Der Wertstoff Glas ist prädestiniert für eine geschlossene Kreislaufwirtschaft, denn Glas ist eines der ganz wenigen Produkte, die praktisch unendlich oft ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden können.
Weltweit werden derzeit jährlich etwa 130 Mio. Tonnen Glas produziert. Wesentliche Anteile daran haben die Flachglasproduktion (Fenster-Scheiben, Automobilglas, Spiegel, Photovoltaik) mit 42 % sowie sowie die Hohl- bzw. Behälterglasherstellung (Getränkeflaschen, Konservengläser, medizinische und kosmetische Verpackungen) mit etwa 48 %.
Warum bietet Flachglas größere Potentiale beim Recycling?
Flachglas und Hohlglas verwenden jeweils unterschiedlich große Anteile an Recyclingglas für ihre Schmelze. Während im Bereich Hohlglas durch die eingeführten Recyclingsysteme bereits ein sehr hoher Anteil an Altglas zur Wiederaufbereitung gegeben wird könnten die Anteile im Bereich Flachglasrecycling noch deutlich erweitert werden.
Beim Recycling von Flachglas im Bauwesen, beispielsweise beim Fensterausbau, kommt es dabei besonders auf eine sortenreine Trennung des Glases vom Rahmen, ohne Staub und ohne Bauschutt an. Je reiner das Glas desto besser ist es zur Wiederaufbereitung geeignet.
Muss für die Entsorgung von sogenanntem Bauschutt noch Geld gezahlt werden, könnte durch die sorgfältige Trennung des Glases von anderen Materialien hochwertiges Glas vor der Verschrottung bewahrt werden.
Im Gegensatz zur teuren Entsorgung, ließe sich sogar noch Geld mit dem Verkauf an die Recyclingunternehmen erwirtschaften.
Bereits bei der Containerbeschaffung könnte der Glasverarbeiter oder Fensterbauer mit dem Entsorger bzw. Vermieter ein wirtschaftlich interessanter Recyclingweg vereinbaren.
Wo liegen die Vor- und die Nachteile von recyceltem Flachglas?
Neben gesetzlicher Vorgaben in Deutschland zur Erhöhung der Recyclingquoten, bei Hohlglas geregelt durch das Verpackungsgesetz mit der Verpflichtung zum Recycling von 80 % ab 2022 sogar 90 %, hat der Einsatz von Altglas auch messbare ökologische und ökonomische Vorteile:
Zum einen schont der Einsatz von Scherben die natürlichen Rohstoffressourcen und minimiert zugleich die Eingriffe in die Natur. Zum anderen werden Energiekosten bei der Rohstoffgewinnung sowie bei der Glasherstellung eingespart.
Da die Scherben bei einer geringeren Temperatur schmelzen als die Primärrohstoffe Sand, Soda und Kalk senkt bereits ein Scherbeneinsatz von 10 % den Energiebedarf einer Schmelzwanne um 3 %. Durch den geringeren Energieverbrauch sinken zugleich die auftretenden CO2- Emissionen.
Wann lohnt sich das Glasrecycling auch wirtschaftlich?
Die wirtschaftlichen Vorteile von Recyclingscherben bleiben nur solange interessant, wie ihr Preis deutlich unter dem der Primärrohstoffe liegt. Denn der Einsatz von Altglas birgt immer auch ein gewisses Risiko für die Glashütten.
Bei der maschinellen Produktion ist Verlässlichkeit entscheidend. Es ist also wichtig, dass sämtliche eingesetzte Stoffe eine möglichst gleichbleibende Zusammensetzung haben. Diese Zusammensetzung kann dann im Vorfeld und produktionsbegleitend analysiert werden und damit die Produktion stabil gehalten werden.
Dabei sind die Qualitätsanforderungen an die Fremdscherben sehr unterschiedlich, denn Flachglashütten haben beispielsweise deutlich höhere Anforderungen als Behälterglashütten, da das von ihnen produzierte Flachglas zumeist in der Bau- und Autoindustrie verarbeitet wird.
Hier spielen optische Qualitätsansprüche eine deutlich größere Rolle, da Glasfehler wie Einschlüsse, Blasen, Schlieren oder auch Farbveränderungen sofort zum Ausschluss aus der Weiterverarbeitung führen. Demzufolge setzen Flachglashütten ihrem Gemenge auch nur einen relativ geringen Scherbenanteil von etwa 20 bis 30 % zu, der zum Großteil aus Eigenscherben (Altglas aus der eigenen Produktion) besteht.
In der Behälterglasproduktion wird dagegen ein deutlich höherer Anteil an Altglas von durchschnittlich 60 % verwendet, bei Grünglas sind sogar Quoten bis zu 90 % möglich. Natürlich führen auch hier die genannten Glasfehler zu Problemen, jedoch ist die Toleranz etwas höher.
Gibt es auch Stolperfallen beim Recyclen von Flachglas?
