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Neue FKG Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeit“

Wiederverwendung von Bestandsgläsern

Gedanken zur Nachhaltigkeit sind insbesondere bei einem so wertigen und langlebigen Produkt wie Glas naheliegend.

In einigen Ländern wird die Wiederverwendung von Baumaterialen bereits stark forciert und gesetzlich gefordert (z. B. bei einigen Sanierungsprojekten in der Schweiz). Dies spiegelt sich zudem in den Zielen vieler großer Unternehmen wieder, in der Zukunft zu möglichst 100 % nachhaltige Materialien zu verwenden bzw. in den eigenen (Neu-)Bauten einzusetzen: Investitionen für Konzernzentralen, Produktions- und Retail-Gebäude stehen dabei im engen Fokus.

Wo sind die Märkte für wiederverwendetes Glas?

Insbesondere das Fassadensanierungsgeschäft bietet ein sehr großes Potential für die direkte Wiederverwendung (Re-Use) von Glas. Für den Wohnungsbau mit eher kleineren Glasformaten bieten sich für die Nutzung eher „Altglas-Pools“ an, bei dem die benötigten Basisgläser aus einem Lager mit geprüften Altgläsern für die weitere Bearbeitung entnommen werden.

Der Fachverband Konstruktiver Glasbau e. V. (FKG), ein Zusammenschluss von Glasherstellern, Glasverarbeitern, Fassadenbauern, Zulieferern, Ingenieurbüros und Hochschulen – hat Mitte 2022 die Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeit“ gebildet.

Ziel ist die Erarbeitung von technischen Grundlagen, um getreu dem Motto „Re-Use vor Recycle“ die Weiterverwendung von älteren Verglasungen zu ermöglichen. Die im FKG Arbeitskreis aktiven Firmen, Planer und Hochschulen/Institute lassen ihre Fachkompetenz einfließen und unterstützen das Projekt.

Gibt es Richtlinien für den Re-Use von Glas?

Aktuell gibt es keine normativen oder technischen Grundlagen, die den Planern und Ausführenden als Richtlinie dienen können. Deshalb wird untersucht, ob die etablierten Normen und Richtlinien Verwendung finden können, oder ob abgestufte Qualitätsanforderungen definiert werden müssen.

Die technischen, aber auch rechtlichen, ­Hürden für die Weiterverwendung von Bestandsglas sollten möglichst gering sein. Mit diesem ­Projekt hofft der FKG, anwendungsbezogene Erfahrung zu generieren und der Community zur Verfügung zu stellen.

Welche Gläser bieten sich besonders für den Re-Use an?

Unter „ältere Verglasungen“ (Bestandsglas) werden in erster Linie nicht vorgespannte Float-Glasscheiben verstanden, die als monolithische Verglasung, Verbund(sicherheits)glas oder als Isolierglas verwendet werden.

Der Vorteil von nicht vorgespannten Gläsern ist, dass diese noch nach dem Ausbau geschnitten und weiterverarbeitet werden können. Dies gilt sowohl für einzelne Glasscheiben als auch für Verbundglas. Zudem ist die Weiterverwendung von vorgespannten Glasscheiben auch denkbar, wenn diese im selben Format weiterverarbeitet werden sollen (z. B. zu Verbundsicherheits- oder Isolierglas).

Welche Aspekte werden von den Partnern im FKG untersucht?

Als Merkmale werden zunächst die visuelle Qualität und mechanische Festigkeit der Gläser festgestellt. Hier diskutiert der FKG noch zu definierende Qualitätsklassen, um der Alterung des Glases Rechnung zu tragen. Verbundsicherheitsglas (VSG) wird aktuell hinsichtlich der Erfüllung der geforderten Sicherheitseigenschaften untersucht und bewertet.

Zudem wird die Eignung zur Glasveredelung untersucht. Dazu zählen Zuschnitt, Kantenbearbeitung, Lamination, thermisches Vorspannen und das Aufbringen etwaiger Beschichtungen. Für Isolierglas wird das Auftrennen des Randverbundes und Erneuerung inklusive Wiederbefüllung des Scheibenzwischenraumes mit Edelgas erprobt.

Umsetzung: Um die vorab skizzierten Aspekte zu bewerten, werden ältere Glasscheiben im Rahmen von Renovierungsprojekten ausgebaut und untersucht.

Die ersten Scheiben wurden im Rahmen von energetischen Sanierungen bereits ausgeglast und dem FKG für weiterführende Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Die bisherige Einbausituation und Verwendung wurden dokumentiert.

Für die Bewertung des Altglases wurden die Verglasungen in einer Glaserei zu Probekörpern aufbereitet bzw. Isoliergläser aufgetrennt und den beteiligten Laboren zur Untersuchung und Bewertung zugeführt.

