Seit 2018 wird von der RAL-Gütegemeinschaft das neue Gütezeichen ESG-HF für heißgelagertes, fremdüberwachtes ESG vergeben. Der Bundesverband Flachglas und die Gütegemeinschaft Flachglas stellen damit im Rahmen einer Branchenlösung sicher, dass dieses bewährte Produkt mit geprüfter Sicherheit auch weiterhin verwendet werden darf.
Die deutsche Bauaufsicht hatte seit jeher in der Bauregelliste A zusätzliche Anforderungen an den Heißlagerungsprozess von ESG definiert, um ein angestrebtes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Vom heißgelagerten ESG nach EN 14179 unterschied sich das so definierte „ESG-H“ als nationale Besonderheit wesentlich durch zwei Punkte: zum einen eine längere Haltezeit (4 Stunden statt 2 Stunden nach Norm), zum anderen eine obligatorische Fremdüberwachung.
Solche nationalen Zusatzanforderungen in der Bauregelliste wurden dann aber mit dem Urteil C-100/13 des Europäischen Gerichtshofes vom 16.10.2014 für unzulässig erklärt. Jetzt wird „ESG-H“ in der Anlage 1.2.7/2 der MVV TB 2019 definiert als heißgelagertes ESG nach EN 14179-2:2005.
Welche Anforderungen werden aktuell an ESG gestellt?
Die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2019 schreibt in Anlage 1.2.7/2 vor: „Monolithische Einfachgläser oder äußere monolithische Scheiben von MIG aus Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) und heißgelagertem ESG dürfen aufgrund der Versagenswahrscheinlichkeit durch Nickelsulfid-Einschlüsse (Spontanbrüche) nur eingebaut werden, wenn deren Oberkante unter 4 m über Verkehrsflächen liegt.
Davon abweichend darf heißgelagertes ESG als monolithisches Einfachglas oder als äußere monolithische Scheibe von MIG ohne Begrenzung der Einbauhöhe verwendet werden, wenn durch geeignete Maßnahmen die Versagenswahrscheinlichkeit durch Nickelsulfid-Einschlüsse (Spontanbrüche) so reduziert wird, dass Verglasungskonstruktionen ausreichend sicher errichtet werden können.
Ausreichend sicher ist, wenn ein Mindestwert des Zuverlässigkeitsindex β = 4,7 (Bezugszeitraum 1 Jahr) bzw. β = 3,8 (Bezugszeitraum 50 Jahre) nach DIN EN 1990:2010-12 erreicht wird.“
Was sagt die DIN 18008 zu heißgelagertem ESG?
In der DIN 18008-2 von 2020 findet sich wortgleich die gleiche Anforderung: heißgelagertes ESG als monolithisches Einfachglas oder als äußere monolithische Scheibe von MIG über 4 m darf nur dann verwendet werden, wenn durch geeignete Maßnahmen die Versagenswahrscheinlichkeit ausreichend reduziert wird. Hier werden diese geeigneten Maßnahmen auch definiert:
„Die in Anhang C beispielhaft beschriebenen Maßnahmen sind nach dem Stand der Technik geeignet, die erforderliche Reduzierung der Versagenswahrscheinlichkeit durch Nickelsulfid-Einschlüsse sicherzustellen.“
In Anhang C werden die Maßnahmen wie folgt beschrieben: „Für eine Verwendung von monolithischem heißgelagertem thermisch vorgespanntem Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas nach DIN EN 14179-1 und -2 über 4 m Einbauhöhe ist die Zuverlässigkeitsklasse RC 2 sicherzustellen; hierzu ist für den Heißlagerungsprozess eine Prozedur entsprechend DIN EN 1990/NA:2010-12, Tabelle NA.B.2, Zeile „IL2 in Verbindung mit RC2“ nachzuweisen.“
Und dort wiederum wird klar eine Fremdüberwachung verlangt:
„Überwachung der Herstellung durch unabhängige Drittstelle, durch einen Prüfingenieur oder einen Prüfsachverständigen für Bautechnik (Fremdüberwachung)“
lautet die in DIN EN 1990/NA:2010-12, Tabelle NA.B.2, Zeile „IL2 in Verbindung mit RC2“ aufgeführte Anforderung.
Neu: Jetzt reichen 2 Stunden Haltezeit nach Norm
Einige Verunsicherung gibt es zur Frage nach der vorgegebenen Haltezeit. Die Güte- und Prüfbestimmungen der GGF verweisen hierzu auf die jeweils gültige Fassung der EN 14179-1. Die Norm gibt die Haltezeit mit 2 Stunden an. In der neuesten Fassung der EN 14179-1:2016-12, die jedoch bauaufsichtlich noch nicht eingeführt ist, steht dazu der Begriff „Mindestdauer“, in der derzeit bauaufsichtlich noch gültigen Fassung 2005-09 heißt es hingegen lediglich: „Die Dauer der Haltephase beträgt 2 h“.
