Glaswelt – Seit gut einem Jahr steuern Sie die Geschicke von Lisec, wie ist das Unternehmen heute aufgestellt?
Gottfried Brunbauer – Heute ist Lisec (www.lisec.com) produkttechnisch grundsätzlich nicht anderes aufgestellt als vor einem Jahr. Wir decken weiterhin das gesamte Spektrum der Flachglas-Verarbeitung für Fenster-, Fassaden- und Architekturglas, inklusive Sonderanwendungen wie beispielsweise für PV-Elemente mit Maschinen, Software und Services als Gesamtanbieter ab und bearbeiten den gesamten Flachglas-Verarbeitungsmarkt weltweit.
Allerdings setzen wir intern und auch gegenüber unseren Kunden andere Prioritäten bzw. andere Schwerpunkte als zuletzt.
Glaswelt – Was hat sich verändert, seit Sie das Unternehmen leiten?
Brunbauer – Die wesentlichen Änderungen bisher waren eine Straffung und Vereinfachung der inneren Struktur im Sinne von mehr Transparenz, Geschwindigkeit und Flexibilität. Zudem haben wir unser gesamtes Softwaregeschäft wieder eng mit dem Maschinenbau verbunden, um den Kunden optimal integrierte Gesamtlösungen aus einer Hand zu bieten. Die wichtigste Verbesserung war jedoch die noch konsequentere Ausrichtung der gesamten Organisation auf den Kundennutzen und auf die Sicherstellung einer größtmöglichen Kundenzufriedenheit.
Glaswelt – An welchen Herausforderungen arbeiten Sie aktuell?
Brunbauer – Aktuell liegt unser Fokus darauf, die Veränderungen der letzten Zeit nachhaltig zu verankern und die Kundenbeziehungen gezielt zu stärken. Inhaltlich liegen unsere Prioritäten auf der professionellen Abwicklung jedes einzelnen Kundenauftrages und gerade auch auf unseren weltweiten großen Turn-Key-Projekten. Ein weiterer Schwerpunkt besteht in der laufenden Abrundung und Weiterentwicklung unseres Produkt- und Leistungsprogramms entsprechend den erkennbaren Trends. Hier wirft bereits die kommende glasstec 2020 ihre Schatten voraus. Nicht zuletzt gilt es, uns auf die Konjunkturschwankungen vorzubereiten, welche auch unsere Branche in absehbarer Zeit erreichen könnten.
Glaswelt – Die Digitalisierung und Automatisierung stellt für viele Verarbeiter eine Herausforderung dar, sehen Sie für die Betriebe mögliche Knackpunkte?
Brunbauer – Bezüglich Digitalisierung und Automatisierung sehe ich für unsere Kunden prinzipiell die gleichen Knackpunkte wie für uns. Grundsätzlich kann man Digitalisierungs- und Automatisierungslösungen fast beliebig komplex gestalten. Dies bringt jedoch nicht nur hohe Kosten, sondern auch zusätzliche Anforderungen an das Personal, zusätzliche Komplexität und potenzielle zusätzliche Störquellen mit sich. Daher gilt es für unsere Kunden genauso wie für uns, nicht um der Digitalisierung Willen zu digitalisieren oder um der Automatisierung Willen zu automatisieren. Es ist wichtig, immer genau zu hinterfragen, welchen konkreten Nutzen und welchen Mehrwert hat eine derartige Lösung für den jeweiligen Betrieb bzw. in der Folge für deren Kunden und wie steht dies im Verhältnis zu den Kosten und zur höheren Komplexität, die damit verbunden sind. Nur so besteht Chance, dass Digitalisierung und Automatisierung einen nachhaltigen Nutzen bringen und nicht zur Bürde werden.
Glaswelt – Und wie unterstützt Lisec hierbei die Betriebe?
Brunbauer – Wir können die Betriebe im Wesentlichen in drei Punkten unterstützen. Erstens, indem wir unseren Kunden zu jenen Lösungen raten, die ihr Anforderungen unter Vermeidung unnötiger Komplexität jeweils bestmöglich erfüllen. Zweitens, indem wir ein breites Programm an gut abgestuften Komponenten, Maschinen und Softwareprodukten bieten, mit welchen diese Lösungen jeweils möglichst anforderungsgerecht umgesetzt werden können und drittens, indem wir die erforderlichen Schulungs- und Trainingsmöglichkeiten für die Bediener bei uns im Haus oder beim Kunden zur Verfügung stellen und die Implementierung und den Anlauf der Systeme beim Verarbeiter eng begleiten.
Glaswelt – Mit Lisec.eye gibt es jetzt ein spannendes Tool für Glasverarbeiter. Können Sie kurz erklären, was dahinter steckt und wie es zur Entwicklung kam?
Brunbauer – Um die erforderliche Anlagenverfügbarkeit im Betrieb sicherzustellen und allenfalls auftretende Störungen rasch zu beheben, sind heute ein entsprechender Telefon-Support sowie ein Remote-Service unerlässlich. Punkte, welche die Mechanik oder auch den Bedienablauf betreffen werden dabei meist telefonisch geklärt, denn diese sind über Systemparameter oder Systemmeldungen vielfach nicht erfassbar. Fragen betreffend der Parametereinstellungen in der Software oder allfällige Systemmeldungen lassen sich meist mittels Remote-Service klären.
