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Interview mit Pascal Decker von Saint-Gobain Glass

„Gutes Miteinander ist die Basis, um erfolgreich durch schwieriges Fahrwasser zu kommen“

Glaswelt – Herr Decker, Sie sind schon lange für Saint-Gobain tätig. Was waren Ihre früheren Aufgaben im Konzern, und was hat Sie dazu bewogen, sich dem Glas zuzuwenden

Decker – Ich bin tatsächlich schon seit 28 Jahren bei Saint-Gobain und hatte eine Vielzahl an Positionen im Unternehmen inne, vom Werksleiter bis zum Geschäftsführer. Ich war in unterschiedlichen Sparten des Unternehmens und in vielen Ländern aktiv, und habe auch schon in Deutschland gearbeitet. Bisher hatte ich es meist mit Dämmstoffen und technischen Isolierungen zu tun. Im Unterschied zu diesen Werkstoffen, die meist im Hintergrund bleiben, ist Glas ein faszinierendes Material. Es zeigt eine unglaubliche Breite an Anwendungsmöglichkeiten. Das gilt für die technische Performance wie für die gestalterischen Möglichkeiten, gerade in der modernen Glasarchitektur. Deshalb freue ich mich sehr, jetzt hier zu sein.

GW – Auf welche Themen legen Sie Ihren Fokus?

Decker – In den ersten Monaten habe ich in alle Bereiche reingeschaut, viele Kunden besucht und mir ein Bild gemacht. Vor diesem Hintergrund werde ich mich vor allem auf zwei Schwerpunkte konzentrieren: Auf das Zusammenspiel mit unseren Kunden. Hier sehe ich Optimierungspotential im Service. Zudem haben wir als Industrieunternehmen eine große Aufgabe im Bereich Nachhaltigkeit vor uns. Wir müssen die Dekarbonisierung vorantreiben, also den CO2-Fußabdruck der Produktion schrittweise substanziell verringern, um Produkte herzustellen, die wiederum einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung im Laufe ihres Lebenszyklus leisten.

GW – Was steht beim Zusammenspiel mit den Kunden im Fokus für Sie?

Decker – Hier geht es zunächst um ganz praktische Fragen, die für unsere Kunden im Mittelpunkt stehen. Also um Lieferfähigkeit, Servicequalität und Digitalisierung.Mit unseren digitalen Lösungen sind wir zwar prinzipiell schon ganz gut aufgestellt. Aber wir möchten gerne noch mehr Kunden in die digitalen Arbeitsabläufe hereinholen – und zum Beispiel auch auf diesem Weg ihre Fragen zu Lieferzeiten schneller beantworten.

Weitere Optimierungspotenziale sehe ich auf unserer Seite etwa bei der einfacheren Anbindung unserer Kunden an den digitalen Workflow und bei der Nutzeroberfläche der Software.

Darüber hinaus bietet die Digitalisierung sehr viele Möglichkeiten in der Glasberatung. Ein Beispiel ist Calumen, ich finde, es ist ein sehr hilfreiches Tool: Welches Produkt, welche Lösung empfiehlt sich bei einer konkreten Bauaufgabe? Bei aller Begeisterung für die Digitalisierung finde ich aber, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Die digitalen Prozesse sollen die Arbeit unseren Kunden einfacher machen.

GW – Sie sprachen vorher von der Aufgabe, die Saint-Gobain als Industrieunternehmen hat. Können Sie das bitte etwas näher erläutern?

Decker – Wir haben eine starke CO2-Roadmap – bis 2050 haben wir das Ziel weltweit klimaneutral zu sein. Für Unternehmen wie Saint-Gobain mit einer energieintensiven Glasproduktion ist das eine große Herausforderung, die wir auf vielen Wegen angehen. Allein bei der Produktion haben wir eine sehr weitreichende Transformation vor uns. Die Saint-Gobain Werke werden in Zukunft anders aussehen als heute. Einen anschaulichen Eindruck geben Ihnen unsere aktuellen Versuche, die Glasproduktion in definierten Phasen mit einem hohen Wasserstoffanteil zu fahren. Das klappt bereits gut und wir lernen gerade extrem viel.

Parallel arbeiten wir mit der RTWH Aachen an der Machbarkeitsprüfung für einen neuen Typus von Glaswannen, die mit einer Mischung aus grünem Strom und Wasserstoffenergie betrieben werden. Angesichts der langen Laufzeit der Wannen geht es um große Investitionssummen für die Zukunft.