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Es existieren sowohl deutsche allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen als auch europäische ETAs, die eine vierstündige Haltezeit verlangen. Im Moment wird daher auch von Seiten der Gütegemeinschaft Flachglas dazu geraten, weiterhin wie unter den früheren Vorgaben der Bauregelliste mit 4 Stunden Haltezeit zu produzieren und das durch die Fremdüberwachung entsprechend zu dokumentieren, insofern also „mehr zu tun“ als die Norm verlangt. BF und GGF setzen sich dafür ein, dass in Zukunft klargestellt wird, dass die 2 Stunden Haltezeit nach Norm ausreichen.
Wie schafft die Gütegemeinschaft Flachglas GGF Rechtssicherheit für die Hersteller und Anwender von heißgelagertem ESG?
Zusammen mit dem BF will die GGF Rechtssicherheit für die Hersteller und Anwender von heißgelagertem ESG schaffen. Darum bietet sie unter dem neuen RAL-Gütezeichen ein System der Fremdüberwachung an, das die Anforderungen von Norm und Bauaufsicht erfüllt.
Die Güte- und Prüfbestimmungen für ESG-HF wurden in Zusammenarbeit mit den Prüfinstituten erstellt, die auch unter der Bauregelliste schon die Fremdüberwachung vorgenommen haben: Friedmann & Kirchner GmbH, ift Rosenheim, Kiwa GmbH, Labor für Stahl- und Leichtmetallbau an der Hochschule München, MPA Darmstadt, Verrotec Mainz.
Diese Prüfinstitute werden von der GGF anerkannt und nehmen als Gäste an den Sitzungen des Güteausschusses ESG-HF teil. Auf dieser Grundlage vergibt die Gütegemeinschaft das neue Gütezeichen heißgelagertes ESG, das vom Dachverband RAL Deutsches Institut für Gütesicherung offiziell anerkannt wurde.
Braucht man unbedingt das RAL-Gütezeichen?
Es ist auch ohne das RAL-Gütezeichen ESG-HF möglich, einen Überwachungsvertrag abzuschließen und den Anforderungen der Bauaufsicht zu genügen. Das RAL-Gütezeichen als privatwirtschaftlich vereinbartes Zeichen erlaubt dem Hersteller aber, dem Markt deutlich zu signalisieren, dass er die Anforderungen einhält.
Und: Als Branchenlösung zeigt das RAL-Gütezeichen ESG-HF auch nach außen, dass die Glasbranche gemeinsam einen praktikablen Weg geht, um dafür zu sorgen, dass heißgelagertes ESG mit der geforderten Sicherheit produziert wird und daher auch uneingeschränkt verwendet werden darf.
Was sollten Hersteller von ESG jetzt tun?
Hersteller von heißgelagertem ESG sollten sich an eines der genannten Prüfinstitute wenden und einen Vertrag über die Fremdüberwachung ihrer Produktion auf der Grundlage der RAL-Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 525 abschließen. Im Zweifel hatten sie natürlich schon unter der Bauregelliste einen Überwachungsvertrag mit einem der Institute – dann ist dieser entsprechend umzustellen. Ansprech- und Vertragspartner hierfür ist das jeweilige Prüfinstitut direkt, dem die Anforderungen des RAL-GZ 525 durch die Zusammenarbeit mit der Gütegemeinschaft Flachglas vertraut sind.
Bei der GGF kann dann die Mitgliedschaft und das RAL-Gütezeichen ESG-HF beantragt werden. Das jeweilige Prüfinstitut bestätigt gegenüber der GGF, dass mit dem Betrieb ein Überwachungsvertrag geschlossen wurde. Nach erfolgter Erst- oder Regelprüfung beschließen Güteausschuss und Vorstand der GGF die Verleihung, und der Betrieb erhält eine Urkunde, die zum Führen des RAL-Gütezeichens ESG-HF berechtigt, sowie Vorlagen für die Verwendung des Zeichens. Für die Zukunft hängt die Berechtigung zum Führen des RAL-Gütezeichens dann vom positiven Ergebnis der Fremdüberwachung ab, über das die Prüfinstitute der Gütegemeinschaft berichten.
Im Normenausschuss war zeitweise über ein völliges Verbot von (heißgelagertem) ESG über 4 m Höhe beraten worden! Dass das bewährte Produkt mit Fremdüberwachung weiter eingesetzt werden darf, ist ein Erfolg des gemeinsamen Engagements der Branche durch BF und GGF.