Die aktuellen Vorgaben an den Wärmeschutz führen zu einem erhöhten Bedarf an 3-fach-Isoliergläsern. Mit dem zusätzlichen Scheibenzwischenraum werden günstigere Werte für den erforderlichen Wärmedurchgangskoeffizienten erzielt. Allerdings steigt mit der zusätzlichen Glasschicht auch das Eigengewicht und führt insbesondere bei Sicherheitssonderverglasungen zu erhöhten Anforderungen an die Konstruktion der Auflagerung.
Hier setzte das gemeinsame Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Tragkonstruktion der Universität Siegen und der Silatec Sicherheits- und Laminatglastechnik GmbH an: Ziel war es, ein hocheffektives und leichtes Isolier- und Sicherheitsglas zu entwicklen, das gleichzeitig höchsten Anforderungen an den Einbruchschutz erfüllt. Durch die Kombination von Dünnglas mit Polycarbonat sind als Ergebnis deutlich schlankere Querschnitte mit geringerem Eigengewicht möglich.
Die eingesetzten Gläser
Die verwendeten Dünnglas-Polycarbonat-Verbundtafeln bestehen aus zwei Dünnglastafeln aus Kalk-Natronsilicatglas und einer oder mehreren Polycarbonattafeln, die über eine Zwischenschicht aus einem transparenten und thermoplastischen Polyurethan in einem Kaltverbundverfahren flächig miteinander laminiert werden.
Die Nenndicke der im Querschnitt eingesetzten Glastafeln beträgt 2 mm und zählt damit bereits zum Dünnglas. Die Dicke und die Anzahl der Polycarbonattafeln ist abhängig von der gewünschten Widerstandsfähigkeit gegen manuellen Angriff.
Durch die Materialkombination sind die Widerstandsklassen P6B bis P8B nach DIN EN 356 bei geringem Eigengewicht und Nenndicke erreichbar. Aufgrund der aktuellen EnEV und den europäischen Energie- und Klimazielen werden mehr und mehr Sicherheitssonderverglasungen als Isoliergläser ausgeführt.
Um neben der Angriffhemmung auch die Anforderungen an die Energieeinsparung zu erfüllen, erfolgt die Entwicklung der Verglasung unter drei Aspekten: Gewichtsreduzierung, Energieeinsparung und Angriffhemmung.
Konventionelle Sicherheitssonderverglasungen bestehen aus einem angriffhemmenden Glasaufbau mit einer relativ großen Nenndicke. Eine anschließende Weiterverarbeitung zu einem Mehrscheiben-Isolierglas erfordert weitere einzelne Glastafeln, die keinen Anteil am Widerstand der Angriffhemmung übernehmen. Die Prüfung des Widerstands wird deshalb nur an der für die Angriffhemmung vorgesehenen Schicht durchgeführt.
Durch das im Scheibenzwischenraum (SZR) des Isolierglases eingeschlossene Gasvolumen entstehen neben den äußeren Einwirkungen zusätzliche Beanspruchungen infolge klimatischer Einwirkungen (Klimalasten). Die tatsächliche Höhe dieser Klimalast ist abhängig von der Steifigkeit der Verglasung, die durch die Abmessungen und den Aufbau bestimmt wird.
Ein asymmetrischer Aufbau führt im Allgemeinen zu höheren Klimalasten als ein symmetrischer Aufbau. Das Risiko eines Glasbruches und die Beanspruchung des Randverbundes nehmen zu. Es ergeben sich dadurch auch erhöhte Beanspruchungen für die dünneren Schichten. Aus diesem Grund finden Mehrscheiben-Isoliergläser als Sicherheitssonderverglasungen in der Praxis bisher kaum Anwendung.
In Bild 02 ist der Querschnittsaufbau eines angriffhemmenden 3-fach-Isolierglases aus Glas-Verbund mit der Widerstandsklasse P8B dargestellt. Die Nenndicke beträgt 77 mm mit einem daraus resultierenden Eigengewicht von 125 kg/m2.
Sicher geht auch leichter
Der Verbund aus Glas und Polycarbonat ermöglicht eine gezielte Reduzierung des Eigengewichts und der Querschnitte von angriffhemmenden Sicherheitssonderverglasungen. Der schlankere Verglasungsaufbau für die Widerstandsklasse P8B mit einer Nenndicke von 64 mm und einem Eigengewicht von 78 kg/m2 ist in Bild 03 dargestellt.
