaufnahme und Berechnung ermittelt wird.
- Bei jedem Mieterwechsel oder Wohnungsverkauf ist zukünftig einer der beiden Energieausweise vorzulegen. Während der Verbrauchsausweis lediglich das Nutzerverhalten beurteilt, stellt der Bedarfsausweis einen energetischen Wettbewerbsfaktor dar. Hinsichtlich des Wahlrechtes siehe Bild 6.
- Angestrebt wird, den Heizölverbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr von derzeit 20 Litern auf EnEV Neubau-Niveau von rund 7 Liter zu senken.
Vom Verdrängungsmarkt zum Wachstumsmarkt
Die nach wie vor hohen Energiepreise und das milliardenschwere „energetische Gebäude-Modernisierungsprogramm“ bilden – zusammen mit dem Steuerbonus für die Arbeitskosten von Handwerkerrechnungen – die entscheidenden Wachstumsimpulse. Nach elfjähriger Talfahrt sind seit Mai des Jahres 2006 in der Glas-, Fenster- und Fassadenbranche signifikante Steigerungen der Nachfrage erkennbar. Nicht nur die verstärkte industrielle und gewerbliche Nachfrage (Nichtwohnungsbau), sondern auch die kräftige private Nachfrage sorgen für ein deutliches Mengen- und Umsatzplus. Ein fast zweistelliges Prozentwachstum in 2006 ist für die Branche prognostizierbar. Damit dürften gleichzeitig zusätzliche 8000 Arbeitsplätze geschaffen worden sein.
Vieles spricht dafür, dass dieser „Aufschwung“ anhält. Der Fenster- und Fassadenbau, und damit auch die Glasbranche, werden auch 2007 von den guten Rahmenbedingungen partizipieren. Die günstige Weichenstellung in Richtung Energieeffizienz und Klimaschutz, vor allem aber das wachsende Bewusstsein von Bauherren und Eigentümern, dass Erdöl und Erdgas nicht nur extrem teuer, sondern auch nicht unerschöpflich sind, und nicht zuletzt das Auftriebsprogramm des Staates sind die „treibenden“ Faktoren. Selbst die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 dürfte keinen länger anhaltenden Dämpfer verursachen.
Deutschland ist Vorreiter im Klimaschutz – Europa soll es werden
Klimawandel und Energieeinsparung sollen seit Januar 2007, als Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft und den G8-Vorsitz übernommen hat, zwei der Schwerpunkte bilden. Nachdem es in Nairobi nicht gelang, das 2012 auslaufende Klimaschutzabkommen weiterzuentwickeln, soll nunmehr durch Europa ein neuer Klimaschutzvertrag auf den Weg gebracht werden. Umweltminister Sigmar Gabriel hat bereits angekündigt, die EU auf eine 30 Prozent-Minderung bis 2020 einzuschwören.
Diese Forderung wird mittlerweile auch von der britischen Regierung unterstützt. Der deutsche Vorstoß hat gute Aussicht auf Erfolg. Denn es mehren sich die apokalyptischen Zeichen, dass eine weitere Missachtung der bereits spürbaren Auswüchse des Klimawandels in einer Katastrophe endet.
In seinem Ende Oktober 2006 veröffentlichten Report („Stern Review“) hat Nicholas Stern, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und in Wirtschaftsfragen die rechte Hand des britischen Schatzkanzlers Brown, eine Aufsehen erregende volkswirtschaftliche Analyse des Klimawandels geliefert. Seine alarmierende Botschaft: Der Klimawandel ist in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten zwar nicht mehr aufzuhalten. Allerdings sei es immer noch möglich, unsere Gesellschaft vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Klimawechsels wenigstens einigermaßen zu schützen. Das verlangt allerdings eine klare, international ausgerichtete Anpassungsstrategie an das veränderte Klima. Hierfür sind jährliche Investitionen von rund 275 Mrd. Euro – das ist ein Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes - erforderlich. Sterns Appell: Jetzt muss gehandelt werden, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Sonst könne der globale Anstieg der Durchschnitts-temperatur bereits 2015 mehr als 2°C betragen – mit verheerenden Auswirkungen: Die Polkappen schmelzen ab - die Eismassen gehen zurück; der Meeresspiegel steigt - große Flächen werden überflutet; extreme Wetterereignisse häufen sich, lange Dürreperioden bedeuten die Ausdehnung der Wüsten; 40 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sterben aus.
