Der Wunsch, bei großen Isolierverglasungen die einzelnen Glasdicken zu reduzieren liegt nahe, gewünscht wird 3-fach-Isolierglas zum Gewicht von 2-fach-ISO.
„Dünnglas“ gibt es in Form von Spezialglas, das aufgrund chemischer Vorspannung sehr hohe Bruch- und Kratzfestigkeiten aufweist. Hauptanwendungen sind Displays von Smartphones und Tablet-PC’s. Die maximalen Scheibenabmessungen sind sehr begrenzt, im Gegensatz zu den Kosten. Weiter wird Dünnglas zunehmend im Baubereich angewendet, z.B. für PV-Module und jetzt auch durch thermisch vorgespannte 2 bis 3 mm starke Dünngläser für 3-fach-Isolierglas.
Erfüllt ein 3-fach-Isolierglas aus dünnen Scheiben aber alle Anforderungen der EnEV sowie des Baurechts und die Anforderungen an die Tragfähigkeit und die Gebrauchstauglichkeit?
Mit Blick auf die baurechtlichen Hintergründe wird sehr schnell klar, dass man sich mit solchen Produkten außerhalb der geltenden technischen Regeln bewegt: Die kommende Glas DIN 18008 sieht im Teil 1 als Mindestglasdicke 3 mm vor. D.h. die Anwendung mit dünneren Gläsern ist nicht geregelt und bedarf einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE). Hierfür sind die Glaseigenschaften wie die Glasfestigkeit von entscheidendem Einfluss. Die Erfordernis einer ZiE ist bei der Termin- und Kostenplanung von Projekten zu beachten.
Hinsichtlich der Tragfähigkeit merkt man beim statischen Nachweis von 3-fach-ISO mit Dünnglas sehr schnell, dass die Nachweise sehr oft nicht mehr erfüllt werden können. Dies bedeutet aus statischer Sicht: Aufbauten mit Float sind oft nicht mehr möglich, sondern es wird vermehrt vorgespanntes Glas erforderlich. Nachfolgend einige „Faustregeln“ die hier zu beachten sind:
- Der Glasaufbau ist im Einzelfall auf die Randbedingungen (Einbauort, Scheibenabmessungen) abzustimmen.
- Es gibt für dünne Gläser keine Nachweiserleichterung in den gültigen Normen, d.h. es ist immer ein statischer Nachweis zu führen. Hier fließen die Belastung z.B. aus Wind und Klimalasten sowie die Abmessungen der Scheibe mit ein.
- Je dünner das Glas, desto „falscher“ sind die Ergebnisse „einfacher“ Programme und Überschlagsformeln zur Berechnung. Aufgrund der im Vergleich zur Durchbiegung sehr geringen Glasdicken ist zur Berechnung die Membrantheorie (geometrisch nicht lineare Berechnung) anzuwenden. Im angeführten Beispiel sieht man die großen Unterschiede zur „normalen“ geometrisch linearen Berechnung ().
- Auch für 3-fach-ISO aus Dünnglas gilt: Bemessungsrelevant ist nicht zwingend die größte Scheibe, sondern es kann auch eine sehr kleine Scheibe mit hohen Klimalasten sein.
Vorteile und Nachteile
Die Durchbiegungen dünner Gläser werden insgesamt größer, wobei diese mit den geometrisch nicht linearen Rechenmethoden realistisch und damit sehr viel kleiner ermittelt werden können. Daher ist Vorsicht geboten bei Scheiben, bei denen nicht alle Ränder gelagert sind. Hier kann es zu sehr großen Beanspruchungen des Randverbunds der freien Glaskante kommen. Neben Fragen der Dauerhaftigkeit können optische Beeinträchtigungen, etwa bei großen Fassadenflächen, auftreten.
Die Verwendung von thermisch behandeltem Glas bringt einige Vorteile, so reduziert sich das Bruchrisiko infolge thermischer Beanspruchung z.B. bei lokaler Verschattung deutlich. Im Bruchfall reduziert sich auch das Verletzungsrisiko bei der Verwendung von ESG gegenüber Float.
Durch die Verwendung von neuen Vorspann-Techniken lassen sich optische Beeinträchtigungen bei ESG minimieren.
Hinsichtlich der Anwendung als absturzsichernde Verglasung ist zu beachten, dass gemäß DIN 18008 T.4, Tab. B.1 kein Glasaufbau mit Glasdicken unter 4 mm aufgeführt ist, bzw. im Anhang C.2 die Mindestglasdicke auf 6 mm begrenzt ist. So bleibt nur der aufwendige Nachweis mittels volldynamisch transienter Simulation des Stoßvorganges (Glasdicke mindestens 3 mm) oder mittels Pendelschlagversuch.
Fazit: 3-fach-ISO aus Dünnglas kann besser sein als Standard-3-fach-Isolierglas (3 x 4 mm), die Anforderungen an die Fertigung, Planung sowie an statische Nachweise sind aber deutlich höher. Voraussetzung für sehr große Scheibenformate ist die Verwendung von thermisch behandeltem Glas (ESG, TVG), dass deutliche Vorteile gegenüber Standard-Float-Aufbauten besitzt. —
Die Autorin
Dr.-Ing. Barbara Siebert ist „Beratende Ingenieurin“ und leitet das Münchner Ingenieurbüro Dr. Siebert. Darüber hinaus ist sie von der IHK öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Glasbau.