Die unterschiedlichen Eigenschaften der beiden Materialien Glas und Polycarbonat ermöglichen eine individuellere Abstimmung und so gegenüber gängigen Glas-Verbunden eine optimierte Einstellung der Verglasungsaufbauten auf die gewünschten Anforderungen.
Die angriffhemmende Wirkung liegt bei dem neuen Aufbau deshalb nicht nur auf einer Schicht mit einer relativ großen Nenndicke, sondern alle vorhandenen Schichten beteiligen sich am Widerstand gegen manuellen Angriff. Dies führt zu schlankeren und leichteren Isoliergläsern mit der Zusatzanforderung der Angriffhemmung.
Zur weiteren Optimierung besteht das neu entwickelte 3-fach-Isolierglas aus zwei Dünnglas-Polycarbonat-Verbundtafeln mit angriffhemmender Funktion als Innen- und Außenscheibe und einem Dünnglas als mittlere Scheibe.
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Bei konventionellen Sicherheitssonderverglasungen werden die drei Scheiben üblicherweise durch zwei einzelne Abstandhalter zur Herstellung der beiden Scheibenzwischenräume verbunden. Durch den Einsatz eines einzelnen auf den Aufbau abgestimmten Abstandhalters sind hingegen nur noch zwei Dichtungen zu den beiden äußeren Verbundtafeln erforderlich.
Die mittlere Scheibe wird im Abstandhalter durch Klemmung fixiert und nicht geklebt. Dadurch entstehen keine zusätzlichen Klebfugen an der mittleren Scheibe, die das Risiko von Gasverlusten und das Eindringen von Feuchtigkeit in die Scheibenzwischenräume erhöhen.
Die Verwendung eines Dünnglases als mittlere Scheibe sowie die neue Aufteilung der angriffhemmenden Wirkung auf alle Schichten unterscheidet das 3-fach-Isolierglas von konventionellen Sicherheitssonderverglasungen deutlich.
Die Senkung der Nenndicke auf 52 mm und des Eigengewichts auf 46 kg/m2 wird für die erforderliche Widerstandsklasse der angriffhemmenden 3-fach-Isoliergläser mit Polycarbonat im Verbund unter Einbeziehung aller Schichten erreicht.
Das Bestehen der Axtprüfung mit 74 Schlägen von erforderlichen 71 Schlägen belegt den hohen Ausnutzungsgrad des Verglasungsaufbaus (Bild 01).
So werden die energetischen Anforderungen erfüllt
Neben der Angriffhemmung erreicht der Verglasungsaufbau auch die aktuellen Anforderungen an den Wärmeschutz. Die wesentlichen Parameter zur Klassifizierung der Energieeffizienz einer Glaseinheit sind der Wärmedurchgangskoeffizient und der Gesamtenergiedurchlassgrad. Der Wärmedurchgangskoeffizient beschreibt die Energieverluste und der Gesamtenergiedurchlassgrad den Gesamtgrad des Energiedurchlasses.
Das neue 3-fach-Isolierglas mit Dünnglas und Polycarbonat erreicht mit einem Scheibenzwischenraum von 12 mm und einer Gasfüllung aus Krypton sowie einer Wärmschutzbeschichtung einen Wärmedurchgangskoeffizienten von unter 0,7 W/(m2·K) sowie einen Gesamtenergiedurchlassgrad von 56 %. und erfüllt so die aktuellen energetischen Anforderungen.
Gleichzeitig erreicht der neuentwickelte Verglasungsaufbau unter Aktivierung aller Schichten für die Angriffhemmung die höchste Widerstandsklasse P8B gegen manuellen Angriff.
Diese wärme- und sicherheitstechnischen Eigenschaften lassen sich mit einem 33 % schlankeren Querschnitt und bis zu 64 % leichteren Aufbau erzielen. Die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt bezüglich einer Berücksichtigung aller Schichten beim Nachweis der Angriffhemmung werden künftig auch auf beschusshemmende oder sprengwirkungshemmende Sicherheitssonderverglasungen übertragen.
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Die Autoren
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thorsten Weimar, M.Sc. Laura Vuylsteke, beide Lehrstuhl für Tragkonstruktion, Universität Siegen www.architektur.uni-siegen.de/tragkonstruktion
Das Projekt: Das Forschungsprojekt wurde am Lehrstuhl für Tragkonstruktion der Universität Siegen mit der Silatec Sicherheits- und Laminatglastechnik GmbH (www.sicherheitsglas.de) durchgeführt.
Die finanzielle Förderung erfolgte durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, betreut durch die AiF e.V. www.aif.de