Ja, das größte Problem bei der Scherbenzusammensetzung sind die Fremdstoffe im Glas. Damit Altglas seine Abfalleigenschaft verliert und überhaupt als Sekundärrohstoff anerkannt und damit verwendet werden kann, darf es laut EU-Verordnung 1179/2012 einen Anteil an eisenhaltigen Fremdstoffen von 0,005 %, nichteisenhaltigen Fremdstoffen von 0,006 %, Keramik, Steine, Porzellan („KSP“) von 0,01 % (bei Scherben >1mm) und Organik von 0,2 % nicht überschreiten.
Die Flachglasindustrie setzt hier noch deutlich strengere Grenzwerte an: Bei der Aufbereitung der Scherben für den Einsatz als Sekundärrohstoff durchlaufen die Altglasscherben im Recyclingunternehmen einen umfangreichen Reinigungs- und Sortierprozess. Hierbei erledigen heute Maschinen einen Großteil der Arbeiten. Hierbei werden sowohl mechanische (Brechen, Sieben, Magnetabscheidung) als auch optische Sortierprozesse (Fehlfarben, Keramik-, Stein- und Porzellan-Extraktion per Licht) angewendet.
Dennoch ist auch die händische Sortierung großer Fremdstoffe wie andersfarbigem Glas, Plastik oder sonstiger Organik weiterhin Bestandteil des Gesamtprozesses.
Zur Aufbereitung von Flachglas, hier im besonderen von Verbund- oder Drahtglas muss dieses in einem speziellen Verfahren in den Aufbereitungsanlagen vorbereitet werden.
Lesen Sie auch: Glas Recycling in den Niederlanden
Aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche sowohl an das Altglas als auch an das entsprechende Rezyklat, haben die Recyclingunternehmen verschiedene Sammel-Infrastrukturen für das Recycling von Hohlglas und Flachglas etabliert.
Wo werden die Rezyklate von Flachglas eingesetzt?
Die Glas-Rezyklate werden nicht zwangsläufig in derselben Glasindustrie wiederverwertet, aus der sie ursprünglich stammen. Von den im Flachglasrecycling hergestellten Rezyklaten werden nur etwa 11 % wieder der Flachglas-Produktion zugeführt, über die Hälfte geht in die Hohlglas-Produktion und der Rest von ca. 30 % geht in die Herstellung von Mineralwolle, Glasmehl u.a.
Von den Glashütten, die ihrem Gemenge Recyclingscherben zusetzen, gehen hohe Qualitätsanforderungen an die Fremdscherben aus, die Möglichkeiten einer einmaligen oder steten Qualitätssicherung sind vielfältig.
Erfahrungen des IGR Institut für Glas- und Rohstofftechnologie in Göttingen zeigen, dass selbst in einem Land wie Deutschland, wo das Glasrecycling nun seit etwa 50 Jahren flächendeckend praktiziert wird, die Scherbenqualität immer noch schwankt. Dies hat zum einen Gründe im Aufbereitungsprozess, zum anderen spielt aber auch die Herkunft eine Rolle. Aus diesem Grund ist es für den Einsatz von Recyclingscherben für die Glashütte auch wichtig, die Altglaslieferanten zu trennen.
Die Qualitätssicherung (QS) des Endproduktes beginnt für die Glashütten nämlich schon in den eigenen Hallen – durch laufende Überwachung wie z.B. monatliche Analysen und zusätzlich Stichproben des Scherbenmaterials. Dies haben bereits einige Lebensmittelhersteller erkannt und fordern von ihren Verpackungsglaslieferanten ein entsprechendes QS-Konzept welches die Fremdscherben beinhaltet.
Auch das IGR führt im Rahmen einer sogenannten Lot-Beprobung die Qualitätssicherung von Recyclingglas durch und wendet dazu ein Verfahren an, wodurch Stör- und Fremdstoffe angereichert, separiert, identifiziert und quantitativ erfasst werden können.
Gerade im Bereich der Hohlglasproduktion können nicht erkannte Fremdstoffe zu Glasfehlern in Form von eingeschlossenen Relikten führen. Deshalb sind bereits die Qualitätskontrollen beim Recyclingglas von enormer Bedeutung.
Wohin mit den alten Fenstern – Recycling von eingebautem Glas?
Während sich der Einsatz von Recycling-Scherben in der Hohlglasindustrie bereits rentiert, behindern neben den hohen Qualiätsanforderungen der Flachglashütten auch wirtschaftliche Gründe die Verarbeitung von Fremdscherben.
Beispielsweise machen die Transportkosten der Scherben zum Recycler und vom Recycler zur Glashütte etwa ein Drittel der Gesamtkosten des Rezyklats aus.
Da das wiederaufbereite Glas von z.B. alten Fenstern jedoch auch in der Hohlglasindustrie sowie in anderen Bereichen der Glasverarbeitung Verwendung finden kann, muss es unbedingt fachgerecht ausgebaut und sortenrein getrennt werden. Eine Erhöhung der Recyclingquote ist also auch im Bereich Flachglas sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht durchaus erstrebenswert.
Der Autor
Dirk Diederich (d.diederich@igrgmbh.de)ist Geschäftsführer IGR Institut für Glas- und Rohstofftechnologie GmbH sowie ö.b.u.v. Sachverständiger für industrielle Glastechnologie.