Glaswelt – Wie sehen Sie die Entwicklungen bei Abstandhaltern für die Warme Kante?
Bastian Breitenfellner – Obwohl es mit den Warme Kante Abstandhaltern aus Edelstahl ein seit Jahrzehnten bewährtes Produkt gibt, hat sich in den letzten Jahren ein regelrechter Hype um Abstandhalter aus Kunststoff entwickelt. Die Hersteller dieser Produkte sowie auch Fensterbauer, Architekten und Bauingenieure sind auf diesen Zug mit dem Ziel immer besserer Psi-Werte aufgesprungen. Viele haben dabei aus dem Blick verloren, dass dieser Zug mit Volldampf nur noch in eine, womöglich die falsche Richtung fährt.
Glaswelt – Wie gingen Sie damit um?
Breitenfellner – Auch wir von Helima haben uns in den letzten Jahren mit Abstandhaltern aus Kunststoff intensiv beschäftigt, und zwar mit einer eigenen Produktgruppe namens NoviTec, die wir sogar für kurze Zeit im Angebot hatten. Mittlerweile sind wir allerdings zu der festen Überzeugung gekommen, dass kein am Markt befindliches Kunststoffprodukt die Vorteile eines Edelstahl-Abstandhalters in der Gesamtbetrachtung erreichen kann. Aus diesem Grund bietet Helima ganz bewusst keine Kunststoff-Abstandhalter mehr an. Diese Erkenntnis resultiert unter anderem daraus, dass Hersteller von Komponenten sowie auch andere Interessenvertreter der Branche die Anforderungen und Normwerte an Abstandhaltersysteme immer weiter auslegen, anstatt sich auf die langfristige Qualität zu fokussieren.
Glaswelt – Erläutern Sie das bitte näher.
Breitenfellner – Aus unserer Erfahrung heraus favorisieren wir Abstandhalter, die aus nur einer Komponente bestehen, z.B. Edelstahl. Diese leisten einen wichtigen Beitrag zur wärmetechnischen Verbesserung einer ISO-Einheit, wobei das Metall die Diffusionsdichtigkeit garantiert. Während Abstandhalter aus Kunststoff grundsätzlich metallische Folien bzw. sogenannte Multilayerfolien zur Abdichtung benötigen, um die wärmedämmenden Edelgase im Scheibenzwischenraum zu halten, sind metallische Abstandhalter von Haus aus diffusions- und gasdicht – und dies über Jahrzehnte hinweg.
Helima gibt aus diesem Grund auch eine lebenslange Garantie für die Gasdichtigkeit ihrer Einkomponenten-Abstandhalter aus Aluminium und Edelstahl – eine Garantie, die Hersteller von Kunststoff-Abstandhaltern mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben werden können.
Glaswelt – Können Sie das näher erläutern?
Breitenfellner – Eine angelegte Praxis-Feldstudie eines Marktbegleiters zum Gasgehalt von Isolierglas-Einheiten hat gezeigt, dass eingebaute Isoliergläser der Baujahre 1990 bis 2005, in denen hauptsächlich Abstandhalter aus Aluminium und Edelstahl verwendet wurden, heute noch Gasgehalte zwischen 87 % und 91 % aufweisen, nach 30 Jahren!
Betrachtet man hingegen die Isolierglaseinheiten der letzten 5 bis 10 Jahre, in denen nach Aussage des Bundesverbands Flachglas immerhin zwischen 50 bis 70 % Kunststoffabstandhalter verbaut wurden, sind die Gasverlustraten mit bis zu rund 40 % dramatisch.
Unter der Annahme, dass die Hersteller bei den Primär- und Sekundärdichtstoffen sowie der Gasfüllrate keine wesentlichen Änderungen vorgenommen haben und die Eigenschaften der Gläser sich tendenziell verbessert haben dürften, hat sich als wesentliche Komponente eigentlich nur der verwendete Abstandhalter geändert. Dies zeigt in mein Augen deutlich, dass Kunststoff-Abstandhalter im Vergleich zu metallischen Abstandhaltern dauerhaft die Edelgase nicht im Scheibenzwischenraum halten können und somit langfristig keine umfängliche und praxistaugliche Problemlösung zur Wärmedämmung darstellen.
Glaswelt – Abstandhalter aus Kunststoff punkten aber mit guten Psi-Werte, oder nicht?
Breitenfellner – Dieser eigentliche, aber ohnehin fragliche Vorteil, des um einige Tausendstel besseren Psi-Werts eines Kunststoff-Abstandhalters verliert in der Praxis deutlich an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Wärmedämmung einer Isolierglasscheibe im Wesentlichen durch die Gasfüllung erreicht wird.
Dabei sind die Gasverlustraten bei Mehrkomponenten-Abstandhaltern durchaus nachvollziehbar und logisch. Die Nachteile der verwendeten Folien, wie z. B. die Mikrorissbildung in den Ecken, die Verbundfestigkeit zwischen Folie und Abstandhalter, das Haftverhalten zwischen Abstandhalter und Sekundärdichtstoff usw., sind branchenweit hinlänglich bekannt.
Und dabei wurden Themen wie die thermische Längenausdehnung, UV-Beständigkeit, Hitzebeständigkeit, Stabilität, Recyclingfähigkeit usw. noch gar nicht berücksichtigt. Auch hier bieten metallische Einkomponenten-Abstandhalter aus Edelstahl und Aluminium erhebliche Vorteile.
Glaswelt – Sehen Sie weitere Punkte, die gegen Spacer aus Kunststoff sprechen?
Breitenfellner – Mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Diskussion über die Verwendung von Kunststoffen verbietet sich der unnötige Einsatz von Kunststoffprodukten im Baugewerbe geradezu. CO2-Einsparung, energetische Sanierung, Passivhaus, Gebäudeenergiegesetz sind nur einige Schlagworte, an denen das grüne Gewissen gemessen werden soll.
Wenn aber der ökologisch orientierte Bauherr neue Fenster kauft, wird ohne zu zögern eine Isolierglasscheibe mit Abstandhaltern aus glasfaserverstärktem Kunststoff in dem aus heimischen, ökozertifizierten Buchenholz gefertigten Fensterrahmen akzeptiert. Darüber, dass dieser Bauherr der nachfolgenden Generation einen Haufen Sondermüll hinterlässt, wird, wahrscheinlich aus Unwissenheit und aufgrund mangelnder Aufklärung, hinweggesehen. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, Abstandhalter aus voll recyclingfähigem Edelstahl zu verwenden und damit gleichzeitig sehr gute Dämmwerte zu erzielen.
Glaswelt – Was ist also Ihr Fazit?
Breitenfellner – Isolierglashersteller, Fensterbauer und Architekten sowie auch Verbraucher sind gefordert und sollten die langfristige Lebensdauer und Qualität der Fenster ebenso im Blick behalten wie die nachhaltigen Umweltaspekte der beim Bau verwendeten Materialien.
Das Interview führte Matthias Rehberger.