Glaswelt – Herr Schmidt, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung zum Vorstand von AGC Interpane. Als langjähriger Mitarbeiter haben Sie gerade während der Pandemie auch turbulente Zeiten miterlebt. Wie hat das Unternehmen diese durchstanden?
Sebastian Schmidt – Vielen Dank! Ja, die Pandemie und erschwerte Lieferketten waren auch für uns herausfordernd und auch die Zukunft setzt eine große Anpassungsfähigkeit voraus. Wir konnten den Krisen bislang hervorragend trotzen. Unser Vorteil ist, dass wir unser Geschäft schon früh diversifiziert haben und schlank und gut aufgestellt sind. AGC Interpane arbeitet weltweit mit hoher Beratungs- und Umsetzungskompetenz im Projektgeschäft und ist seit langer Zeit im hiesigen Markt verankert. Unsere Dezentralität sorgt für Flexibilität und hat die Kunden stets in den Mittelpunkt unseres Handelns gestellt.
Glaswelt – Wie sieht es mit Investitionen aus?
Schmidt – Wir investieren kontinuierlich in unsere Standorte, unsere IT-Infrastruktur sowie in Forschung und Entwicklung, um „State-of-the-Art“-Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und diese auch serviceorientiert unseren Kunden zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel ist „Coating on Demand“, das individuelle Beschichtungen für jede architektonische Version möglich macht, statt nur Produkte „von der Stange“ anzubieten. Wer besondere Ansprüche hat, kommt zu uns und wir schaffen die passende Lösung. Ferner haben wir treue Kunden, engagierte Partner und Mitarbeiter mit hoher Identifikation, deren Einsatz und Loyalität entscheidend dazu beigetragen haben, die Herausforderungen zu stemmen.
Unser Fokus bei AGC Interpane liegt darauf eine ausgewogene Mischung aus bewährten und neuen Technologien anzubieten.
Foto: AGC Interpane
Glaswelt – Wie sehen Sie die Zukunft von AGC Interpane und welche strategischen Ziele möchten Sie erreichen?
Schmidt – Wir sind für die Zukunft gut aufgestellt und wir werden weiter wachsen. Für ein noch effizienteres Arbeiten im weltweiten Projektgeschäft haben wir z. B. gerade unsere schlagkräftigen Standorte in Lauenförde und Plattling reorganisiert und fusioniert. Seit dem 1. September sind die Standorte als „AGC Interpane Architectural Glass“ (G www.interpane.com) auch organisatorisch und strukturell eine Einheit. Das macht uns flexibler und noch schneller. Im regionalen Markt gibt es ähnliche Projekte.
Glaswelt – Und die heimischen Märkte?
Schmidt – Was die wirtschaftlichen Bedingungen betrifft, so erwarten wir im hiesigen Neubaugeschäft vorerst keine Wunder, aber stetiges Wachstum im Segment der energetischen Sanierung von Gebäuden. Hier stehen insbesondere der sommerliche Wärmeschutz, eine hohe Wärmedämmung sowie die künftige CO₂-Neutralität des Gebäudebestands im Fokus.
Glaswelt – Architektur- und Bauindustrie sind sich der hohen Bedeutung von nachhaltigen, energieeffizienten Lösungen zunehmend bewusst. Welche Rolle spielt AGC Interpane bei der Förderung entsprechender Technologien?
Schmidt – Interpane hat in den 1980er-Jahren mit „iplus“ das erste farbneutrale Wärmedämmglas entwickelt und hat seither nicht an Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer energieeffizienter Glasprodukte eingebüßt. Hierzu hat im letzten Jahrzehnt auch der Schulterschluss mit unserer Konzernmutter AGC Glass Europe beigetragen. AGC hat seit 2010 Produkte nach Cradle to Cradle umweltzertifiziert, um stetig nachhaltiger zu werden und Architekten und Investoren Vorteile bei der Zertifizierung ihrer Gebäude nach DGNB, LEED, BREAM, WELL und anderer Standards zu verschaffen. Wir messen unseren ökologischen Fußabdruck seit langer Zeit und verbessern uns kontinuierlich.
Glaswelt – Warum ist das so wichtig?
