Bei der Qatar National Library waren Rob Nijsse, Professor für Baustatik und ABT-Tragwerksberater Ronald Wenting federführend bei der Tragwerksplanung für die wellenförmige Glasfassaden. Doch nicht nur das: In ihrem Artikel „Designing and constructing corrugated glass facades“ schreiben Njisse und Wenting: „Kann die gewünschte Wellenform aus einem Blatt Papier gefaltet werden, kann die Glasindustrie sie auch herstellen“.
Tatsächlich liegt der statische Vorteil einer als Welle ausgeführten Fassade auf der Hand. Wie ein zur Ziehharmonika gefaltetes Blatt Papier verfügt sie über wesentlich mehr Steifigkeit als das plane Papier. Doch so einfach wie der hier zitierte Satz auf den ersten Blick klingt, ist er nicht gemeint. Denn es gibt weltweit nur eine Handvoll Glasbieger, die auch in der Lage sind, gebogene XXL-Scheiben in höchster Qualität und mit minimalen Toleranzen zu produzieren.
Durch die Anordnung der gebogenen Fassadengläser der Qatar National Library ist die Fassade selbsttragend und sehr widerstandsfähig gegenüber Windlasten.
Die Wellenform ermöglicht im Vergleich zu einer planen Glasfläche mit identischer Scheibendicke das Abtragen wesentlich höherer Lasten sowohl senkrecht zur Ebene – laut Rob Nijsse und Roland Weining steigt die Tragfähigkeit hier um 1000 % – als auch in Scheibenebene. Um der Konstruktion mehr Stabilität zu verleihen, wurden in Doha die zwischen den Glaselementen liegenden Stahlsockel mit Säulen im Inneren verbunden.
Energetisch optimiert Fassade mit gewellten Gläsern
Beim Neubau der 138 m langen Bibliothek bilden die Glasfassaden die Form eines Diamanten, wobei die gewellten Gläser in Omega-Form ausgeführt sind. Sie filtern das gleißende Sonnenlicht und leuchten die Bibliothek mit möglichst viel diffusem, blendfreiem Tageslicht aus.
In der National Library hat das Fehlen metallischer Elemente in der gläsernen Fassade noch einen entscheidenden klimatischen Vorteil: es entfallen Wärmebrücken, die die isolierende Wirkung der gebogenen Doppelverglasung schwächen könnten.
Biegen mit Schwerkraft
Joan Tarrus vom spanischen Glasbiegespezialisten Cricursa, der die gebogenen (www.cricursa.com) Gläser für das Projekt lieferte, erläutert dazu: „Als wir die Anfrage nach der wellenförmigen Doppelglasfassade analysiert hatten, schien uns Schwerkraftbiegen der einzige Weg. Obwohl die extremen, klimatischen Bedingungen in Doha eine echte technische Herausforderunge darstellten, bot gebogenes Floatglas die einzige Möglichkeit, eine ganzheitliche Lösung in puncto Geometrie, Beschichtung, Rasterung und Abmessungen zu erzielen. Das Glas auf einen Radius von 550 mm zu biegen, ließ uns beim Designprozess größere Freiheiten.“
Warme Kante ist im Wüstenklima unerlässlich
Die bis zu 5,50 m hohen, laminierten und gebogenen Isoliergläser sind als 2-fach-Einheiten ausgeführt. Eine Low-E-Beschichtung sowie eine Sonnenschutzbeschichtung filtern und reflektieren das einstrahlende Sonnenlicht.
Um die Strahlungstransmission noch weiter zu verringern, wurde zudem ein graues Raster aus 3 mm großen metallischen Punkten mit exakt 6 mm Abstand zueinander eingebrannt; bei diesen engen Radien und großen Formaten eine Meisterleistung.
Als Warme Kante Abstandhalter kam Super Spacer TriSeal Flex zum Einsatz. Das eigens für gebogene Gläser entwickelte Spezialprodukt von Edgetech/Quanex ist für die extremen Klimalasten in der Wüste geeignet.