_ Isoliergläser schützen unsere Gebäude im Winter gegen das kalte Außenklima. Naturgemäß herrscht ein großer Temperaturunterschied zwischen innen und außen, was zu einem Temperaturgefälle durch das Isolierglas führt. Der Scheibenzwischenraum bei 2-fach-ISO nimmt dabei in etwa die mittlere Temperatur von innen und außen an. Bei 3-fach-ISO teilt sich das Temperaturgefälle auf beide SZR auf. Durch die unterschiedlichen Temperaturen erfahren die SZR auch unterschiedliche Klimalasten.
Bild 01 zeigt die Temperaturprofile für 2-fach- und 3-fach-Isolierglas im Winter. Bei 3-fach-ISO herrscht ein Temperaturgefälle von 13 K. Bezogen auf die bisherigen –25K der TRLV / DIN 18008 ist dies bereits eine deutliche Asymmetrie.
Nicht nur im Winter, sondern auch unter sommerlichen Bedingungen treten asymmetrische Klimalasten auf. Durch den Einsatz von Sonnenschutz- oder Blendschutzvorrichtungen wird das Temperaturprofil und somit die Klimalast am 3-fach-ISO wesentlich beeinflusst (Bild 02). Setzt man neben dem 3-fach-ISO zusätzlich z. B. einen lichtundurchlässigen dunklen Sonnenschutz [1] im Außenbereich ein, sinken die Temperaturen und das Temperaturgefälle zeigt von außen nach innen. Genau umgekehrt verhält es sich bei einem belüfteten, mittel lichtdurchlässigen Blendschutz in einem Pastellton [1] im Inneren; die Temperaturen steigen und das Temperaturgefälle zeigt von innen nach aussen.
Auswirkungen der Asymmetrie
Um die Auswirkungen der Asymmetrie fassbar zu machen, nehmen wir eine 3-fach-Scheibe im Aufbau 4/14/4/14/4 und dem Format 1000 x 2500 mm. Die Berechnungen erfolgen mit einer marktüblichen FE-Glasstatik-Software ohne die lastseitigen Sicherheitsfaktoren. Mit der Temperaturdifferenz von –25 K im Lastfall „Winter“, nach DIN 18008, betragen die Spannungen in den Außenscheiben 6,9 N/mm2. Zum Vergleich werden die Spannungen aus dem Temperaturgefälle mit –31,5 K und –18,5 K (Mittel = –25 K wie DIN 18008) für die beiden SZR berechnet.
Daraus ergeben sich 7,2 und 6,6 N/mm2 in den Außenscheiben sowie 0,7 N/mm2 in der Mittelscheibe. Die Spannungsveränderungen in den Außenscheiben sind mit < 5 % relativ gering.
Die Mittelscheiben am 3-fach-ISO erfährt durch die asymmetrische Klimalast mit 0,7 N/mm2 eine doppelt so starke Spannungsveränderung wie die Außenscheiben. Zudem gilt es zu beachten, dass es sich dabei auch bloß um die Berücksichtigung des tatsächlichen winterlichen Temperaturgefälles handelt.
Die Klimalast im Sommer
Während im Winter das Mittel der Temperaturen in etwa gleich bleibt, spielt im Sommer die systembedingte höhere Aufheizung eine große Rolle. Bereits der Vergleich der isochoren Drücke mit den standardmäßigen Werten nach DIN 18008 und den berechneten Temperaturen zeigt deutliche Ergebnisse. Unter den Standardannahmen der DIN 18008 ergibt sich ein isochorer Druck von ±16 kN/m2 je SZR. Die aus den Temperaturen gemäß Bild 02 resultierenden isochoren Drücke erreichen bis zu 25,9 kN/m2 im SZR und sind somit rund 64 % höher (Tabelle 1). Die Berechnung mit 1000 W/m2 ist etwas hoch, die Temperaturen werden aber auch bei tieferer Solarstrahlung und höherer Außentemperatur erreicht.
Betrachten wir dies am Beispielglas, das 3-fach-ISO 4-14-4-14-4 mit 1000 x 2500 mm, um die Auswirkungen der sommerlichen Temperaturen aus Bild 02 zu verdeutlichen (Tabelle 2). Im einfachen Sommerfall steigen die maximalen Spannungen im Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) von 7,9 N/mm2 (gemäß DIN 18008) auf 10,9 N/mm2, was ohne zusätzliche Sicherheitsfaktoren bereits ein Plus von 38 % darstellt. Dies hängt noch alleine mit der Aufheizung des 3-fach-ISO durch die Absorption der Mittelscheibe zusammen, wie sie in [2] beschrieben wurde. Bereits in [3] wurde erwähnt, dass 3-fach-ISO einer deutlich höheren thermischen Belastung unterliegen und als Dachverglasung „z.T. über 80 °C“ erreichen.
