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Im Gespräch mit Christophe Lenderoth

„Mit diesem Projekt haben wir auch ein Statement für mehr Nachhaltigkeit gesetzt“

GW – Was war der Antrieb für das Projekt?

Christophe Lenderoth – Der Antrieb für dieses Projekt war die Notwendigkeit, über kurzfristige, konventionelle Lösungen hinauszugehen. Unser Ziel war es, ein Beispiel dafür zu schaffen, dass nachhaltiges, zirkuläres Bauen nicht nur möglich, sondern auch auf höchstem technischen Niveau umsetzbar ist. Der Klimawandel und die schwindenden Ressourcen haben uns motiviert, neue Lösungen zu entwickeln, die nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch langfristig helfen, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Wir wollten ein Leuchtturm-Projekt schaffen, das zeigt, wie zirkuläres Bauen den Ressourcenverbrauch nachhaltig minimieren kann und gleichzeitig innovative Ansätze für die Architektur und die Bauwirtschaft der Zukunft eröffnet.

GW – Wo lagen die Herausforderungen?

Lenderoth – Eine der größten Herausforderungen bestand darin, die staatliche Förderbank für unser Vorhaben zu gewinnen. Obwohl wir starke Argumente wie die hohe Recyclingquote und den innovativen Ansatz des zirkulären Bauens vorgebracht haben, war es schwierig, die langfristigen ökologischen und ökonomischen Vorteile unseres Projekts zu vermitteln. Besonders bei Pilotprojekten, die neue Maßstäbe setzen, ist es oft nicht einfach, konservative Förderstrukturen und Entscheidungsträger für visionäre Ideen zu gewinnen.

Trotz intensiver Bemühungen blieb eine finanzielle Unterstützung aus. Eine größere Offenheit für visionäre Bauideen seitens Förderinstitutionen wie der KfW-Bank könnte die Entwicklung nachhaltiger Bauprojekte entscheidend fördern. Wir haben uns jedoch nicht entmutigen lassen und nach alternativen Finanzierungswegen gesucht, um das Projekt erfolgreich zu realisieren.

GW – Und wie sah es bei der Umsetzung aus?

Lenderoth – Die Umsetzung erforderte eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Partnern. Es ging nicht nur darum, die besten Materialien zu finden, sondern auch darum, innovative Fertigungs- und Montageprozesse zu entwickeln, die den Materialien gerecht werden. Eine der größten Herausforderungen war der Rückbau der bestehenden Gebäudefassade. Anstelle eines herkömmlichen Abrisses haben wir eine präzise, sortenreine Trennung der Materialien durchgeführt, um sicherzustellen, dass möglichst viele Wertstoffe recycelt und wiederverwendet werden konnten. Gleichzeitig haben wir während der gesamten Bauphase großen Wert darauf gelegt, den CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Es war ein anspruchsvoller Prozess, der viel Koordination und technisches Know-how erforderte, aber letztlich einen bedeutenden Beitrag zum zirkulären Bauen leistete.

GW – Wie kamen Wicona und Saint-Gobain als Partner bei dem Projekt mit ins Boot?

Lenderoth – Wir suchten gezielt nach Partnern, die unsere Haltung teilen und über die technische Expertise verfügen, um sie erfolgreich umzusetzen. Auf der letzten BAU-Messe in München hatten Wicona und Saint-Gobain Glass einen gemeinsamen Messestand, auf dem sie ihre nachhaltigsten Produkte präsentierten. Wicona, mit ihrer langjährigen Erfahrung in Fenster- und Fassadensystemen sowie den recycelten Aluminiumprofilen, und Saint-Gobain, als Pionier im Bereich CO2-reduzierten Glas, waren für uns die idealen Partner. Beide Unternehmen brachten nicht nur ihr technisches Know-how ein, sondern auch innovative Lösungen und engagierte Ansprechpartner, die den hohen Anforderungen unseres Projekts gerecht wurden.

GW – Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Projekt gewonnen?

Lenderoth – Eine der wichtigsten Erkenntnisse war, dass zirkuläres Bauen eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten erfordert. Jedes Glied in der Kette – von den Planern über die Lieferanten bis hin zu den Handwerks- und Recyclingbetrieben – muss koordiniert zusammenarbeiten, um ein solches Projekt erfolgreich umzusetzen. Wir haben zudem gelernt, dass man mit recycelten Materialien deutlich mehr erreichen kann, als ursprünglich gedacht.

GW – Was macht die Fassade so besonders?

Lenderoth – Unsere Fassade ist die weltweit erste, die zu 100 % aus recyceltem Aluminium und zu 64 % aus recyceltem Glas besteht und dabei höchste Nachhaltigkeitsstandards erfüllt. Dieses Projekt zeigt, dass technologische Innovation und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können.

GW – Würden Sie das Projekt heute wieder angehen, was würden Sie dabei anders machen?

Lenderoth – Ehrlich gesagt würde ich nicht viel anders machen. Die Entscheidung, Materialien mit den höchstmöglichen Recyclingquoten einzusetzen, hat deutlich gezeigt, welche Hebelwirkung das zirkuläre Bauen haben kann. Die Verwendung von Sekundärbaustoffen ist ein zentraler Schlüssel zur Dekarbonisierung des Bausektors. Unsere Fassadenrevitalisierung hat bewiesen, dass dies ohne größere Probleme umsetzbar ist. Ich hoffe, dass unser Projekt als Blaupause für viele weitere – sowohl große als auch kleine – Bauprojekte dienen wird.

GW – Wie beeinflusst das Projekt nachwirkend Ihre Arbeit heute?

Lenderoth – Dieses Projekt hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt aller Entscheidungen zu stellen. Es hat uns ­inspiriert, auch in zukünftigen Projekten immer die Frage zu stellen: Wie können wir noch umweltfreundlicher und ressourcenschonender arbeiten? Unser gesamtes Team ist sensibilisiert, nach­haltiger zu agieren, und wir suchen kontinuierlich nach Wegen, diese Prinzipien weiter zu optimieren und in allen unseren Projekten umzusetzen.

GW – Neben den fachlichen und wirtschaftlichen Aspekten, was bedeutet für Sie nachhaltiges Handeln?

Lenderoth – Um die Frage nach nachhaltigem Handeln zu beantworten, ist es zunächst wichtig, den Begriff „Nachhaltigkeit“ klar zu definieren, um Missverständnisse und den Verdacht des sogenannten „Greentalkings“ zu vermeiden.

Für mich bedeutet nachhaltiges Bauen weit mehr als nur die Verwendung umweltfreundlicher Materialien. Es geht darum, Ressourcen zu schonen, Energieeffizienz zu fördern, Abfälle zu minimieren und gesunde, langlebige Lebensräume für Menschen und Natur zu schaffen. Nachhaltiges Agieren bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für das, was wir heute tun, sondern auch für das, was wir kommenden Generationen hinterlassen. Nachhaltiges Bauen ist kein vorübergehender Trend, sondern ein langfristiges Engagement, das unser Denken und Handeln in allen Bereichen prägt.­

Das Interview führte Matthias Rehberger.