Schmidt – Diese klare Ausrichtung auf Nachhaltigkeit hat uns geholfen, umweltfreundliche Lösungen für den wachsenden Bedarf an energieeffizienten Glasprodukten zu decken. Dies stärkt nicht nur unsere Position am Markt, sondern ist auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Wir sehen unser Unternehmen hier als Vorreiter und arbeiten jeden Tag mit unseren Kollegen von AGC daran, um diesen Wandel auch anzuführen.
Glaswelt – Die Arbeit von Architekten und Verarbeitern verändert sich auch im Hinblick auf digitale Planungswerkzeuge und BIM. Wie unterstützen Sie diesen Entwicklungen?
Schmidt – Die Digitalisierung sehen wir neben Sustainability als einen der großen „Game-Changer“. Es gilt, hier keinen Trend zu verpassen und stets einen Schritt voraus zu sein. Wir haben bereits viel in die digitale Transformation investiert, um unsere Prozesse noch effizienter zu gestalten und eine vereinfachte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Wir können mit Stolz behaupten, dass an all unseren Standorten modernste Technik zum Einsatz kommt und unsere Serviceportale ständig weiter ausgebaut werden. Dennoch ist hier noch viel mehr möglich. Seien Sie sicher, auch für die Zukunft können unsere Kunden noch viele neue und stets zeitgemäße Lösungen von uns erwarten.
Glaswelt – Wie wirkt sich die Integration in die AGC Gruppe auf das Produktangebot von AGC Interpane aus?
Schmidt – Die Integration hat beiden Unternehmen Vorteile verschafft. Hierdurch profitieren wir z. B. vom „AGC Technovation Centre“, einem Forschungs- und Entwicklungszentrum in dem über 300 Forscher, Ingenieure und Techniker neue Lösungen entwickeln. Diese „Manpower“ hatten wir als mittelständische Gruppe vorher nicht. Dennoch hat auch unsere Entwicklungs- und Beratungsgesellschaft stets wegweisende Technologien entwickelt, etwa unsere führende Stellung bei den Beschichtungstechnologien, mit echten Meilensteinen für die Glasindustrie. Dieses Kompetenzzentrum wird durch die neue Zusammenarbeit auch nicht verdrängt, sondern profitiert vielmehr vom gegenseitigen Austausch mit unserer Konzernmutter in vielen Bereichen und steuert selbst unser umfangreiches Fachwissen im Bereich Plasma und Engineering bei.
Glaswelt – Und wie profitiert die Gruppe?
Schmidt – Auch die AGC-Gruppe im Ganzen hat vom Schulterschluss profitiert, zum Beispiel von unserer hervorragenden anwendungstechnischen Beratung, die Kunden seit Jahrzehnten von der Projektplanung bis zur Fertigstellung renommierte Architekturprojekte weltweit begleitet. Generell ermöglichen uns viele Synergieeffekte, neue Produkte und auch Fertigungs-Technologien schneller zu implementieren.
Glaswelt – Wird es Veränderungen im Produktsortiment geben?
Schmidt – Neue Glastechnologien sind zweifellos ein wichtiger Faktor in der Glasindustrie. Unser Ziel wird immer sein, den aktuellen Anforderungen an Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Funktionalität ein stückweit voraus zu sein. Optimierte und neue Multilayer-Beschichtungen, smarte Technologien, transparente Lösungen zur solaren Energiegewinnung und mehr. Dazu kommen ressourcen-schonende Produkte, die mit wenig(er) Materialeinsatz exzellente Ergebnisse erzielen und am Bedarf der Menschen orientiert sind. Produkte können so „smart“ werden wie sie wollen, letztlich bringt es aber langfristig nichts, wenn gleichzeitig die „graue Energie“ für ihre Erzeugung zu hoch ist, sie am Produktle-bensende nicht wieder in Kreisläufe gehen können oder schlicht und ergreifend zu teuer für die Kunden werden.
Glaswelt – Was ist dazu Ihr Fazit?
Schmidt – Am intelligentesten sind letztlich unkomplizierte und ökonomisch attraktive Produkte, die ihren Zweck exzellent erfüllen und am Ende zu Rohstoffen für neue Produkte werden. Unser Fokus liegt aus diesem Grunde darauf, eine ausgewogene Mischung aus bewährten und neuen Technologien anzubieten. Die Kombination aus Innovation und Beständigkeit war schon immer der Schlüssel für unseren Erfolg.
Das Interview führte Matthias Rehberger