GW – Herr Dr. Overath, wie steht es um unsere Glasindustrie und wie sehen die aktuellen Marktzahlen aus?
Dr. Johann Overath – Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes verzeichnete die deutsche Glasindustrie im letzten Jahr einen Umsatzrückgang von 3,1 Prozent. Damit lag der Gesamtumsatz bei 12,28 Mrd. Euro.
GW – Wie teilt sich der Gesamtumsatz auf – sprich – waren alle untersuchten Glassparten gleichermaßen von einem Rückgang betroffen?
Dr. Overath – Die Entwicklungen in den einzelnen Branchen waren unterschiedlich: Der Gesamtumsatz der Flachglashersteller sank in 2023 um 10,4 Prozent und lag bei 1,10 Mrd. Euro (2022: 1,23 Mrd. Euro). Die Flachglasveredler schlossen das Jahr mit einem Minus von 4,2 Prozent ab, bei einem Gesamtergebnis von 4,64 Mrd. Euro (2022: 4,85 Mrd. Euro). Bei der Spezialglasindustrie sank der Umsatz um 0,7 % auf 1,71 Mrd. Euro. Die Hohlglasindustrie blieb stabil mit einem Plus von 0,1 %, der Umsatz war 3,48 Mrd. Euro. Die Glasfaserhersteller verzeichneten ein Minus von 16,7 % (1,14 Mrd. Euro).
GW – Sehen Sie Licht am Horizont?
Dr. Overath – Durchaus. Wie sich die zweite Jahreshälfte 2024 entwickelt, ist allerdings noch nicht klar; spätestens ab 2025 erwarten wir jedoch eine Markterholung für die heimische Glasbranche.
GW – Lassen Sie uns über Glasrecycling sprechen. Das betrifft die Flachglasbranche und die Fenster- und Fassadenindustrie gleichermaßen. Wo sehen Sie hier Potenziale?
Dr. Overath – In der Glasbranche fällt die größte Menge des Recyclingglases im Bereich des Behälterglases an, was teils durch gesetzliche Vorgaben stark reguliert ist, wie z. B. das Verpackungsgesetz. Die Behälterglasbranche sowie die Fenster- und Fassadenbauer (bei PVC und Aluminium) sind in punkto Recycling gut aufgestellt. Das wäre auch für die Flachglasbranche wünschenswert. Für den deutschen Verpackungsmarkt (Stand 2021) meldet das Umweltbundesamt 3,1 Mio. t Glasverpackungen. Davon wurden rund 2,6 Mio. t gesammelt und einem Recycling zugeführt. Dies entspricht einer Recyclingquote von 85 Prozent. Bei Flachglas sieht die Situation anders aus. Es gibt keine vergleichbaren gesetzlichen Verpflichtungen, abgesehen von der Gewerbeabfallverordnung. Diese soll zukünftig beim Abriss von Gebäuden eine getrennte Glassammlung vorschreiben, wenn die Glasmenge über 0,5 Kubikmeter liegt. Das würde bedeuten, dass das Glas auszubauen ist.
GW – Liegen die Recyclingmengen beim Flachglas deutlich tiefer?
Dr. Overath – Genau das ist der Fall. Meist werden die Recyclingmengen beim Flachglas überschätzt. Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamts werden in Deutschland jährlich unter 15 000 Gebäude abgerissen, was relativ wenig ist und dann in Summe auch wenig Scherben verursacht. Hochgerechnet wären das maximal 10 000 bis 12 000 t pro Jahr, wenn das Altglas beim Abriss entsprechend getrennt gesammelt würde. Dieser Wert ist aber, gemessen an der Gesamtproduktion von Floatglas, relativ wenig.
GW – Wie ließe sich die Sammlung und damit die Glasmenge optimieren?
Dr. Overath – Die Qualität wäre entscheidend. Das bedeutet, dass das Glas im Falle eines Abrisses so ausgebaut wird, dass Verunreinigungen vermieden werden. Dies wäre die Grundvoraussetzung, um das recycelte Glas wieder in hochwertigen Anwendungen nutzen zu können beziehungsweise dieses der Floatglas-Herstellung wieder zuzuführen.
GW – Haben Sie Verbesserungsvorschläge für das Glas-Recycling?
Dr. Overath – Es wäre sinnvoll, wenn beim Abriss von Gebäuden bzw. Fassaden das Glas aus Fenstern und Türen vorab ausgebaut wird. Hier stünden dann sortenreine Scherben für die Glashersteller zur Verfügung.
Anreize die alten Fenster auszubauen und zu entglasen könnten durch Förderprogramme und steuerliche Vorteile geschaffen werden. Allerdings wäre der Aufwand gemessen an der zur Verfügung stehenden Menge sehr hoch.
Was vielen auch nicht bewusst ist: Flachglasscherben werden bereits heute bei der Herstellung von Glaswolle sowie Behälterglas mit recycelt und zu neuen Glasprodukten verarbeitet.
Beim BV Glas haben wir das Thema der Erhöhung der Recyclingquoten beim Flachglas aber im Blick und tauschen uns dazu mit weiteren Verbänden kontinuierlich aus.
Das Interview führte Matthias Rehberger