Berücksichtigt man zusätzlich konstruktive Einbaubedingungen wie Blendschutz, muss wie schon in der TRLV mit höheren Temperaturen gerechnet werden. Die Korrektur nach TRLV / DIN 18008 beträgt +9 K für einen ventilierten innenliegenden Sonnenschutz. Damit beträgt die maximale Spannung 9,4 N/mm2. Bei dem Temperaturprofil mit innenliegendem Blendschutz aus Bild 02 steigt die maximale Spannung im MIG auf 12,3 N/mm2. Dies bedeutet wiederum ein Zuwachs von 31 % gegenüber der DIN 18008.
Noch dramatischer zeigt sich die Situation wenn man die Lastsicherheitsfaktoren berücksichtigt. Dies sind 1,35 für die Höhenveränderung und 1,5 für das Klima. Damit steigt die charakteristische Spannung von 12,3 N/mm2 auf eine Bemessungsspannung von exakt 18 N/mm2.
Nach DIN 18008-2 darf bei allseitig gelagertem Float für eine mittlere Einwirkungsdauer 18 N/ mm2 als Widerstand angesetzt werden. Während mit den Standard-Klimalasten der Nachweis locker erfüllt wird, ist das Floatglas mit den berechneten Temperaturen bereits zu 100 % ausgenutzt.
Asymmetrische Klimalasten und Aufbauten
Es ist leicht nachvollziehbar, dass bereits bei symmetrischen Lasten durch eine steifere Außenscheibe die Innenscheibe stärker belastet wird.
Die steifere Außenscheibe lässt sich weniger verformen und zwingt den anliegenden SZR sich über die Mittelscheibe auszudehnen. Diese Verformung der Mittelscheibe zwingt wiederum den zweiten SZR, sich noch stärker über die Außenscheibe auszudehnen (Bild 03).
Auf die Dringlichkeit solche konstruktive Asymmetrien bei 3-fach-ISO zu berücksichtigen, wurde bereits hingewiesen [3].
Dazu das Beispiel bei einem 3-fach-ISO im Aufbau 8/14/4/14/4 mit 1000 x 2500 mm unter sommerlichen Klimalasten. Bereits aufgrund der Asymmetrie im MIG-Aufbau steigt die maximale sommerliche Spannung unter DIN 18008-Bedingungen von 7,9 N/mm2 auf 12,8 N/mm2.
Die maximalen Spannungen des asymmetrischen Aufbaus in Kombination mit den Temperaturprofilen aus Bild 02 sind in Tabelle 03 aufgeführt. Zum einen wird hierbei deutlich, dass je nach Konstruktion bis zu drei sommerliche Lastfälle zu untersuchen sind, statt bisher nur einem. Zum anderen steigen die maximalen Spannungen nochmals deutlich. Gegenüber der DIN 18008 sind im Standardfall ohne konstruktive Einflüsse bis zu 46 % höhere Spannungen zu erwarten.
Unter Berücksichtigung eines innenliegenden, ventilierten Sonnenschutzes bei beiden Temperaturszenarien sind bis zu 34 % höhere Spannungen zu erwarten. Beim asymmetrischen Aufbau ist die Innenscheibe unter Berücksichtigung der Lastsicherheitsfaktoren bereits unter DIN 18008 Standardbedingungen mit 18,2 N/mm2 nicht in Floatglas ausführbar.
Das Fazit der Autoren
In diesem Artikel wurde versucht, anhand einfacher Beispiele die Problematik zu erklären. Dies mit dem Ziel, die in der Praxis tätigen Planer, Statiker und Hersteller für das Thema zu sensibilisieren.
Die Spannungsnachweise stoßen dabei bereits unter DIN 18008-Bedingungen an ihre Grenzen. Es gilt also, sich von den bisherigen Vereinfachungen für 2-fach-ISO zu lösen und das 3-fach-ISO gemäß seiner Komplexität auch mit genaueren Temperaturwerten unter den tatsächlichen Einbausituationen zu berücksichtigen.
Im dritten Teil der Reihe wird der Einfluss spezieller Einbaubedingungen, z.B. 2.-Haut-Fassaden, auf die Klimalast von 2-fach-ISO und 3-fach-ISO beleuchtet.—
Literatur
[1] EN 13363: Sonnenschutzeinrichtungen in Kombination mit Verglasungen – Berechnung der Solarstrahlung und des Lichttransmissionsgrades. Teil 1: Vereinfachtes Verfahren. September. 2007.
[2] Wüest, F. Luible A.: Was nicht in der DIN 18008 steh. GLASWELT 5/2015, Seite 76-78
[3] Ensslen Frank., 3-fach-ISO als Dachverglasung – So klappt es, GLASWELT 09/2012, Seite 28
[4] Rehberger M., Reick. M.: DIN 18008: Mehr Leid als Freud? GLASWELT-Newsletter 3b-2015
DIE AUTOREN
Thomas Wüest (M. Sc.) und Prof. Dr. Andreas Luible, Kompetenzzentrum für Fassaden- und Metallbau der Hochschule Luzern T&A in Horw (Schweiz).