Kurz nach Fertigstelles Wintergarten stellt der Hausbesitzer fest, dass die im Dach verglasten Isolierglasscheiben unterschiedliche Lichtdurchlässigkeit und Tauverhalten aufweisen. Bei Durchsicht von zwei der vier Scheiben erscheinen die Wolken deutlich dunkler. Diese beiden Scheiben beschlagen auch ganz anders als die übrigen Gläser. Das kommt ihm merkwürdig vor und er bemängelt dies beim Lieferanten.
Der Wintergartenbauer sieht keinen Mangel
Die Firma xy entsendet einen Mitarbeiter der in Begleitung eines Technikers des Isolierglas-Herstellers die Isoliergläser mit den unterschiedlichen Farbwiedergaben beurteilt.
Beide sind sich einig, dass die Unterschiede ja „nicht so schlimm“ seien und innerhalb der Zulässigkeiten liegen würden, die in der Technischen Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Isolierglas beschrieben sind.
Hiermit will sich der Hausbesitzer nicht zufriedengeben und beauftragt den Gutachter im Rahmen eines Privatgutachtens mit der Untersuchung und Begutachtung der Phänomene und der Beantwortung der Frage, ob hier ein Mangel vorliegt.
Was fand der Gutachter auf der Baustelle vor?
Beim Ortstermin stellt der Gutachter fest: Die Isolierglas-Scheiben sind im Dach eines seitlich am Wohnhaus angebauten Wintergartens. (Foto 02 und 03). Von außen durch die Scheiben fotografiert lassen zwei Scheiben der vier Dachgläser die innere weiße Wand deutlich dunkler erscheinen (Foto 01).
Mit einem Lasermessgerät des Typs GlassBuddy misst der Gutachter dann die Aufbauten der Isolierglasscheiben. Von außen von links nach rechts betrachtet haben die Scheiben 01 und 03 folgenden Aufbau:
Die Scheiben 2 und 4 haben folgenden Aufbau
Bei den bemängelten Isolierglasscheiben handelt es sich um sogenannte 2-fach Wärmedämm-Isoliergläser. Da die Beschichtungen nicht wisch- und kratzfest sind, werden Wärmedämm-Isoliergläser üblicherweise so gefertigt, dass die Beschichtung geschützt zum Scheibenzwischenraum weist. Und zwar von außen betrachtet auf Position 3 auf der raumseitigen Scheibe zum Scheibenzwischenraum weisend.
An den Scheiben 2 und 4 stellt der Gutachter fest, dass sich die Beschichtung ungeschützt auf der raumseitigen VSG-Scheibe auf Position 4 befindet. Dies macht sie kratzempfindlich gegenüber Reinigungsarbeiten und verändert auch ihre optischen und physikalischen Eigenschaften.
Sind die Isolierglasscheiben mangelhaft?
Die Feststellung der Mangelhaftigkeit eines Produktes ist eine Rechtsfrage, die nur ein Gericht zu beantworten hat. Üblicherweise bitten die Gerichte jedoch den Sachverständigen um die Beantwortung der Frage, der diese dann „Aus Sachverständigensicht“ beantwortet.
Im vorliegenden Fall sind die falsch beschichteten Scheiben aus Sachverständigensicht mangelhaft und müssen ausgetauscht werden."
Das Fazit des Sachverständigen
Bei der Produktion von Isolierglasscheiben werden die Einzelscheiben üblicherweise automatisch auf der Verbundlinie so zusammengestellt, dass die Beschichtung nach dem Verkleben des Randverbundes in der dann fertigen Isolierglasscheibe zum Scheibenzwischenraum weist. Man sollte doch meinen, dass dies bei dem heutigen hohen Automatisierungsgrad immer so ist.
Der aktuelle Fall zeigt jedoch, dass es trotzdem vorkommen kann, dass die Einzelscheiben falsch herum zusammengestellt werden. Dies stellt aus Sachverständigensicht auf jeden Fall einen Mangel dar.