Insbesondere beim Telefon-Support hängt die Effizienz der Unterstützung und die Geschwindigkeit der Lösung in hohem Maß von der sprachlichen Verständigungsmöglichkeit des Bedieners vor Ort und unseres Experten im Werk ab. Selbst wenn diese die gleiche Muttersprache sprechen, verwenden sie häufig nicht die gleichen technischen Begriffe oder unterschiedliche Beschreibungen, was die Unterstützung und die Lösungsfindung deutlich erschwert und verlangsamt. Genau diese Lücke schließt Lisec.eye, denn damit ist es mittels einer einfachen App möglich, dass der Bediener vor Ort und unser Spezialist im Werk parallel zum Telefongespräch via handelsüblicher Smartphones oder Tablets in Echtzeit Bilder oder Videos austauschen. In diesen Bildern lassen sich die betreffenden Stellen markieren sowie Inhalte einfügen und so den Sachverhalt noch schneller und präziser erfassen, austauschen und diagnostizieren, um eine Lösung zu finden.
Glaswelt – Was bieten Sie noch als After Sales
Services an?
Brunbauer – Neben dem Telefon-Support in Verbindung mit Lisec.eye sowie dem Remote-Service, einer umfassenden Ersatzteilversorgung, der üblichen Techniker-Unterstützung sowie unserem umfangreichen Schulungs- und Trainingsprogramm bieten wir auf Wunsch auch vorbeugende Service- und Wartungseinsätze an.
Weiter bieten wir unseren Kunden ein umfangreiches Long-Life Programm. Ausgangspunkt ist, dass die in den Maschinen eingesetzten Steuerungen, die Betriebssysteme oder die Antriebskomponenten durch unsere Sublieferanten nach einer längeren Zeit nicht mehr unterstützt werden. Dadurch erhöht sich im Fall eines Ausfalls das Risiko eines langen Stillstandes, obwohl die Mechanik der Maschine noch eine längere Nutzung ermöglichen würde.
Im Zuge von Long-Life bieten wir die Möglichkeit, Steuerungen, Betriebssysteme oder Antriebskomponenten auf den aktuellen Stand umzurüsten, um dieses Risiko zu vermeiden und die Maschinen noch länger betreiben zu können. Damit bieten wir einen umfassenden After Sales Service, der alle wesentlichen Aspekte abdeckt.
Glaswelt – In diesem Jahr war Lisec wieder mit einem Stand auf der Vitrum, was gab es neues zu sehen?
Brunbauer – Die Vitrum wird von vielen Kunden aus internationalen Märkten besucht. Wir waren vor Ort, um unseren Kunden auf der Messe eine Anlaufstelle zu bieten und die Kontakte zu intensivieren. Dementsprechend haben wir auf der Vitrum keine Maschinen bzw. Innovationen präsentiert, sondern den Fokus auf unseren Service und auf unsere Nähe zum Kunden gelegt. Insofern gab es dort von Lisec nichts Neues zu sehen. Diesbezüglich richten wir unseren Blick bereits auf die glasstec.
Glaswelt – 2020 steht die glasstec als wichtigste Messe für die Branche an, worauf werden Sie dort Ihren Fokus lenken?
Brunbauer – Wir sind der einzige Gesamtlösungsanbieter, der die Geschäftsprozesse der Flachglas-Verarbeiter für Fenster-, Fassaden- und Architekturglas, inklusive Sonderanwendungen, von der Auftragserfassung bis zur Versandlogistik einschließlich aller wesentlichen Verarbeitungstechnologien durchgehend mit Soft- und Hardwarelösungen sowie entsprechenden Services aus einer Hand unterstützen kann. Wir werden uns darauf konzentrieren, dieses Leistungsspektrum umfassend zu präsentieren. Im Rahmen dieses Schwerpunktes werden wir natürlich auch konkrete Neuerungen zeigen.
Glaswelt – Können Sie vielleicht noch ein, zwei Details verraten?
Brunbauer – An sich möchte ich keine Details verraten. Ich denke, dass es im Verbundglas-Zuschnitt, im Bereich der Isolierglas-Fertigung sowie auch bei der Software einige Neuerungen zu sehen geben wird.
Glaswelt – Wie ist Lisec für die kommenden Jahre strategisch aufgestellt?
Brunbauer – Grundsätzlich haben wir eine gute Ausgangsbasis. Allerdings verändern sich unsere Kunden, die Struktur der Märkte, aber auch die Technologie der Endprodukte, welche auf unseren Maschinen und Anlagen hergestellt werden, laufend. Daher werden wir uns betreffend Vertrieb und gerade auch im After Sales Service noch flexibler aufstellen, um so nahe wie möglich am Kunden zu sein, in allen Belangen eine top Performance zu bieten und auf Veränderungen rasch reagieren zu können. Ebenso werden wir uns im Engineering und in unserer Wertschöpfungsstruktur flexibler aufstellen, um bezüglich unseres Produkt- und Leistungsprogramms sowohl technologisch, technisch als auch kostenmäßig für die Zukunft bestmöglich gerüstet zu sein und auch hier auf Veränderungen rasch reagieren zu können. Zu diesem Zweck werden wir unter anderem verstärkt Netzwerke in verschiedene Richtungen aufbauen.
Glaswelt – Was wünschen Sie der Glasbranche?
Brunbauer – Ich wünsche der Glasbranche insbesondere, dass sich die konjunkturellen Turbulenzen, die derzeit vor allem von der Automotive-Industrie ausgehen, rasch wieder glätten und keine weiteren Kreise ziehen, vor allen nicht in die Infrastrukturentwicklung und in die Baubranche hinein.
Das interview führte Matthias Rehberger.