Zu einer gleichermaßen erschreckenden Einschätzung gelangt der Anfang November 2006 vorgestellte „Weltenergieausblick 2006“ der Internationalen Energie Agentur (IEA) in London. In verschiedenen Szenarien beschreibt die Studie die globale Energiezukunft bis 2030. Danach wird erwartet, dass der weltweite Primärenergieverbrauch in den nächsten 25 Jahren um 53 Prozent steigt. Davon entfallen zwei Drittel auf China und Indien. Demzufolge steigt der weltweite Ölverbrauch erheblich.
Auch die IEA fordert entschlossene politische Maßnahmen, um die Welt auf einen nachhaltigen Energiepfad zu lenken. Eine bessere Energieeffizienz, so die IEA-Feststellung, würde dabei den größten Beitrag zur Energieeinsparung liefern.
Politische Weichenstellung stimmt zuversichtlich
„EmG - Energiesparen mit Glas und Fenster“ lautet das Motto unserer Branche. Viele Politiker, die breite Öffentlichkeit, vor allem die Verbraucher, aber auch die Medien haben schon verstanden, dass das Fenster ein energiesparendes Bauteil ist. „Heizen Sie Ihr Geld nicht länger zum Fenster raus“ – so der von den explosionsartig gestiegenen Energiepreisen getragene Appell.
Die energetische Verbesserung der thermisch geschwächten Maueröffnung „Fenster“ ermöglicht die Nutzung von Energieeinsparpotenzialen und die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen, vorweg des Kohlendioxid-Ausstoßes (CO2). Energiesparen mittels energetischer Gebäudemodernisierung lohnt sich nachweislich gerade im Immobilienbestand, zumal derartige Investitionen finanziell vielfältig gefördert werden.
Die neue Fördersystematik macht speziell beim KfW CO2-Gebäudesanierungsprogramm die Inanspruchnahme ab Januar 2007 noch attraktiver. Für private energetische Investitionen wie Fenstertausch bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist die staatliche Förderung auf direkte Barzuschüsse ausgedehnt worden. Neben den zinsverbilligten Krediten der KfW und den zum Teil begleitenden Tilgungszuschüssen eine weitere Ermunterung, in den Gebäudebestand zu investieren.
Das veränderte Umweltbewusstsein und die daran zwangsläufig anknüpfenden Handlungsmaßnahmen haben erhebliche Auswirkungen auf die Branche. Drei Viertel unserer Wohngebäude in Deutschland sind älter als 25 Jahre und damit potenzielle energetische Sanierungsfälle. Nach allgemeiner Einschätzung befindet sich weniger als ein Viertel unserer Wohngebäude in einem vollwertig energetischen Zustand. Zudem soll sich bislang lediglich ein Drittel der vor dem 1. Januar 1978 errichteten Wohngebäude auf dem energetischen Stand der 1. WSchVO von 1978 befinden.
So ist unschwer vorherzusagen, dass der wärmetechnischen Altbaumodernisierung nicht nur in Deutschland die Zukunft gehört. Dies wird maßgeblich dazu beitragen, dass sich der konjunkturelle Aufschwung in der Bauwirtschaft, dem Bauausbaugewerbe und dem Handwerk fortsetzt. Das stärkt die heimische Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. So bilden Ökologie und Ökonomie eine widerspruchsfreie und nutzbringende Symbiose.|
Info
EU Energiespar-Offensive –„Aktionsplan für Energieeffizienz: Potenzial ausschöpfen“
EU-Kommissar Andris Piebalgs legte am 19. Oktober 2006 einen Aktionsplan vor, der 75 Maßnahmen zur Energieeinsparung umfasst. Ziel ist, den Energieverbrauch u. a. von Gebäuden durch neue Mindestanforderungen drastisch zu reduzieren. So sollen 20 Prozent des Energieverbrauchs bis zum Jahr 2020 eingespart werden. Ein gewaltiges Potenzial wird in der Wärmedämmung von Wohngebäuden und gewerblich genutzten Immobilien gesehen. Daher soll die „EU Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ – EPBD - (2002/91/EG) im Jahr 2009 deutlich verschärft werden. U.a. wird die Kommission Mindestanforderungen an die Energieeffizienz (in kWh/m²) neuer und renovierter Gebäude festlegen. Dies soll auch für Gebäudeteile wie Fenster gelten. Zudem soll für Neubauten bis Ende 2008 eine Strategie zur Einführung von Niedrigstenergie- bzw. Passivhäusern entwickelt werden. Damit wird die weitere Verbreitung solcher Häuser bis 2015 vorangetrieben, dieser Gebäudetyp wird zukünftig als Standard angestrebt.
Autor
Bernd Kramer ist ehemaliger Vorstands-Vorsitzender der Interpane Glas Industrie AG, Lauenförde.