Visuelle Bewertung

Die visuelle Bewertung von älteren Verglasungen erfolgt durch Experten aus der Glasindustrie und Fassadenplanung. Als Basis dienen neben der BF-Richtlinie 006/2019 „Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen“ („Hadamar-Richtlinie“) auch die DIN 572 für Floatglas. Eine automatisierte Bewertung mit Hilfe von Scannern ist ebenfalls angedacht. Hier profitiert der FKG von seiner Erfahrung bei der automatisierten Erfassung und Bewertung von Anisotropien (vgl. Merkblatt FKG 01/2019).

Verarbeitung

Es wird im Moment vermutet, dass nicht vorgespanntes Altglas aus Float vergleichsweise problemlos geschnitten, geschliffen bzw. poliert und wenn erforderlich auch gebohrt und gefräst werden. Für die Herstellung der verschiedenen Probekörper werden diese Verfahren zwangsläufig angewendet. Im Moment geht der FKG davon aus, dass der Schneidprozess der kritischste ist (ggf. bricht das Altglas unkontrollierter je nach Tiefe und Größe der Kratzer).

Erste Erfahrungen zeigen aber, dass das Schneiden und Brechen von älteren Verglasungen problemlos möglich ist. Deshalb werden Bohren, Fräsen und Schleifen voraussichtlich auch ohne größere Herausforderungen möglich sein.

Festigkeit der Gläser

Die Ermittlung der mechanischen Festigkeit erfolgt nach DIN EN ISO 1288, Vierpunktbiegeversuch und Doppelringbiegeversuch. Vorangegangene Forschungsarbeiten von z. B. Schula deuten darauf hin, dass Bestandsglas über eine im Vergleich zu Neuglas reduzierte Ausgangsfestigkeit verfügt. Inwieweit dies für die weitere Verwendung einen Einfluss hat, gilt es noch zu bewerten, da die Festigkeit von Glas nicht nur von der Oberflächenqualität, sondern auch von der Belastungsdauer abhängig ist.

Verbundglas und VSG

Beim Verbundglas (VG und VSG) wird zwischen Alt-VS und neu laminiertes VSG aus Alt-Floatglas unterschieden. Die Eigenschaften von VSG werden insbesondere nach DIN EN ISO 12543 bewertet, wobei Kugelfall- und Pendelschlagversuche die Sicherheitseigenschaften bestätigen. Versuche zur Haftung, v. a. Scherprüfung und Pummel-Test, sollen die Adhäsion der Zwischenschichtfolie an der älteren Glasoberfläche bestätigen. Erste Vorversuche werden aktuell von den Firmen Kuraray und Everlam durchgeführt.

ESG und Glasveredlungen

Weitere Aspekte wie Vorspannen, Bedrucken und Beschichten werden mittelfristig ebenfalls bewertet. Zusätzlich wird untersucht, inwieweit Isolierglas ertüchtigt werden kann (angefangen von der Wiederbefüllung mit Edelgas über Austausch vom Trockenmittel im Randverbund, bis hin zur Herstellung von Isolierglas mit Altglas-Floatscheiben).

Baurecht

Aus baurechtlicher Sicht stellen sich nicht nur im Glasbau die Fragen, wie „alte Produkte“ aktuelle Produktanforderungen (CE-Kennzeichnung) erfüllen und wie Bestandsglas qualifiziert werden kann.

Der FKG ist der Meinung, dass die Hürden für die Wiederverwendung möglichst gering sein müssen. Im Moment scheint die Wiederverwendung von Bestandsbauprodukten baurechtlich nur über eine bauvorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBG) für Bauarten oder eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) für Bauprodukte denkbar; vergleiche ähnliche Diskussion beim Beton („R-Beton“) oder beim Stahl.

Weiterhin wird der Verarbeiter / Fassadenbauer für die Wiederverwendung von Bestandsglas im Moment vermutlich jegliche Gewährleistung ausschließen, was sicherlich nicht im Interesse der Bauherren ist.

Ansprechpartner FKG

Der Fachverband Konstruktiver Glasbau freut sich über einen weiteren Austausch und steht für weiteren Diskussionen und Vorschläge gerne zur Verfügung. Interessierte können sich jederzeit an den Vorstand (Ingo Stelzer, Dr. Mascha Baitinger, Prof. Dr. Bernhard Weller) wenden.

Erste Ergebnisse der Untersuchungen und das weitere Vorgehen werden u. a. auf das Fachtagung „Glas im Konstruktiven Ingenieurbau“ an der Hochschule München vorgestellt.