GW – Geben Sie bitte noch einige Details zu der Carbon Roadmap von Saint-Gobain:

Decker – Im Rahmen unserer Carbon Roadmap haben wir systematisch alle Bereiche für CO2-Einsparungen identifiziert und gehen die Herausforderung Schritt für Schritt an. Zum Beispiel haben wir mit Oraé ein Glas auf den Markt gebracht, das einen 40 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck aufweist. CO2-Einsparungen in diesem Umfang zu realisieren, ist keineswegs trivial. Es braucht in großem Maßstab Scherben und diese müssen in der richtigen Qualität in die Glaswanne eingebracht werden. Deshalb arbeiten wir an neuen Stoffströmen, die erst langsam im Zusammenspiel mit Abbruch- und Recyclingunternehmen entstehen.

GW – Wie sieht das aus und können Sie uns dazu konkrete Beispiele nennen?

Decker – Ein schönes Beispiel ist das ehemalige Hauptquartier der Fluggesellschaft SAS in Stockholm (Bild rechts oben). Die Fassade wurde im Zuge einer Sanierung komplett abgebaut. Die alten Gläser haben wir im Werk in Torgau eingeschmolzen und daraus neues Bauglas hergestellt. Nun folgen nach und nach weitere Fassadensanierungen, bei denen wir die Scherben recyceln. Dazu gehen wir (G www.saint-gobain-glass.de/de) Kooperationen mit Abbruch- und Recyclingunternehmen wie Ragn Sells ein.

GW – Wie schnell schätzen Sie die Umsetzung ein?

Decker – Die Scherben sind ein wichtiger Hebel für die CO2-Reduktion der Gläser. Nüchtern betrachtet liegt aber noch eine Wegstrecke vor uns, bis die Mengen auf dem Markt konstant verfügbar sind. Hier findet aktuell ein Umdenken in der gesamten Baubranche statt, um Kreisläufe zum Standard zu machen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Arbeitsprozesse auf Abbruchbaustellen verfeinert und die Logistik für gebrauchte Materialien weiter ausgebaut werden. Das macht es auch uns leichter.

GW – Sie arbeiten also daran Scherben in hoher Qualität zu bekommen?

Decker – Ja. Scherben in ausreichender Menge zu bekommen, ist eine Seite der Medaille. Die andere ist es, eine hohe Qualität der Scherben zur Herstellung neuer Gläser sicherzustellen. Deshalb investieren wir in neue Anlagentechnologien an unseren Standorten. Das heißt, wir schaffen gerade die Voraussetzungen, um CO2-reduzierte Produkte im industriellen Maßstab anbieten zu können. Und so geht es an vielen Stellen vorwärts. Ein Schlüssel ist natürlich auch die Weiterentwicklung unserer Produkte für die Bau- und Immobilienwirtschaft, damit der Green Deal und die Klimawende gelingen. Hier kann Saint-Gobain einen wichtigen Beitrag leisten. Dafür brauchen wir alle einen langen Atem. Diese große Aufgabe in der Fenster- und Fassadenbranche können wir nur gemeinsam lösen.

GW – Wie schätzen Sie die kommende Marktsituation ein?

Decker – Für das vergangene Jahr kann Saint-Gobain trotz aller Herausforderungen eine positive Bilanz ziehen. Für das laufende und vielleicht auch für das kommende Jahr erwarte ich, dass es für uns alle in der Branche schwieriger wird. Grundsätzlich bin ich aber optimistisch, da wir als Unternehmen gut aufgestellt sind und auch, weil weiterhin viel Wohnraum gebraucht wird.

In solch einem geschäftlichen Umfeld stellt sich auch meine Aufgabe sehr klar dar. Als Geschäftsführer bin ich gefordert, klar und fokussiert zu sein. Nur so lassen sich die anstehenden Aufgaben bewältigen. Dabei ist es mir und allen meinen Teams immer wichtig zuzuhören – unseren Kunden und meinen Mitarbeitern. Hier verstehe ich mich als Katalysator bei der Umsetzung unserer langfristig angelegten Strategien. Ein gutes Miteinander bildet die Basis, um erfolgreich durch schwieriges Fahrwasser zu kommen.

Die Fragen stellte Matthias Rehberger!

Beim ehemalige SAS Hauptquartier in Stockholm wurde im Zuge einer Sanierung die Glasfassade komplett abgebaut. Die alten Gläser wurden von Saint-Gobain eingeschmolzen, daraus neues Bauglas hergestellt und dieses dann wieder eingebaut.

Foto: Lasse Olsson Photo

Beim ehemalige SAS Hauptquartier in Stockholm wurde im Zuge einer Sanierung die Glasfassade komplett abgebaut. Die alten Gläser wurden von Saint-Gobain eingeschmolzen, daraus neues Bauglas hergestellt und dieses dann wieder eingebaut.

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